Krank nach dem Feiern

1000 Corona-Fälle nach Festival: Hilfe, ich habe die Fusion-Variante!

Vor zehn Tagen feierten 70.000 Menschen auf dem Fusion-Festival. Nun sollen mehr als 1000 von ihnen Corona haben. Unsere Autorin gehört dazu.

Foto von der Fusion im vergangenen Jahr. 2022 war es deutlich voller - und enger.
Foto von der Fusion im vergangenen Jahr. 2022 war es deutlich voller - und enger.dpa-Zentralbild

Ich war auf dem Fusion-Festival in Lärz und hatte danach Corona. Wie inzwischen mehr als tausend andere. In einem Forum zählen die Gäste ihre Infektionen selbst, am Mittwochnachmittag sind es 1.192 und sicher haben sich nicht alle eingetragen. Man kann natürlich auch nicht wissen, ob die Leute wirklich auf der Fusion waren und ob sie wirklich jetzt Corona haben. Aber auch in den verschiedenen Fusion-Chat-Gruppen meines Bekanntenkreises tauschten sich die Menschen über ihre Tests und Symptome aus. In den sozialen Netzwerken ist schon die Rede von einer Fusion-Variante.

Bin ich selbst schuld? Bestimmt. Würde ich wieder auf die Fusion fahren? Na klar. Maske in Innenräumen wäre eine Möglichkeit bei der nächsten Veranstaltung. Und das Teilen von Flaschen vermeiden. Diese Regeln stelle ich für mich auf, aber ich weiß nicht, ob ich mich daran halten würde.

Denn auch während der Fusion war mir das Risiko bewusst. Zwischendurch tauchten hin und wieder diese Leute mit Masken auf, die mich daran erinnerten, dass die Sommerwelle längst da ist. Und trotzdem habe ich keinerlei Maßnahmen getroffen, um mich und andere zu schützen. Ich war auf das Festival gekommen, um mich treiben zu lassen, und nicht, um schon wieder Regeln zu befolgen.

Bei der Hinfahrt trug noch jeder Dritte Maske

Im Bus auf der Hinfahrt trug etwa ein Drittel der Fahrgäste eine Maske. Ich gehörte nicht dazu. Es gab keine Maskenpflicht, weil es sich nicht um den Öffentlichen Nahverkehr handelte. Vielleicht ist es schon im Bus passiert. Wir teilten uns während der Fahrt zu dritt eine Weinflasche, nach dem Einlass dann zu viert eine Sektflasche. Möglicherweise wurde die dann auch noch an unsere netten Zeltnachbarn weitergereicht.

Auf dem Gelände angekommen, erkundeten wir erstmal möglichst viele Floors. Einer von uns war das erste Mal auf der Fusion und wir wollten unsere Begeisterung für die Gestaltung der Bühnen, das vielfältige Musikprogramm und den Schlag der Menschen auf diesem Festival teilen. Die Viren sind vielleicht auch bei einer der vielen Umarmungen zwischen Freunden, Bekannten oder Fremden übertragen worden.

Ich bin eigentlich mehr so der Distanz-Mensch. Aber das nützt ja nichts, wenn ein Freund einen Umarmungskreis mit vier fremden Menschen anzettelt, mit denen wir gerade unsere ersten Festivalerfahrungen ausgetauscht haben. Und vielleicht auch unsere Krankheitserreger.

Rein in die Höhle, egal, wie die Luft stand

Möglich wäre aber auch, dass ich mich in der Höhle neben der Dubstation angesteckt habe. Neben der Bühne bauten die Macher einen Hohlraum, eine Art Zufluchtsort vor den vielen Eindrücken da draußen. Die Festival-Besucher robbten auf den Knien in die Höhle - und die dort stehende Luft - und winkelten ihre Beine im Sitzen an, den Kopf knapp unter der Decke. Es passten etwa zwanzig Menschen hinein, die dicht an dicht hockten, redeten, Zigaretten vorbauten. Die sie zum Glück draußen rauchten.

Oder aber es passierte bei der Dragqueen-Show am Sonntag. Wir hatten sowieso vor, hin zu gehen, aber als das Set auf der Turmbühne zu Ende war, klatschten dicke Regentropfen auf unsere Köpfe. Wir und viele andere mit uns begannen zu rennen und flüchteten in den alten Hangar, in dem uns eine große Dame mit blonder Perücke und hohen Hacken von der Bühne aus begrüßte.

Wir harrten zunächst unter einer Treppe aus, weil es so voll war, dass man sich in die Masse quetschen musste, um etwas zu sehen. Ich hab es dann doch getan und leider auch auf Zehenspitzen nur wenig von der Performance mitbekommen. Aber es war warm und trocken und die Atmosphäre war fröhlich, also blieben wir eine Weile.

Ich könnte ewig so weitermachen und Szenen durchspielen. Letztendlich habe ich mich wahrscheinlich bei jemandem im Camp angesteckt.

Wegen des Kratzens im Hals ahnte ich am Mittwoch nach dem Festival etwas, gegen Abend setzte dann der Schnupfen ein. Es folgten vier Tage Müdigkeit, Gliederschmerzen und Erschöpfung, dann ging es langsam aufwärts. Fieber hatte ich keins, also ein ziemlich milder Verlauf.

Vielleicht ist es verantwortungslos bei 70.000 Menschen auf einem Festival keine Maske in Innenräumen zu tragen. Aber große Festivals soll es weiterhin geben. Irgendwann müssen wir weiterleben. Und feiern gehört für mich dazu.