FKK

Initiative fordert: FKK im Schwimmbad soll kein Tabu mehr sein

Oben ohne dürfen sich im Schwimmbad meist nur Männer zeigen. In Göttingen hat sich das mit Anfang Mai geändert. Initiiert vom Bündnis „Gleiche Brust für alle“.

Göttingen: Vom 1. Mai an dürfen alle Badegäste Schwimmbäder in Göttingen an Samstagen und Sonntagen ohne Oberkörperbekleidung besuchen.
Göttingen: Vom 1. Mai an dürfen alle Badegäste Schwimmbäder in Göttingen an Samstagen und Sonntagen ohne Oberkörperbekleidung besuchen.dpa

Warum ist ein nackter Männeroberkörper okay, nackte Brüste aber nicht?

Initiiert wurde die Neuregelung von Mina Berger und dem feministischen Göttinger Bündnis „Gleiche Brust für alle“. Berger heißt eigentlich anders, möchte aber anonym bleiben. Auslöser war, dass Berger sich im August vergangenen Jahres in einem Göttinger Hallenschwimmbad das Bikini-Oberteil auszog. „Das hat sich gut angefühlt, zu merken: Ich fühle mich einfach wohler, wenn ich nicht dieses Oberteil an meinem Körper kleben habe.“ Berger bezeichnet sich selbst als non-binär, identifiziert sich also weder als Frau noch als Mann. Das Schwimmbad sah Berger jedoch als Frau und erteilte einen Schwimmbadverweis sowie ein Hausverbot wegen Oben-ohne-Badens.

Warum ist ein nackter Männeroberkörper okay, nackte Brüste aber nicht? Diese Frage stellen sich nicht nur Aktivistinnen und Aktivisten in Göttingen. Deutschlandweit gründen sich Bewegungen, die ein Oben-ohne-Recht für alle Menschen fordern – zumindest für die Orte, an denen sich auch Männer mit nacktem Oberkörper zeigen dürfen. Sie fordern Geschlechtergerechtigkeit und die Entsexualisierung des weiblichen Körpers. In Berlin gab es im Sommer 2021 eine Fahrrad-Demo mit dem Motto: „No Nipple is free until all Nipples are free!“ (Keine Brustwarze ist frei, bis alle Brustwarzen frei sind), um gegen ein Verhüllungsgebot in Parks zu protestieren.

Schon im vergangenen Jahrhundert wurde Frauen per Regelung vorgeschrieben, wie sie sich beim Baden zu kleiden haben. Der sogenannte Zwickelerlass von 1932 besagte, dass Frauen nur dann öffentlich baden durften, wenn sie einen Badeanzug trugen, der Brust und Leib an der Vorderseite des Oberkörpers vollständig bedeckte und unter den Armen fest anlag. In den 50er- und 60er-Jahren gab es Bikini-Verbote in Bädern oder an Stränden, die erst im Zuge der Studentenbewegung und der damit einhergehenden sexuellen Befreiung aufgehoben wurden. 90 Jahre später fallen nun zumindest in Göttinger Bädern an Wochenenden (fast) alle Hüllen.

Niedersachsen, Göttingen: Eine „Badeordnung-Ergänzug“ hängt am Eingang zum Hallenschwimmbad „Badeparadies Eiswiese“. Ab Mai dürfen Frauen an Samstagen und Sonntagen ohne Oberkörperbekleidung Schwimmbäder in Göttingen besuchen. Der Sportausschuss der Stadt sprach sich für eine entsprechende Regelung aus.
Niedersachsen, Göttingen: Eine „Badeordnung-Ergänzug“ hängt am Eingang zum Hallenschwimmbad „Badeparadies Eiswiese“. Ab Mai dürfen Frauen an Samstagen und Sonntagen ohne Oberkörperbekleidung Schwimmbäder in Göttingen besuchen. Der Sportausschuss der Stadt sprach sich für eine entsprechende Regelung aus.dpa/Swen Pförtner

Schon am ersten Geltungstag habe er den Eindruck, dass „ungewöhnlich viele Badegäste“ in die Bäder kommen, sagte Andreas Gruber, Geschäftsführer der Göttinger Sport und Freizeit GmbH, am Sonntag. Es gebe viel positives Feedback und von der Möglichkeit des Oben-ohne-Badens werde seinen Informationen zufolge auch Gebrauch gemacht. „Verständlicherweise aber eher zurückhaltend“, sagte Gruber mit Blick auf das große öffentliche Interesse an der Entwicklung in Göttingen.

Regelung bis Ende August

Auch wenn die Göttinger Entscheidung auf viel positive Resonanz stößt, gibt es in den Kommentarspalten der sozialen Medien auch kritische Stimmen. Eine Nutzerin spricht vom „Gendergaga Endstadium“. Ein Kommentator fragt zynisch, ob Männer jetzt unter der Woche Badeanzüge oder Bikini-Tops tragen müssten.

„Werden jetzt Männer unter der Woche Badeanzüge oder Bikins tragen müssen?“, fragt man sich besorgt auf Twitter
„Werden jetzt Männer unter der Woche Badeanzüge oder Bikins tragen müssen?“, fragt man sich besorgt auf Twitterdpa/Annette Riedl

Im Göttinger Sportausschuss, der über die neue Regel entschied, gab es nach Angaben der Gleichstellungsbeauftragten Christine Müller Stimmen, die sagten, „wir müssen auf unsere Menschen mit Migrationsgeschichte Rücksicht nehmen“.

Mina Berger hingegen glaubt, dass es unabhängig von Geschlecht, Alter oder Herkunft für alle Menschen als etwas Normales angesehen werden könnte, nackte Brüste in der Öffentlichkeit zu sehen. Der Blick der anderen sei das Problem, nicht die Nacktheit an sich. Die neue Regelung gilt vorerst bis Ende August. Berger und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter wollen dafür kämpfen, dass das Bikini-Oberteil auch danach wegbleiben darf.