Bussarde als Nachbarn

Gejagte Jäger in der Großstadt

Unsere Autorin hat ein neues Hobby: Vogelbeobachtung. Doch „ihr“ Mäusebussard-Paar wird auch von Profis im Auge behalten.

Ein Mäusebussard hält Ausschau: Etwa 50 Paare leben nach Auskunft des Nabu aktuell in Berlin.
Ein Mäusebussard hält Ausschau: Etwa 50 Paare leben nach Auskunft des Nabu aktuell in Berlin.Blickwinkel/imago

Das Fernglas ist jetzt immer griffbereit. Der Blick auf das Gebäude gegenüber gehört seit einiger Zeit zum ersten Kaffee am Morgen auf dem Balkon, so wie früher der Griff zur Zigarette. Doch vor dem Gucken kommt das Lauschen, manchmal sind meine neuen Freunde bereits vom Bett aus zu hören: diese Laute, die Fachleute als „miauend abfallend“ beschreiben – Pijaah! Pijaah! Pijaah!

Zwei Mäusebussarde sind es, die sich seit einiger Zeit regelmäßig auf dem Bürogebäude gegenüber niederlassen. Der eine Vogel hat einen weißen Latz, der andere, größere wirkt dunkler. Oft sitzen die Großstadtjäger lange regungslos auf dem Dach des Hochhauses. Manchmal drehen sie auch ihre Runden über die Neuköllner Häuserschluchten.

Leckere Ratten, überfahrene Eichhörnchen

Auf dem Hochhaus gesellen sich nicht selten Krähen zu ihnen. Sie schienen neulich die Greifvögel sogar zu necken: Aus sicherem Abstand startend, flogen die Krähen eine nach der anderen knapp über die Köpfe der Räuber-Konkurrenz hinweg. Doch die Habichtartigen blieben cool nebeneinander sitzen. Wenn sich die beiden Parteien allerdings im Flug begegnen, dann sieht es weniger nach Spiel aus.

Fachleuten ist „mein“ Mäusebussard-Paar lange bekannt. Sie wissen auch: Vier Jungtiere zieht es in diesem Jahr groß. Nahrung findet es im nahen Park genug – Ratten, Mäuse, Maulwürfe, Singvögel; und auf der Straße wird mitunter überfahrenes Eichhörnchen serviert.

Auch urbane Greifvögel sind trotz ihrer Anpassungsfähigkeit stressempfindlich.

Marc Engler, Leiter der Wildvogelstation des Nabu Berlin

Mäusebussarde sind die häufigsten Greifvögel Mitteleuropas, auch in Innenstädten sind sie keine Seltenheit mehr. Etwa 50 Brutpaare gibt es aktuell in Berlin, schätzt der hiesige Naturschutzbund. Seine Wildvogelstation und das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung eruieren in einem Forschungsprojekt gerade, wie sich Mäusebussarde an die Großstadt anpassen. Dafür statten sie Jungtiere mit Sendern aus. Oder erfassen via Nestkamera, welche Beute die Eltern für ihren Nachwuchs herbeischleppen.

Aber es geht bei dem Forschungsprojekt auch um die Risiken des neuen Lebensraums: Bussarde werden von Autos angefahren, während sie sich an Aas laben, sie kollidieren mit Scheiben, sterben an Rattengift.

Marc Engler, Leiter der Wildvogelstation des Nabu Berlin, bittet darum, dass nicht publik wird, wo die urbanen Greifvögel brüten. Denn es sei leider vorgekommen, dass bekannt gewordene Neststandorte von Fotografen „regelrecht belagert“ wurden, berichtet er. Das habe auch schon dazu geführt, dass Bruten abgebrochen wurden.

Wer Glück hat, muss den Bussarden gar nicht auf die Pelle rücken, um sie beobachten zu können. Manchmal genügt ein Balkon an der richtigen Stelle. Und ein Fernglas.