Harmsens Welt

Pittiplatsch wird ewig leben! Das Alter ist eine relative Sache

Die Sicht aufs Altern ändert sich mit der Lebenszeit. Erst nach und nach merkt man, was historische Zeitspannen sind. Ein Plädoyer für entspanntes Älterwerden.

Sieht der Typ aus, als wäre er 60 Jahre alt? Pittiplatsch zeigt: Das Alter ist relativ.
Sieht der Typ aus, als wäre er 60 Jahre alt? Pittiplatsch zeigt: Das Alter ist relativ.rbb/Thorsten Jander

Früher habe ich – wie fast jeder junge Mensch – gedacht, dass alte Menschen eine besondere Spezies seien. Vielleicht lebten sie einst auf einem Planeten mit geringerer Anziehungskraft, sodass man dort auch mit Osteoporose und Arthrose munter umherhüpfen konnte. Mit einem Alien-Raumschiff gerieten sie zufällig auf die Erde. Hier brauchen sie leider einen Rollator, wegen der Erdenschwere.

Inzwischen merke ich, dass man ganz von allein älter wird, was sich junge Menschen einfach nicht vorstellen können. „Glaubwürdiger ist doch, dass alte Menschen, sogenannte Großeltern, immer schon alt waren“, sagte einmal der große Humorist Loriot. „Und in abgelegenen Teichen darauf warten, von Störchen aufgenommen und nach ruhigem Anflug dort abgeworfen zu werden, wo sie von Nutzen sind.“

Die Evolution hat Oma und Opa erfunden

Genau wegen dieses Nutzens hat die Evolution einst dafür gesorgt, dass es überhaupt Menschen bis ins Oma-Opa-Alter schaffen. So lautet die Theorie. Irgendwer musste doch auf die Kinder aufpassen, wenn die jungen Leute auf Jagd waren. Damals entstand auch die Rubrik „Opa erzählt vom Krieg“. Da ging es dann abends um das zottelige Ungeheuer, das einst das Dorf bedrohte, um den langen Streit mit der schieläugigen Nachbarsippe, um große Feuer, Fluten und Himmelserscheinungen.

Was große historische Zeitspannen sind, beginne ich erst jetzt zu begreifen. Als Kind saß ich auf dem Schoß einer Frau, die 1892 geboren wurde. Das war die Pflegemutter meiner Mutter. Heute habe ich selbst ein Enkelkind auf dem Schoß, dem ich von Herzen wünsche, dass es das 22. Jahrhundert gesund und glücklich erreicht. Ich selbst säße dann als Figur mitten in einer Spanne von gut 200 Jahren. Zwei Mal der Schlaf von Dornröschen!

Die Gesetze des Alterns

Für mich gibt es mehrere Gesetze des Alterns. Erstens: Man altert von ganz allein, und zwar schneller, als man denkt. Zweitens: Innerlich bleibt man irgendwann stehen. Ich bin und bleibe zum Beispiel auf ewig 34. Drittens: Die Eitelkeit hört nimmer auf. Ich denke da an einen 95-jährigen Schauspieler, der neulich stolz sagte: „Frauen halten mich für jung!“ Viertens: Das Grauen vor Zahlen wie 30, 40 und 50 relativiert sich. Dazu zitierte meine Mutter einmal den Spruch: „Wie jung man mit 50 war, ahnt man mit 60. Mit 70 weiß man es.“ Und mit 90 hat man dann vielleicht alles vergessen.

In diesem Zusammenhang übrigens vielen Dank an die Familie aus Prenzlauer Berg, die mir neulich mit lieben Grüßen ein Päckchen Tee der Marke „Opa Harmsen“ schickte. Ich würde mich gern persönlich bedanken, habe aber die Anschrift verbummelt.

Pittis „Omama“ soll weit über 500 Jahre alt sein

Vor einiger Zeit habe ich mich übrigens gefreut, dass ich so alt bin wie eine der einflussreichsten Persönlichkeiten unseres Landes, nämlich Pittiplatsch, der Fernseh-Kobold. Ich fragte mich, ob er inzwischen ein Kobold-Opa ist und ob seine eigene „Omama“ noch lebt. Sie soll ja weit über 500 Jahre alt sein.

Einmal habe ich darüber geschrieben, wie Pitti einst geboren wurde. Eine Puppenmacherin nähte 1962 einfach zwei Lederbälle zusammen, fummelte Handschuh-Finger als Arme und Beine dran, klebte ein paar Wollfransen auf den Kopf. Seitdem hat sich Pittiplatsch öfter verändert. Einen knautschigen Lederball kann man ja immer wieder auswechseln oder durch Hightech-Kunststoff ersetzen. Beim Menschen geht das kaum. Pitti wird wahrscheinlich ewig leben. Und dies ist durchaus ein Trost in dieser verrückten Zeit.