Verkehr

Harte Zeiten für Fahrgäste: Jetzt wird auch noch eine U-Bahnstrecke gesperrt

Viele Abschnitte des Berliner Schienennetzes sind bereits außer Betrieb. In wenigen Tagen wird zudem eine wichtige Ost-West-Verbindung der BVG gekappt.

Eine U-Bahn überquert auf der Oberbaumbrücke die Spree zwischen Friedrichshain und Kreuzberg. Diese Schienenstrecke ist ab Montag gesperrt. Betroffen sind die U-Bahn-Linien U1 und U3.
Eine U-Bahn überquert auf der Oberbaumbrücke die Spree zwischen Friedrichshain und Kreuzberg. Diese Schienenstrecke ist ab Montag gesperrt. Betroffen sind die U-Bahn-Linien U1 und U3.Volker Hohlfeld/imago

Auf die Fahrgäste des Berliner Nahverkehrs kommt eine weitere Einschränkung zu. Auf mehreren Abschnitten des Schienennetzes im Zentrum ruht der Bahnbetrieb bereits, nun wird noch ein Teilstück auf Schienenersatzverkehr (SEV) umgestellt. Vom 30. Januar an fahren zwischen der Warschauer Straße in Friedrichshain und dem Kottbusser Tor in Kreuzberg keine U-Bahnen mehr, geht aus Informationen der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) hervor. Betroffen sind die Linien U1 und U3. Eine weitere U-Bahn-Linie, die U2, am Alexanderplatz wird an diesem Mittwoch Thema eines Spitzengesprächs beim Senat sein. Der abgesackte Tunnel ist angeblich doch noch sanierungsfähig, so die BVG.

Vielleicht wäre es einfacher, wenn die Verantwortlichen eine Liste veröffentlichten, welche Schienenstrecken in der östlichen Berliner Innenstadt überhaupt noch in Betrieb sind. Nicht wenige Fahrgäste haben derzeit das Gefühl, dass eine Aufstellung der unterbrochenen oder teilweise gesperrten Abschnitte länger wäre.

Wie meist in dieser Jahreszeit ist der Nord-Süd-Tunnel der S-Bahn auch in den ersten anderthalb Monaten dieses Jahres wieder gesperrt. Die kurvige Berg-und-Tal-Strecke, die durch den Zugbetrieb stark belastet wird, muss wieder einmal saniert werden. Darum ist die stark genutzte Trasse bis zum Abend des 17. Februar nicht nutzbar. Fahrgäste müssen auf die Busse des SEV umsteigen, die aber nicht selten in den schmalen Straßen oder in Staus steckenbleiben. Die Sperrung wirkt sich bis weit in den Norden und den Süden Berlins aus. Auch weil die Linien zum Teil schon vor dem Tunnel gekappt werden, sind Pankower, Frohnauer, Südender und viele andere Fahrgäste viel länger unterwegs.

Straßenbahnstrecken in Mitte noch bis zum 1. Mai unterbrochen

Auf der U-Bahn-Linie U2 müssen die Fahrgäste noch auf unbestimmte Zeit zwischen Klosterstraße und Senefelderplatz auf einen Pendelzug umsteigen, der nur alle 15 Minuten fahren kann. Der Grund ist wie berichtet ein Tunnelschaden, der sich über Wochen hinweg neben der Hochausbaustelle des Investors Covivio am Alexanderplatz entwickelt hat. Die 17 Meter tiefe und mehr als 60 Meter lange Baugrube ist lediglich zwei Meter vom U2-Bahnhof entfernt. Die enorme Kraft des herandrängenden Grundwassers hat dazu geführt, dass sich die ein Meter dicke Baugrubenwand verformt hat. Der Boden lockerte sich. Ergebnis war, dass der Tunnel um 3,5 Zentimeter absackte.

Wer auf die Straßenbahn ausweichen will, sollte sich ebenfalls gut informieren. Während die M10 immerhin vom 30. Januar an im Westen wieder zum U-Bahnhof Naturkundemuseum (U6) sowie zum Hauptbahnhof verkehrt, enden die Linien M1 und 12 noch bis zum 1. Mai bereits am Hackeschen Markt.

Fahrgäste sind mehr als doppelt so lang unterwegs

Die U-Bahn von Friedrichshain nach Kreuzberg und weiter in Richtung Westen ist für viele Fahrgäste eine Route, auf der sie betroffene Bereiche umfahren können. Doch nicht mehr lange: Wie die landeseigene BVG in ihrem „Navi 01.23“ mitteilte, wird das Teilstück zwischen Warschauer Straße und Kottbusser Tor vom 30. Januar bis zum 5. März gesperrt. Als Grund werden Lärmschutzarbeiten angegeben. „Dort wird eine zusätzliche Schalldämmung verbaut“, sagte BVG-Sprecher Jannes Schwentu.

Fahrgäste müssen auf Busse umsteigen. Die Fahrt verlängert sich von fünf auf elf Minuten, plus umsteigen.

Für die Nutzer des klima- und stadtfreundlichen Nahverkehrs wird es also nicht leichter, sondern schwerer. Am heutigen Mittwoch wollen Verkehrsstaatssekretärin Meike Niedbal (Grüne), Mittes Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD), die BVG und Covivio darüber sprechen, wie es um den U2-Tunnel unter dem Alexanderplatz steht – und wann die U-Bahnen wieder so fahren können, wie dies bis zum 7. Oktober möglich war.

Neubau des Tunnels unterm Alexanderplatz könnte 50 Millionen Euro kosten

Rolf Erfurt, Betriebsvorstand der BVG, zeigte sich zuversichtlich, dass das unterirdische Bauwerk saniert werden kann. „Ich gehe nicht davon aus, dass der Tunnel neu gebaut werden muss“, sagte er am Rande einer Veranstaltung des Verkehrspolitischen Informationsvereins. Wie berichtet haben Fachleute auch innerhalb der BVG nicht ausgeschlossen, dass die mehr als hundert Jahre alte Anlage aus Beton minderer Qualität abgetragen werden muss. Das Konzept, die Tunnelwand mit Betoninjektionen zu stützen und den U2-Bahnhof durch weitere Betoneinspritzungen anzuheben, sei riskant. Allerdings würde ein Tunnelneubau bis zu 50 Millionen Euro kosten, während der mehr als zwölfmonatigen Bauzeit müsse die U2 in diesem Bereich komplett gesperrt werden.

Es sei Sache der Covivio, ein tragfähiges Konzept vorzulegen, heißt es in der Verwaltung von Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) und bei der BVG. Rolf Erfurt bekräftigte dies. Er rechne aber nicht damit, dass ein Neubau nötig werde. Die bautechnischen Aufgaben, aber auch die möglichen Risiken, seien aus seiner Sicht beherrschbar, sagte Erfurt. Er hoffe, dass die U-Bahnen im Sommer 2023 wieder auf beiden Gleisen fahren. 

BVG weist „wilde Spekulationen“ zurück

„Wir müssen feststellen, dass die Verantwortlichen in der Verkehrsverwaltung die Schäden am Tunnel der U2 unter dem Alexanderplatz lange Zeit nicht ernst genommen haben“, sagte Max Landero, SPD-Abgeordneter aus Mitte. „Ich bin ich froh, dass die Verwaltung auf meinen Vorschlag hin endlich einen runden Tisch zur Behebung des Großschadens startet. Es braucht einen transparenten Umgang mit dem Schaden und einen verlässlichen Zeitplan zur Wiederinbetriebnahme der U2.“ Auch nach seinen Informationen sei über einen Tunnelneubau gesprochen worden. „Berlin braucht die U2, sollte ein Neubau notwendig werden, darf es nicht am juristischen Klein-Klein oder Finanzvorbehalten scheitern. Ich forderte die Verkehrs- und Finanzverwaltung auf, für den Worst Case unverzüglich Vorsorge zu schaffen“, so Landero.

BVG-Sprecher Jannes Schwentu wies die Befürchtung zurück. „Wilden und noch dazu anonymen Spekulationen, der Tunnel müsse komplett neu gebaut werden, erteilen wir eine deutliche Absage“, sagte er. „Es geht jetzt vielmehr darum, dass die notwendigen Stabilisierungsmaßnahmen vom Bauherrn beantragt und durchgeführt werden.“

Sobald der Baugrund von Covivio durch das geplante Injektionsverfahren erfolgreich verdichtet und Prüfingenieure die Stabilität bestätigt haben, werde auf der betroffenen Tunnelseite umgehend der U-Bahn-Betrieb wieder beginnen. Schwentu: „Es geht jetzt um seriöse und ergebnisorientierte Arbeit, damit die U2 im Bereich Alexanderplatz so schnell wie möglich wieder sicher auf beiden Gleisen fahren kann.“