Das Fernglas ist jetzt immer griffbereit. Der Blick auf das Gebäude gegenüber gehört seit einiger Zeit zum ersten Kaffee am Morgen auf dem Balkon, so wie früher der Griff zur Zigarette. Doch vor dem Gucken kommt das Lauschen, manchmal sind meine neuen Freunde bereits vom Bett aus zu hören: diese Laute, die Fachleute als „miauend abfallend“ beschreiben – Pijaah! Pijaah! Pijaah!
Zwei Mäusebussarde sind es, die sich seit einiger Zeit regelmäßig auf dem Bürogebäude gegenüber niederlassen. Der eine Vogel hat einen weißen Latz, der andere, größere wirkt dunkler. Oft sitzen die Großstadtjäger lange regungslos auf dem Dach des Hochhauses. Manchmal drehen sie auch ihre Runden über die Neuköllner Häuserschluchten.
Leckere Ratten, überfahrene Eichhörnchen
Auf dem Hochhaus gesellen sich nicht selten Krähen zu ihnen. Sie schienen neulich die Greifvögel sogar zu necken: Aus sicherem Abstand startend, flogen die Krähen eine nach der anderen knapp über die Köpfe der Räuber-Konkurrenz hinweg. Doch die Habichtartigen blieben cool nebeneinander sitzen. Wenn sich die beiden Parteien allerdings im Flug begegnen, dann sieht es weniger nach Spiel aus.
Fachleuten ist „mein“ Mäusebussard-Paar lange bekannt. Sie wissen auch: Vier Jungtiere zieht es in diesem Jahr groß. Nahrung findet es im nahen Park genug – Ratten, Mäuse, Maulwürfe, Singvögel; und auf der Straße wird mitunter überfahrenes Eichhörnchen serviert.
Auch urbane Greifvögel sind trotz ihrer Anpassungsfähigkeit stressempfindlich.
Mäusebussarde sind die häufigsten Greifvögel Mitteleuropas, auch in Innenstädten sind sie keine Seltenheit mehr. Etwa 50 Brutpaare gibt es aktuell in Berlin, schätzt der hiesige Naturschutzbund. Seine Wildvogelstation und das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung eruieren in einem Forschungsprojekt gerade, wie sich Mäusebussarde an die Großstadt anpassen. Dafür statten sie Jungtiere mit Sendern aus. Oder erfassen via Nestkamera, welche Beute die Eltern für ihren Nachwuchs herbeischleppen.


