Gerade fliegen wieder Raketen: Rund 500 schon will der sogenannte Islamische Dschihad während der jüngsten Angriffswelle von Gaza aus auf Israel gefeuert haben. Am Donnerstag gab es einen Toten und vier Verletzte, als eine davon in einem Wohnhaus in der 40 Kilometer nördlich des palästinensischen Küstenstreifens gelegenen Stadt Rechovot einschlug. 15 Sekunden Zeit haben die Menschen von den an Gaza angrenzenden Gebieten bis nach Tel Aviv, um in den Luftschutzbunker zu laufen, wenn auf ihrem Handy die Meldung „Red Alert“ aufploppt, Raketenalarm. Sie leben in ständiger Angst. Aber sie haben gelernt, mit der Angst zu leben. Sie ist ihr Begleiter seit 75 Jahren.
Man kann sich darüber streiten, ob es besonders klug ist, auf die Angriffe mit vermeintlich gezielten Gegenschlägen zu reagieren, die dann aber doch so massiv sind, dass zwar gewiss der eine oder andere Terrorfürst ausgeschaltet wird, unter die Kollateralschäden aber auch inzwischen 20 Zivilisten fallen, darunter Frauen und Kinder. Man muss aber immer auch klar benennen, wo die ursprüngliche Aggression herkommt – und dass die Kollateralschäden von den Aggressoren durchaus eingepreist sind, um das arabische Narrativ von Israel als unterdrückerischer Kolonialmacht in die Welt zu tragen und somit eine Täter-Opfer-Umkehr zu betreiben (auf die selbst gebildete Menschen wie Roger Waters und Sally Rooney reinfallen).
Israel reiche jedem die Hand, so erklärte der israelische Botschafter in Deutschland vergangene Woche auf einem Empfang zum 75. Geburtstag seines Landes in Berlin, „der mit uns Frieden schließen möchte“. Das klingt natürlich erst mal einfacher, als es die in all den Jahren immer verfahrenere Situation gestattet. Im Grunde aber ist die Situation so, wie sie ist, weil die arabische Seite seit 75 Jahren diese Hand ausschlägt. Hätten die arabischen Führungen dem Teilungsplan der Uno von 1947 zugestimmt, der die Teilung des von Großbritannien verwalteten Mandatsgebiets Palästina vorsah – oder wenigstens als Gesprächsgrundlage für einen anderen Modus vivendi akzeptiert –, gäbe es schon seit 75 Jahren einen palästinensischen Staat an der Seite Israels.
Es war am 14. Mai 1948, als in Tel Aviv die Gründung des Staates Israel verkündet wurde. Gut drei Jahre nach der Befreiung von Auschwitz. Ein halbes Jahr nach besagtem Beschluss der UN-Vollversammlung, der nach der Erfahrung der Shoah, des von Deutschen verübten Völkermordes, dem sechs Millionen Juden zum Opfer fielen, allen vom Antisemitismus Bedrohten eine Heimstatt schaffen wollte und sollte. Viele westliche Staaten und nicht nur die Vereinigten Staaten von Amerika, sondern auch die Sowjetunion unterstützten die Gründung Israels. Doch noch in der folgenden Nacht erklärte die versammelte arabische Welt dem neuen Staat den Krieg – inklusive der palästinensischen Araber unter der Führung des Mufti Amin el-Husseini, eines glühenden Antisemiten und verurteilten Nazi-Kollaborateurs.
Der Krieg endete 1949 mit einem klaren Sieg Israels, auf dessen Seite Tausende Menschen kämpften (und auch starben), die eben noch der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie entkommen waren. Dass Israel am Ende mehr Territorium kontrollierte als von der Uno vorgesehen, entsprang dabei keineswegs einem zuvor gehegten, größeren zionistischen Plan. Die israelischen Gebietsgewinne – einschließlich der Flucht und Vertreibung der arabischen Bevölkerung – waren das Ergebnis eines von den Arabern entfesselten Konflikts, der heute auch als „erster arabisch-israelischer Krieg“ firmiert.
Wie dieser Name schon suggeriert: Weitere folgten. Keinen davon hat Israel angefangen. Aber eben auch keinen verloren. Seit 75 Jahren ist dieses Land Vernichtungsversuchen ausgesetzt. Seit 75 Jahren hält es ihnen nicht nur stand, es gedieh nebenher zu einer in jeder Hinsicht blühenden Landschaft, zu einem hoch entwickelten Industriestaat mit dem höchsten Lebensstandard im Nahen Osten und dem fünfthöchsten auf dem ganzen asiatischen Kontinent.



