Ali Iqbal war letzte Woche auf einer Geburtstagsfeier und fühlte sich einsam. Alle anderen waren mit ihren Partnerinnen und Partnern gekommen. Umso mehr sehnte der 38-Jährige sich nach seiner Frau, die in Pakistan lebt. Iqbals Freund kam auf ihn zu: „Ich wusste nicht, ob ich dich überhaupt einladen soll“, sagte er, „weil wir nur Paare sind und deine Frau wartet.“ Er meinte damit das Warten auf einen Termin für die Beantragung eines Visums zur Familienzusammenführung.
Das Paar wartet bereits seit September 2021. Iqbal, der in Deutschland geboren ist, stellte damals den Antrag für die Familienzusammenführung bei der deutschen Botschaft in Islamabad. Weihnachten 2022 wollten sie zusammen feiern, sie dachten, das sei realistisch. Aufgrund der Erfahrungen von anderen Pakistanern rechnet das Paar nun mit zwei weiteren Jahren bis zur Erteilung des Visums.
Deutsche Botschaften in vielen anderen Staaten bearbeiten Visa zur Familienzusammenführung in höchstens drei Monaten. Auf der Website der Botschaft in Islamabad und auf der des Auswärtigen Amtes steht: „Sie müssen mit Wartezeiten von mindestens einem Jahr bis zum Eingang einer Terminmail rechnen. Bitte beachten Sie, dass es sich hierbei um eine Schätzung handelt!“
Am Freitag stand Iqbal gemeinsam mit etwa 60 anderen Betroffenen vor dem Auswärtigen Amt in Berlin und hielt ein Schild hoch: „Ist es in Ordnung, 18 Monate auf einen Termin zu warten?“ Für die Demonstration ist Iqbal aus Offenbach bei Frankfurt angereist. „Es ist ein Akt der Verzweiflung“, sagt er. „In der Hoffnung, dass etwas passiert.“
Verzögerung durch Corona – nur eine Ausrede?
Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes teilte der Berliner Zeitung mit, dass die Botschaft in Islamabad zuletzt eine besonders hohe Visumnachfrage verzeichne, was die Annahme- und Bearbeitungskapazitäten übersteigt. Auch wurden wegen der Pandemie Maßnahmen getroffen, die „die Kapazitäten der Visastelle zusätzlich erheblich einschränkten“.
Die Sprecherin teilte außerdem mit, dass das Auswärtige Amt bereits eine Beschleunigung vorbereite. Wörtlich teilte das Amt mit: „Das Auswärtige Amt plant weitere Personalverstärkungen in der Visastelle der Botschaft Islamabad – gerade auch für den Bereich der Familienzusammenführung.“ Daneben werde derzeit eine bauliche Erweiterung der Visastelle fertiggestellt. Die Verfahren sollen sich beschleunigen, heißt es schließlich.
Bei der Demo vor dem Auswärtigen Amt ruft ein Teilnehmer durch das Megafon: „Wir wollen …“ und die Menge antwortet: „... Gerechtigkeit!“ Er meint damit die Klagen, die häufig nichts bringen. Laut Iqbal werden sie abgewiesen mit der Begründung, Corona habe die Kapazitäten eingeschränkt. Die Verzögerungen waren lange vor 2020 üblich, sie begannen schon 2017. „Sie speisen uns mit Ausreden ab“, sagt er.
Ali Iqbal spricht einen Koblenzer Dialekt, dort in der Gegend ist er aufgewachsen. Neben Deutsch spricht er auch Urdu, seine Eltern haben ihm die pakistanische Kultur vermittelt. Trotzdem glaubt er, es wäre schwer für ihn, in Pakistan beruflich Fuß zu fassen. Er wäre dort Analphabet. In Frankfurt arbeitet Iqbal als Business-Experte bei einer Bank und hat eine geräumige Wohnung in Offenbach. Sobald sie diese Krise überstanden haben, will das Paar eine Familie gründen.
Seine Frau habe nie vorgehabt, auszuwandern, erzählt der Frankfurter. Als sie ihn getroffen hat, habe sie sich dann doch dazu entschlossen. Sie arbeitet in Pakistan ebenfalls bei einer Bank und will ihrem Beruf auch in Deutschland nachgehen. Kennengelernt haben die beiden sich über Verwandte und Freunde, die sie einander empfohlen haben. Man könne von einer arrangierten Ehe sprechen, sagt Iqbal.
Fachkräfte riskieren eine Fernbeziehung über Jahre
Ali Iqbal und seine Frau schreiben einander Briefe auf Deutsch zur Übung. Sie mache nur wenige Fehler, sagt Iqbal und klingt stolz. Doch die Prüfung legt sie noch nicht ab, die Gültigkeit des Zertifikats könnte sonst bis zum Termin verfallen. Seine Frau weint manchmal am Telefon und sagt: „Mach doch irgendwas!“ Das war so nicht abgesprochen, Ali Iqbal sagte ihr zu Beginn der Beziehung, es dauere höchstens 15 Monate, bis sie das Visum bekäme. Iqbal deutet hinter sich auf die Menschen mit den Plakaten: „Bei einigen kam es deswegen auch schon zur Scheidung“, sagt er.
Iqbal hat einen deutschen Pass. Viele andere, die heute vor dem Auswärtigen Amt demonstrieren, haben eine „EU Blue Card“. Die EU ermöglicht damit insbesondere hoch qualifizierten Fachkräften eine Erwerbstätigkeit in den Mitgliedstaaten. „Wir zahlen Steuern“, sagt Zeeshan Akram. Er ist der Meinung, den Prozess zu vereinfachen, wäre auch für Deutschland vorteilhaft. „Fachkräfte aus Pakistan überlegen sich genau, ob sie hierherziehen.“
Akram ist hier, um seine Freunde zu unterstützen. Der 31-Jährige kommt aus Pakistan, hat aber zunächst in Dubai gearbeitet. Er habe innerhalb von drei Wochen ein Visum für sich und seine Familie bei der deutschen Botschaft in Dubai bekommen, erzählt er.

Ein kleiner Junge sitzt auf einer Stufe vor der Botschaft. Auf seinem T-Shirt ist ein Haikopf zu sehen, in der Hand hält er ein Demo-Schild. Er ist der Sohn von Samina Ilyas aus Marzahn, zwei Jahre alt. Der Junge ist in Pakistan geboren, hat dort laufen und sprechen gelernt, sein Vater hat das meiste davon verpasst. Er kam einmal im Jahr einen Monat lang zu Besuch, die Eltern hatten sich das anders vorgestellt.
Im Oktober 2019 haben Samina Ilyas und ihr Mann den Antrag für die Familienzusammenführung gestellt, im März hat sie das Visum bekommen. Die Schwangerschaft und die erste Zeit mit dem gemeinsamen Kind musste sie alleine meistern. „Es ist unser Recht, zusammenzuleben“, sagt sie. Die Entschuldigungen der Botschaft in Islamabad, dass es zu wenig Personal gebe, kann sie nicht akzeptieren. „Das sind lahme Ausreden“, sagt sie.




