Berlin-„Fliegen sind doof. Sie haben das Prinzip Glas nicht verstanden.“ Zu diesem Schluss komme ich, während ich sehe, wie eine dicke Fliege immer wieder gegen die Scheiben unseres Küchenfensters knallt – sssss-brrrrr-boing – und nicht versteht, dass nur wenige Zentimeter über ihr das obere Doppelfenster offen steht. Ich beobachte das, ohne einzugreifen, denn ich bin leicht rammdösig.
In der Sommerschwüle – wie man sie in den vergangenen Tagen erlebte – denkt es einen so durch den Tag. Für aktives Zutun hat man keine Kraft. Aber das Dahintreiben schützt einen auch davor, aggressiv zu werden. Zum Beispiel auch beim „Bad in der Menge“. Diese Metapher muss einst jemandem in der überfüllten sommerlichen S-Bahn gekommen sein – in stickiger Schwitzeluft, umgeben von bleichen Wülsten, albernen Tattoos, hochroten Gesichtern und glänzenden Schweißperlen.
Der Sommer ist die Zeit der Warnungen
Flirrend heiße Sommertage waren mir schon als Kind suspekt. „So’n Tach is wie ’n schöner, aalglatter Typ, der alle angrinst und superfreundlich tut. Aba in Wirklichkeit is er voller Abjründe!“, sagt mein innerer Berliner. Es stimmt. Der Sommer ist die gefährlichste Jahreszeit. Das wusste ich schon in der Schulzeit. Alles freute sich über Hitzefrei, jubelte. Ich jedoch klebte auf dem Nachhauseweg mit der Sandale am Straßenbelag fest – wo der Asphalt Blasen schlug – und bekam von der Sonne hämmernde Kopfschmerzen.
An der Badestelle oder im Strandbad ging es weiter. Lauter Gefahren, lauter Warnungen! Wer kennt sie nicht? Sie sind sommertypisch: „Nicht erhitzt und mit vollem Magen ins Wasser gehen, sonst kann man ertrinken!“ – „Nicht mit nassen Badesachen herumlaufen, sonst kann man sich erkälten!“ – „Nicht Obst, Eis und Limonade durcheinander verzehren, sonst droht ein mordsmäßiger flotter Otto!“
Man blickte hinaus auf den See, wo Motorboote gerade so der Kollision mit Binnenschiffen entgingen. Oder wo Segelboote kenterten. Heutzutage kurvt dazwischen noch viel mehr herum: klobige Holzflöße und Grillboote voller Besoffener. Der Körper wird rot, die Haut pellt sich. Sonnenbrand! Hitzschlag! Krebsgefahr! Badeunfall! Massenschlägerei im Bad! Nur ein paar sommertypische Stichworte.
Man möchte braune trockene Grasbüschel an die Wetterfrösche schicken
Wer mir jetzt vorwirft, den Sommer schlechtzumachen, hat das Prinzip Glosse vielleicht nicht verstanden. Mancher ahnt auch sicher schon, dass ich einst selbst wie ein Wilder im Wasser herumtobte, Eis und Obst in mich hineinstopfte, Limonade dazu trank und so weiter. Also mutig der Gefahr trotzte. Ja, und dass ich auch heute einiges am Sommer liebe: darunter mild-warme Abende, an denen die Sonne alles in ein schönes Rot taucht und man mit einem Gläschen dasitzt, ganz entspannt. Denn die Gefahr ist ja erst mal vorbei.
Okay, manchmal endet der Tag auch anders: Blitze krachen, Stühle fliegen durch die Luft, Hagel durchlöchert das Dach, der Baum fällt aufs Auto, Keller laufen voll. Und alles für umsonst! Denn leider reichen solche Gewitter nie aus, die seit Jahren herrschende Dürre in unserer Berlin-Brandenburger Sahelzone zu beenden.




