Freikörperkultur

Einfach nackt! FKK-Vereine haben in Berlin wieder Zulauf

Die Berliner FKK-Vereine liegen wieder im Trend. Warum ist Nacktsein wieder das große Ding?

FKK-Urlauber am Strand
FKK-Urlauber am Strand

Ob sie auch ein oder zwei nackte Menschen vor die Kamera bekommen könnte? Die Frage der Fotografin im FKK-Verein Saunafreunde Berlin am Heiligensee lässt die Alarmglocken bei den Mitgliedern schrillen. Man ist zwar gerne nackt, aber öffentlich in der Zeitung möchte man dies doch lieber nicht präsentieren – wenn, dann nur von Weitem. Wenn also die Fotos hier nur angezogene Menschen zeigen, muss der Leser sich eben die nackte Haut dazudenken. Auch in der Vereinszeitung, die zweimal pro Jahr erscheint, ist kein einziger Nackedei zu sehen. Die Saunafreunde Berlin Familiensportverein e.V. sind einer von mehreren FKK-Vereinen in Berlin, und er wurde schon im Jahr 1950 gegründet. Er liegt malerisch an einer Wiese am Ufer des Heiligensees. Es gibt einen kleinen Sandstrand und zwei Stege, davor stehen Stand-up-Paddleboards aufgereiht, und ein Tretboot gibt es auch. „Motorboote sind auf dem Heiligensee nicht erlaubt, nur mit Elektromotor“, sagt Dominic Sefrin (29), der laut eigener Aussage seit 29 Jahren Mitglied des Vereins ist. „Verein, nicht Club“, muss er den Reporter korrigieren, das ist in diesem Fall ein himmelweiter Unterschied. Und ein unentschuldbarer Fauxpas.

Es kommen Junge, Alte und Familien

Denn in FKK-Clubs gehen gewöhnlich nur Männer mit Interesse an Sex und treffen dort meist nur auf Frauen. Hier am Heiligensee konzentriert man sich auf Familien, dementsprechend gibt es viele Angebote für Kinder. Das reicht von Lagerfeuern am Seeufer über den Spielplatz bis zu Kreativworkshops und Zeltlager.

Knapp 1000 Mitglieder hat der Verein, und während es bis vor drei Jahren mit den Mitgliederzahlen stetig bergab ging, kann Dominic Sefrin nun erstmals einen Zulauf verzeichnen. Es kommen Junge, Alte und Familien. Warum dieser Trend jetzt da ist, kann Sefrin auch nicht erklären. Neu ist auch, dass Berliner mit ausländischen Wurzeln sich anmelden, während früher der Verein eher deutsch geprägt war.

Aus der Anfangszeit des Vereins stammen auch noch die Ferienhäuschen, sehr einfach gezimmerte Holzbuden ohne Heizung und ohne Komfort. Sie stehen dicht an dicht auf dem baumbestandenen Gelände, und sind natürlich alle lange vergeben und machen einen nostalgischen Eindruck. Die Freiluftsaison am Heiligensee reicht normalerweise von Mai bis September. „Im Winter haben wir aber die Sauna, und danach ist es schön, zum Seeufer zu laufen und sich im Kaltwasser abzukühlen“, sagt Sefrin.

Außerdem gibt es vielfältige Sportangebote, Volleyball, Gymastik, Yoga, Joggen, Faustball und Tischtennis. „Das Beliebteste ist aber das Sportabzeichen“, berichtet Sefrin. Wer denkt, dass im Familiensportverein die Sportarten unbekleidet ausgeübt werden, irrt. „Das war vielleicht früher so, heute hat es sich aber eingebürgert, dass der Sport in Sportkleidung gemacht wird“, so Sefrin. Ausnahme: Das Schwimmen im See ist immer nackt. Wichtig sei aber, so merkt Sefrin an, dass im Familiensportverein niemand gezwungen wird, nackt zu sein. Besonders bei Jugendlichen in der Pubertät ist Nacktsein gar nicht angesagt. Normalerweise kostet die Mitgliedschaft für eine Familie im Jahr 400 Euro. Wer nur erst mal das nackte Leben erschnuppern will, ist immer willkommen. „Fünf Mal im Leben“, sagt Sefrin, darf man als Gast dabei sein, der Eintritt pro Tag kostet dabei 12 Euro für eine Familie. Wer sich dann immer noch nicht entschieden hat, kann eine Schnuppermitgliedschaft über vier Wochen abschließen.

Keine Probleme mit Spannern

Julia Naumann-Galen (43) ist mit ihrer Tochter schon viele Jahre Mitglied im Verein. „Schon meine Mutter war hier Mitglied, ich bin also quasi hier reingewachsen“, sagt die Frau aus Tegel. Was sie am meisten schätzt: „Die Kinder können hier überall rumrennen, ohne dass ich auf sie aufpassen muss. Und meine Tochter findet immer viele Spielkameraden“. Naumann-Galen ist zwar gerne ohne Kleidung an der frischen Luft, „aber ich schätze es auch, dass kein Zwang herrscht, dass man nicht permanent nackt sein muss.“ Davon hätten Außenstehende oft kein Bild, denn viel dringt von den FKK-Vereinen nicht in die Berliner Öffentlichkeit. In den letzten zwei Jahren war es manchmal schwierig, am Heiligensee unter Menschen zu gehen. Dieses Jahr, so hoffen alle, wird das Vereinsleben aber zu der alten Tradition zurückfinden – auch im Vereinscasino, wo man sich zum Essen oder abends zum Bier an der Theke trifft.

Mit Spannern habe man übrigens, verlautet es vom Verein, keine Probleme. Der Holzzaun, der das Gelände umgibt, ist stellenweise schon ziemlich lädiert und löchrig. Das störe die Anlieger aber nicht – im Gegenteil: Einige Nachbarn sind sogar Mitglieder im Verein.

Von einer Freikörperkultur, wie dies in Megaanlagen in Frankreich an der Atlantikküste wie bei „La Jenny“ oder Arnaoutchot zelebriert wird, wo bis zu 10.000 Urlauber nackt herumwuseln, ist man in Berlin weit entfernt. In diesen Resorts gilt das Motto: 24 Stunden nackt, und das gilt nicht nur für das Baden, sondern auch für das Radfahren, den Restaurantbesuch oder den Einkauf im Supermarkt. Und natürlich für das unvermeidliche Boule-Spiel. Dort ist es Sitte, immer mit einem Handtuch herumzulaufen, aus Hygienegründen, wenn man sich irgendwo hinsetzt. Dieser nackte Lifestyle zieht viele deutsche Stammkunden an, die jedes Jahr an die unendlich weiten Sandstrände des Atlantiks fahren.

FKK-Stammplätze in Berlin: Grunewald, Tiergarten, Wannsee

In Berlin haben die Nudisten jedoch auch ihre Stammplätze. Die meisten Berliner kennen sie und meiden sie entweder konsequent oder fahren nur dort hin. Dazu gehören die hügelige Badewiese am Teufelssee im Grunewald, bestimmte Stellen im Tiergarten, ein abgetrennter Teil vom Strandbad Wannsee und die Liegewiese am Halensee, um nur einige zu nennen. Im Winter bietet das Stadtbad Neukölln spezielle Zeiten für das Nacktschwimmen an, der Autor dieser Zeilen machte dort allerdings nicht die besten Erfahrungen.

Unerwarteter Gast am FKK-Strand Teufelssee: Wildschwein klaut Laptoptasche. Berlin, August 2020
Unerwarteter Gast am FKK-Strand Teufelssee: Wildschwein klaut Laptoptasche. Berlin, August 2020

Davon profitieren augenscheinlich die FKK-Vereine. „Wir verzeichnen einen konstanten Mitgliederzuwachs“, sagt auch Michael Rausch vom Helios-FKK-Verein im Grunewald. Insbesondere junge Familien, die sich an den öffentlichen FKK-Plätzen nicht so wohl fühlen, fänden den Verein attraktiv. In den letzten zwei Jahren habe sich die Zahl der Interessenten, die zum Schnuppern vorbeikommen, verdoppelt.

FKK in Berlin: Die Bewegung begann vor 120 Jahren

Damals gab es in Kreuzberg einen Lehrer namens Adolf Koch, der für neue Lehrmethoden wie die Loheland-Gymnastik oder die freie tänzerische Gymnastik nach Mary Wigman Interesse zeigte und mit seinen Schülern auch mal zum Nacktbaden an den See fuhr. Zusammen mit dem Berliner Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld gründete er 1924 das Institut für Freikörperkultur, das unter anderem Stunden für Nacktturnen abhielt. Trotz der zu erwartenden Schwierigkeiten, die diese freie Kultur hervorrief, hatte sie einen relativ großen Zulauf. Doch mit alldem war 1933 Schluss. Erst 1945 wagte Koch den Neuanfang, diesmal unverdächtiger als „Institut für Körperkultur“. In den 60er-Jahren galt die Freikörperkultur in Westdeutschland dann aber als jugendgefährdend und unsittlich, Adolf Koch wurde mit seinem Institut aus dem Deutschen Verband für Freikörperkultur ausgeschlossen. An diese Geschichte erinnert heute der Name des Familien-Sport-Vereins Adolf Koch e.V., der seinen Sitz immer noch in Kreuzberg hat.

Wer Freikörperkultur außerhalb der Großstadt genießen will, sollte an den Motzener See fahren. Dort hat der AKK Birkenheide seinen Sitz, und der feiert in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen. Der Verein hat rund 500 Mitglieder, die ein „traumhaft schönes Wald- und Heidegelände am Motzener See“ (so die Eigenwerbung) nutzen können. Dort kann man ohne Bikini baden, aber auch Sport treiben. Es gibt Faustball, Volleyball, Tischtennis, Kegeln und Badminton. Wie kann man sich ein Gelände für Nudisten vorstellen? „Wir treiben kein militantes FKK, wie das früher mal war“, versucht Michael Adamski vom AKK zu erklären. Das heißt konkret, dass die meisten Sportarten in Sportbekleidung getrieben werden. „Wenn es mal richtig heiß ist, dann kann es schon mal sein, dass nackt gespielt wird, das ist aber die Ausnahme“, so Adamski. Der Verein sei eher familienorientiert. Wenn sich ein Single-Mann um Mitgliedschaft bewirbt, wird er vom Verein genau unter die Lupe genommen, fügt Adamski an. Die meisten Mitglieder kommen aus Berlin, einige aber auch von weiter her. Der Verein ist auch nur in der Sommersaison von Mai bis September offen. Die Stammmitglieder haben oft Wohnwagen auf dem Platz und verbringen die meisten Wochenenden dort. Für Tagesgäste kostet der Eintritt nur 2,50 Euro. Wichtiger Punkt der Geländeordnung: Das Fotografieren oder Filmen ist generell nicht erlaubt, auch mit dem Smartphone nicht. Und, wer hätte das gedacht: Unter Punkt 7.3 der Geländeordnung ist vermerkt, dass auf dem gesamten Gelände das Tragen von Badebekleidung nicht gestattet ist.

FKK-Vereine:

AKK Birkenheide

www.akk-birkenheide.org

Saunafreunde Berlin Familiensportverein e.V.

www.saunafreunde-berlin.de