Planungswirrwarr

Elsenbrücke steht der neuen A100 in Friedrichshain im Weg

Der Bund will den Berliner Stadtring bis Lichtenberg verlängern. Doch an der Spreequerung gibt es ein kniffliges Problem.

Die Ringbahnbrücken zwischen Treptow und Friedrichhain. Dahinter würde der 17. Bauabschnitt der A100 die Spree überspannen. Allerdings wäre ein Teil der neuen Elsenbrücke im Weg.
Die Ringbahnbrücken zwischen Treptow und Friedrichhain. Dahinter würde der 17. Bauabschnitt der A100 die Spree überspannen. Allerdings wäre ein Teil der neuen Elsenbrücke im Weg.imago/snapshot/F.Boillot

Eine Autobahn durch Friedrichshain: Der Plan des Bundesverkehrsministeriums, die A100 nach Lichtenberg zu verlängern, bewegt die Gemüter. Nach und nach wird deutlich, was das Milliardenprojekt für diesen Teil Berlins bedeuten würde.

Nach dem Doppelstocktunnel in einem Wohnviertel am Ostkreuz, für dessen Bau die Neue Bahnhofstraße mehrere Jahre lang zu sperren wäre, rückt nun ein anderes Problemfeld des 17. Bauabschnitts ins Blickfeld. Zwischen der Elsenbrücke und den  Überführungen der Ringbahn wäre nicht genug Platz für eine Autobahn mit sechs Fahrstreifen, sagten Fachleute der Berliner Zeitung. Beim derzeitigen Neubau der Elsenbrücke müsste auf die geplante östliche Hälfte verzichtet werden – oder die östliche Hälfte der neuen Brücke wäre später wieder abzureißen. „Das zukünftige östliche Teilbauwerk wäre im Weg“, bestätigte ein Planer. Bei der Planung der neuen Elsenbrücke sei für das Autobahnprojekt nicht vorgesorgt worden, gestand der Senat ein.

Kosten haben sich auf rund 98 Millionen Euro fast verdoppelt

Wer beim S-Bahnhof Treptower Park die Spree entlangspaziert und die beiden Brücken sieht, die den Fluss überspannen, fragt sich: Ist zwischen diesen beiden Bauwerken Platz für eine Autobahn? Nun wird immer deutlicher, wie die Antwort lauten muss: Nein!

Der Friedrichshainer Abgeordnete Sven Heinemann hat nachgerechnet. „Wenn man bei Google Maps den Abstand zwischen der Elsenbrücke und der Ringbahnbrücke misst, kommt Google auf 32 Meter“, berichtete der Sozialdemokrat. „Der Trog der A100 im Bau, beispielsweise an der Dieselstraße in Neukölln, ist laut Google 36 Meter breit.“ Heinemann meint einen Bereich des künftigen 16. Bauabschnitts zwischen Neukölln und Treptow, der in einem Geländeeinschnitt verlaufen wird. Noch wird dort gebaut, doch Ende 2024 soll dieser Teil der Stadtautobahn eröffnet werden.

Januar 2022 an der Elsenbrücke: Berlins Brückenbauchef Arne Huhn und Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch kurz vor der Freigabe der Behelfsüberführung. An dieser Stelle würde die Autobahn die Spree überqueren.
Januar 2022 an der Elsenbrücke: Berlins Brückenbauchef Arne Huhn und Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch kurz vor der Freigabe der Behelfsüberführung. An dieser Stelle würde die Autobahn die Spree überqueren.Sabine Gudath

Noch keine Termine gibt es für den 17. Bauabschnitt, für den der Bund, wie berichtet, die Planung in Auftrag gegeben hat. Er soll den Stadtring weiter zur Frankfurter Allee und zur Storkower Straße führen. Dass für die Spree-Überquerung Platz geschaffen werden müsste, war schon in früheren Jahren immer wieder ein Thema. Das bestätigte Friedemann Kunst, der von 2007 bis 2013 die Abteilung Verkehr in der Senatsverwaltung leitete. „Nach meiner Erinnerung sollte die Elsenbrücke für den 17. Bauabschnitt neu errichtet werden“, so der langjährige Chefverkehrsplaner zur Berliner Zeitung.

Inzwischen ist der Neubau der Elsenbrücke tatsächlich im Gang – allerdings nach Plänen, die nicht mit dem Autobahnprojekt harmonieren. Nachdem 2018 im östlichen Überbau der alten Brücke ein langer Riss entdeckt wurde, wurde rasch ein Projekt aufgesetzt. „Das Land Berlin plant, wie angekündigt, eine städtische Brücke, die neben dem motorisierten Individualverkehr insbesondere auch Platz für Fußgängerinnen und Fußgänger, Radfahrende sowie bedarfsweise eine Straßenbahntrasse vorsieht“, sagte Jan Thomsen, Sprecher von Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne). Die geschätzten Kosten haben sich inzwischen auf rund 98 Millionen Euro fast verdoppelt.

2024 oder 2025 muss Entscheidung für A100 fallen

„Die Vorsorge für eine Autobahnführung über die Elsenbrücke ist weder vorgesehen, noch könnte eine solche Vorsorge mangels Planungsrecht derzeit überhaupt getroffen werden“, so der Sprecher. Anders gesagt: Bislang waren die Autobahnpläne zu vage, um darauf eingehen zu können. Nicht ganz unwichtig ist auch, dass Grüne und Linke den 17. Bauabschnitt ablehnen, weil er nicht in die Stadt passe. Gemeinsam mit dem dritten Koalitionspartner, der SPD, kam das Berliner Regierungsbündnis überein, bis zum Ende der Wahlperiode 2026 nichts für das Autobahnprojekt zu unternehmen.

Ein weiterer Experte erinnerte an die Vorplanung aus den 1990er-Jahren. Danach sollte die Autobahn zwischen den bestehenden Bahnbrücken und dem westlichen Überbau der neuen Elsenbrücke Platz finden, sagte er. Für einen östlichen Überbau wäre kein Platz mehr. Noch befinden sich in diesem Bereich die Behelfsüberführungen, über die während der jetzigen Bauetappe der Straßenverkehr fließt. 2024 oder 2025 müssten sich die Verantwortlichen entscheiden, ob an ihrer Stelle der bisher geplante endgültige östliche Überbau entsteht – oder ob im Interesse der Autobahnplanung darauf verzichtet wird.

Wenn nur die westliche Hälfte der geplanten neuen Elsenbrücke in Betrieb ginge, hätte dies Folgen für den Autoverkehr. Pendler, Lieferfahrer und andere Kfz-Nutzer müssten über viele weitere Jahre mit einem Nadelöhr leben – Staugefahr inklusive. Bislang ist kein Zeitplan für den Bau und die Fertigstellung des 17. Bauabschnitts der A100 absehbar. Gut möglich, dass sie erst Ende der 2030er-Jahre freigegeben werden kann.

„Wir brauchen keine weitere Spaltung und Polarisierung“

Verkehrsplanerisch ließe es sich durchaus begründen, den Stadtring nach Friedrichshain und Lichtenberg zu verlängern, betonte Friedemann Kunst. „Als Teil einer Strategie zur sehr deutlichen Verminderung des Autoverkehrs innerhalb des S-Bahn-Ringes könnte der Anschluss an die Frankfurter Allee nützlich werden. Doch ein strategischer Ansatz ist bisher weder konzeptionell erkennbar, noch wird meines Wissens daran gearbeitet“, sagte er der Berliner Zeitung. „Die Verknüpfung mit der Frankfurter Allee, der B1/B5, würde den Entlastungseffekt für die Innenstadt noch mal deutlich verstärken“, pflichtete Kunsts Nachfolger in der Senatsverwaltung, Burkhard Horn, in einem Schreiben an die Berliner Zeitung bei. „Das gilt gerade auch für Straßen wie die Leipziger.“

Doch der Entlastungseffekt trete nur dann ein, wenn auch die damals von der Senatsverwaltung vorgeschlagenen begleitenden Maßnahmen konsequent umgesetzt werden, so Horn, der die Abteilung Verkehr bis 2017 leitete. Die Kapazität von Straßen müsse vermindert, die Parkraumbewirtschaftung ausgeweitet werden. „Da das noch nicht einmal beim 16. Bauabschnitt klappt, muss man da skeptisch sein“, sagte Horn.

Fahrraddemo gegen A100 am Freitag

Dass der 17. Bauabschnitt der Autobahn 100 jemals gebaut wird, halten die beiden Planer für unrealistisch. „Unabhängig von der Nutzenfrage ist nicht erkennbar, dass es in absehbarer Zeit einen ausreichenden stadtgesellschaftlichen Konsens für einen Weiterbau geben wird“, schätzte Burkhard Horn ein. „Ohne den ist es sinnlos, jetzt Energie und Ressourcen in das Planungsverfahren zu stecken. Wir brauchen keine weitere Spaltung und Polarisierung. Der 17. Bauabschnitt hat keine Zukunft.“

Für den 8. April ruft ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis unter dem Motto „#A100 stoppen: Lebenswertes Berlin für alle“ zu einer Fahrraddemonstration gegen den Weiterbau der A100 auf. Start ist um 16 Uhr am Invalidenpark in Mitte.