Immobilienmarkt Berlin

Initiative Deutsche Wohnen und Co enteignen benennt Experten

Gremium soll klären, inwiefern eine Vergesellschaftung von Wohnungen möglich ist, für die eine Mehrheit beim Volksentscheid im September 2021 votiert hat.

Unternehmenszentrale der Deutsche Wohnen
Unternehmenszentrale der Deutsche Wohnendpa

Die Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen hat drei Vertreter für die Expertenkommission benannt, die sich mit Fragen einer möglichen Vergesellschaftung von Wohnungen großer Immobilienunternehmen befassen soll. Es handelt sich um Susanne Heeb, Professorin für Geographische Stadtforschung am Institut für Humangeographie der Universität in Frankfurt am Main, um Anna Katharina Mangold, Professorin für Europarecht an der Universität Flensburg, und Tim Wihl, derzeit Vertretungsprofessor für Öffentliches Recht und Neuere Rechtsgeschichte an der Universität Erfurt.

Deutsche Wohnen und Co enteignen freut sich über Expertise

„Wir freuen uns sehr, dass die drei sich bereit erklärt haben, ihre Expertise in die Kommission einzubringen“, sagte die Sprecherin der Initiative, Isabella Rogner, am Mittwoch bei der Benennung der Fachleute. Die Besetzung der Kommission ist damit abgeschlossen. Der rot-grün-rote Senat hatte bereits am Dienstag vor zwei Wochen seine Vertreter benannt. Eine Mehrheit der Initiative hatte sich in der Nacht zum Mittwoch für die Beteiligung an der Expertenkommission ausgesprochen. Intern hatte es zuvor Debatten darüber gegeben, ob es sinnvoll ist, sich an der Arbeit des vom Senat eingesetzten Gremiums zu beteiligen.

„Wir wollten diese Kommission gar nicht“, sagte Veza Clute-Simon, die mit Isabella Rogner der Kontaktgruppe der Initiative angehört, die die Gespräche mit dem Senat führt. Die Initiative habe vielmehr die „sofortige Erarbeitung eines Gesetzes“ zur Vergesellschaftung gewünscht. Denn die Berliner hätten ja beim Volksentscheid am 26. September bereits entschieden. Da es die Kommission aber gebe, entsende die Initiative nun Experten, „die die nötige juristische und wohnungsökonomische Expertise mitbringen, um an der konkreten Umsetzung des Gesetzes zu arbeiten“, so Clute-Simon. „Wir wollen, dass jetzt die besten Leute an den besten Lösungen arbeiten, damit wir eine ökologische, bezahlbare Mieterstadt erhalten und demokratisch gestalten können“, sagte sie. Und betonte: „Wir wollen ein sicheres Vergesellschaftungsgesetz.“

Gremium soll Empfehlungen erarbeiten

„Mit Tim Wihl und Anna Katharina Mangold entsenden wir zwei weitere anerkannte Verfassungsrechtler, deren Fachwissen wir ausgesprochen schätzen und die insbesondere im Bereich Europarecht, öffentliches Recht und Rechtsgeschichte ausgesprochen renommiert sind“, sagte Isabella Rogner. Mit Susanne Heeg sei jetzt auch das Fachgebiet der Stadtforschung und Wohnungsökonomie in der Kommission vertreten. „Darauf legen wir als Initiative besonderen Wert – in Bezug auf die Fragen der Umsetzung des Volksentscheids und auch in Bezug auf die Ausgangsbedingungen des Wohnungsmarktes , vor dessen Hintergrund die Initiative und der Volksentscheid entstanden sind“, so Rogner.

Die konstituierende Sitzung der Kommission ist für den 29. April geplant. Innerhalb eines Jahres soll das Gremium dann eine Empfehlung erarbeiten, auf deren Grundlage der Senat über das weitere Vorgehen entscheiden kann.

Am 26. September 2021 hatte sich eine Mehrheit von 57,6 Prozent der Berliner bei einem Volksentscheid dafür ausgesprochen, die Bestände großer Immobilienunternehmen zu vergesellschaften. Der Volksentscheid war von der Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen angestrengt worden. Der Senat wird im Beschlusstext des Volksentscheids „aufgefordert, alle Maßnahmen einzuleiten“, die zur Überführung von Immobilien sowie von Grund und Boden in Gemeineigentum zum Zwecke der Vergesellschaftung nach Artikel 15 des Grundgesetzes erforderlich sind. Rechtlich bindend ist das Votum zwar nicht, aber es drückt einen starken politischen Willen aus.

Der nun eingesetzten Expertenkommission gehören 13 Personen an. Den Vorsitz übernimmt die frühere Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD). Die Koalitionsfraktionen haben bereits die Jura-Professoren Wolfgang Durner (Universität Bonn), Christian Waldhoff (Humboldt-Universität), Michael Eichberger (Bundesverfassungsrichter a. D.), Christoph Möllers (Humboldt-Universität), Florian Rödl (Freie Universität), Isabel Feichtner (Julius-Maximilians-Universität Würzburg), Ann-Kathrin Kaufhold (Ludwig-Maximilians-Universität München) sowie Professor Thorsten Beckers vom Lehrstuhl für Infrastrukturwirtschaft und -management der Bauhaus-Universität Weimar und Aysel Osmanoglu, Vorstandsmitglied der GLS-Bank, nominiert.

Lob und Kritik an der Kommission

Aufgabe der Expertenkommission ist es, zunächst die Verfassungskonformität einer Vergesellschaftung zu untersuchen. Hierbei soll sie auch einen von der Enteignungsinitiative vorgelegten Gesetzesvorschlag berücksichtigen. Anschließend sollen auch wohnungswirtschaftliche, gesellschaftsrechtliche und finanzpolitische Aspekte berücksichtigt und entsprechende Empfehlungen erarbeitet werden.

Kritik an der Beteiligung der Initiative an der Kommission kommt vom FDP-Abgeordneten Björn Jotzo, der im Hauptberuf als Rechtsanwalt in einer „Immobilienkanzlei“ (Eigenwerbung) tätig ist. „Die Entscheidung des Senats, die Expertenkommission auch mit Vertretern dieser Initiative zu besetzen, obwohl sie nach dem Beschluss des Volksentscheids keinerlei Legitimation mehr innehat, war falsch“, erklärte Jotzo. Wie die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) so den Wohnungsbau zu einer Chefinnensache machen wolle, bleibe unklar. „Berlin braucht endlich ein sofortiges Ende der linken Enteignungsphantasien und ein ambitioniertes Wohnungsbauprogramm, das den Wohnungsmarkt nachhaltig entlastet“, so Jotzo.

Der Linken-Abgeordnete Niklas Schenker begrüßte die Entscheidung der Initiative, sich an der Expertenkommission zu beteiligen. „Die Vergesellschaftungskommission kann nun zügig ihre Arbeit aufnehmen“, sagte er. „Die Aufgabenstellung ist klar, es muss jetzt darum gehen, konkrete Wege zur Vergesellschaftung aufzuzeigen.“ Dafür biete die Kommission eine historische Chance. „Wir sind davon überzeugt, dass Vergesellschaftung der richtige Weg ist, um dauerhaft bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und die Wohnungsversorgung zu demokratisieren“, so Schenker.