Nicht mehr lange, dann ist es so weit. Zum 20. Dezember steigen die Berliner Taxitarife – nach mehr als drei Jahren Stabilität. Weil die Kosten immer weiter zunehmen und der Mindestlohn mehrmals erhöht wurde, werden Taxifahrten im Durchschnitt um 20 Prozent teurer. Zu teuer, meinen die Ersatzkrankenkassen. Sie lehnen es ab, die neuen Tarife bei der Abrechnung von Krankenfahrten als Grundlage zu akzeptieren, berichtet die Innung des Berliner Taxigewerbes. Sie reagiert mit „Erstaunen und Entsetzen“, weil die Krankenbeförderung in Gefahr sei, den Patienten Bürokratie und höhere Ausgaben drohten. Jetzt hat sich die Taxi-Innung in einem Brandbrief an die Politik gewandt.
Es geht um die sogenannten einfachen Krankenfahrten. Das sind Fahrten zum Beispiel zum Arzt, zur Dialyse, zur Chemotherapie oder ins Krankenhaus, die im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus medizinischer Sicht zwingend notwendig sind. Alle Kassen sind verpflichtet, mit einer ausreichenden Anzahl von Leistungserbringern Vergütungsverträge abzuschließen, damit die Versicherten jederzeit solche Transporte in Anspruch nehmen können. So weit die Theorie.
Patienten sind mit Beförderung im Taxi zufrieden
„Seit Beginn der Coronazeit haben wir in Berlin verstärkt einfache Krankenfahrten durchgeführt und dabei eine große Zufriedenheit der Patienten erfahren“, berichtet Leszek Nadolski, Vorsitzender der Innung des Berliner Taxigewerbes. Die Innung ist seit Februar 2021 Partner des Verbandes der Ersatzkassen (vdek). Beide Seiten haben damals einen Vertrag geschlossen, der auf den seit 2019 geltenden Taxifahrpreisen basiert.
„Wir haben schon seit Anfang des Jahres kommuniziert, dass eine Anpassung der Tarife in Berlin stattfinden wird“, heißt es in dem Brandbrief, den die Innung Gesundheits-Staatssekretär Thomas Götz (Grüne) sowie den gesundheitspolitischen Sprechern der Parteien in Berlin gesandt hat. Die Kassen hätten entgegnet, dass eine neue Preisvereinbarung abzuschließen sei. Doch das sei bisher nicht geschehen, klagt Nadolski. Stattdessen hätten die Ersatzkassen behauptet, dass die Fahrpreiserhöhung in Berlin die Krankenkassen mit Zusatzkosten von 37 Prozent belaste. „Diese Aussage entbehrt jeder rechnerisch nachvollziehbaren Grundlage“, entgegnet die Innung.
„Es steht die menschliche Gesundheit auf dem Spiel“
Der Verband der Ersatzkassen stellt den Sachverhalt anders dar. „Es gab keine Ankündigung Anfang 2022, dass die Entgelte seitens des vdek angepasst werden“, teilte Sprecherin Antje Harms der Berliner Zeitung am Montag auf Anfrage mit. Ganz im Gegenteil: „Es ist von Seiten der Ersatzkassen nicht geplant, den Vertrag und die darin festgelegten Entgelte zu ändern.“ Die zugrunde liegenden Tarife würden nicht angepasst. Harms: „Die Krankenbeförderung mittels Taxi stellt eine Ergänzungsleistung gemäß dem Sozialgesetzbuch V dar, und die derzeit außerordentlichen Mehrkosten können nicht vollständig durch die Vergütung der Krankenbeförderung abgedeckt werden.“
Was nun? „Es bleibt leider nichts anderes übrig, dass wie im Falle der AOK sämtliche Patienten der Ersatzkassen Vorkasse leisten müssen“, heißt es in dem Brandbrief der Berliner Taxi-Innung. Mitglieder der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) müssen die Krankenbeförderung per Taxi bereits zunächst selbst zahlen.
Die Kranken müssten die Kosten dann mit ihrer Krankenkasse abrechnen. „Das bedeutet mehr Aufwand und mehr Stress für die Patienten“, so Nadolski. Auch fehlten vielen Menschen die Mittel, das Geld vorzuschießen. Sie könnten zwar auf Kranken- und Rettungstransporte ausweichen, doch angesichts der Nachfrage werde es schwer sein, einen Fahrdienst zu finden. „Es ist ein ernst zu nehmendes Problem, denn es steht die menschliche Gesundheit auf dem Spiel.“ Wenn Taxis kaum noch Krankenfahrten übernähmen, würde die Patientenversorgung zusammenbrechen, warnte die Innung.
Rahmenvertrag mit dem Berliner Taxigewerbe „immer noch vorteilhaft“
„Nach jetzigem Stand können Krankenfahrten mit dem Taxi zu den im Rahmenvertrag vereinbarten Entgelten in Anspruch genommen werden“, so Antje Harms. Wohlgemerkt: zu den bisherigen Tarifen, nicht zu den künftigen Taxifahrpreisen. Das würde bedeuten, dass die Kranken auf den Differenzbeträgen sitzen bleiben. „Daneben werden Krankenfahrten auch von Mietwagenunternehmern weiterhin durchgeführt.“
Auch wenn die Vergütung nicht erhöht werden könne, sei der Rahmenvertrag für das Berliner Taxigewerbe „immer noch vorteilhaft“, stellte die Sprecherin des Verbandes der Ersatzkassen fest. Die erst mit dem vdek geschaffene Möglichkeit, als Taxiunternehmen Krankenfahrten abzurechnen, sei eine zusätzliche Einnahmequelle für die Firmen und helfe mit, deren Existenz zu sichern.
Wenn Krankenkassen einfache Krankenfahrten nur als Geschäft betrachten und keine Mindestlohn- & Kostenerhöhung beim Taxi mittragen, dann bleibt nur "Einstampfen" oder Mietwagen-Option. Beides ist für die Patienten keine Lösung. Rahmenvertrag anpassen & vorkassefreie Abrechnung!
— Stephan Machulik (@stephanmachulik) December 13, 2022
Der Streit um die neuen Tarife wird inzwischen auch in der Berliner Landespolitik diskutiert. „Wenn Krankenkassen einfache Krankenfahrten nur als Geschäft betrachten und keine Mindestlohn- & Kostenerhöhung beim Taxi mittragen, dann bleibt nur ‚Einstampfen‘ oder Mietwagen-Option. Beides ist für die Patienten keine Lösung“, twitterte der SPD-Verkehrspolitiker Stephan Machulik. Der Abgeordnete verlangt, den Rahmenvertrag anzupassen. Abgerechnet werden soll ohne Vorkasse.



