Altmunition

Sprengplatz Grunewald: Wie gut ist das Areal gesichert? Was lagert dort?

In Berlin und Brandenburg ist der Boden immer noch voller Weltkriegsmunition. Im Grunewald soll sie entsorgt werden. Die wichtigsten Fakten zum Sprengplatz.

Altmunition auf dem Sprengplatz Grunewald
Altmunition auf dem Sprengplatz GrunewaldStephan Pramme

Der Brand im Grunewald wurde von Explosionen auf dem Sprengplatz der Berliner Polizei ausgelöst. Ein Ort, der normalerweise sehr gut gesichert ist. Wir beantworten hier einige Fragen zu den Hintergründen des Großbrandes.

Warum gibt es diesen Sprengplatz?

Berlin-Brandenburg ist noch immer die am stärksten mit Altmunition aus dem Zweiten Weltkrieg belastete Region in ganz Deutschland. Beim Kampf um Berlin fanden 1945 die heftigsten Kämpfe des Krieges auf deutschem Boden statt. Schon vorher hatten die Alliierten Berlin massiv bombardiert. Briten und Amerikaner warfen bei 378 Angriffen 45.750 Tonnen Bomben ab. Wie viele Bomben die Rote Armee über Berlin abwarf, ist nicht bekannt. Eine halbe Million Wohnungen wurden zerstört. Blindgänger werden bis heute in Berlin und brandenburgischen Städten gefunden und müssen entsorgt werden.

Was sind Blindgänger?

Experten gehen davon aus, dass etwa zehn Prozent der Sprengkörper nicht explodiert sind und noch als Blindgänger im Boden liegen. Nach neuesten Schätzungen wird von 4600 nicht gezündeten Fliegerbomben im Berliner Boden ausgegangen. Die ganze Stadt bleibt eine Altlasten-Verdachtsfläche. Der Senat fordert deshalb jeden Bauträger vor Baubeginn auf, Kampfmittelräumfirmen anzuheuern, die das Gelände absuchen. In Berlin – aber auch in Städten wie Oranienburg, Potsdam und Schwarzheide – werden bundesweit die meisten explosiven Altlasten aus dem Boden geholt. Die müssen entsorgt werden. Ein Ort dafür ist der Sprengplatz im Grunewald, es handelt sich um ein sogenanntes Zwischenlager.

Wie groß ist der Sprengplatz im Grunewald?

Das Areal existiert seit 1950. Es ist 200 mal 200 Meter groß. Die eigentliche Sprengfläche ist von Erdwällen umgeben, damit bei den Sprengungen keine Splitter nach draußen gelangen. Um das Gelände erstreckt sich eine Brandschutzschneise von mehreren Metern, die eigentlich verhindern soll, dass Feuer auf den Wald übergreifen.

Wie gut ist das Areal gesichert?

Der Fachbereich „Explosivstoff- und Kampfmittelangelegenheiten“ des Kriminaltechnischen Instituts im Berliner Landeskriminalamt hat 20 Mitarbeiter. Der Sprengplatz im Grunewald, keine 600 Meter Luftlinie von der Avus-Abfahrt Hüttenweg entfernt, ist die Dienststelle der Feuerwerker. Das Areal mit Baracken und Containerbauten ist mit hohen Zäunen, Metalltoren, mit Stacheldraht und Kameras gesichert.

Wie funktioniert die Entschärfung von Altmunition?

Die meiste Altmunition wird bei Bauarbeiten oder bei der systematischen Suche durch Kampfmittelräumfirmen gefunden. Stoßen Bauarbeiter auf eine Fliegerbombe, wird das Areal abgesperrt. Die Spezialisten versuchen vor Ort, den Zünder aus der Bombe zu entfernen. Gelingt dies, ist der Sprengstoff von der Zündvorrichtung getrennt und kann nicht explodieren. Zünder und Sprengstoff werden in den Grunewald gebracht, um sie dort bei den kontrollierten Sprengungen zu vernichten.

Am Alexanderplatz: Polizeifeuerwerker Matthias Gutulla verlädt nach einer erfolgreichen Entschärfung eine 100-Kilo-Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg.
Am Alexanderplatz: Polizeifeuerwerker Matthias Gutulla verlädt nach einer erfolgreichen Entschärfung eine 100-Kilo-Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg.dpa/Gregor Fischer

Bei welchen Kampfmitteln gibt es die meisten Probleme?

Auch heute noch tückisch sind Bomben mit chemischen Langzeitzündern. Sie sollten nicht beim Aufprall zünden, sondern erst erst Stunden oder Tage nach dem Abwurf. Sie sind so gebaut, dass sich erst eine Chemikalie durch eine Membran fressen muss – dann erfolgt die Explosion. Bei Blindgängern wurde dieser Prozess nicht abgeschlossen. Es kann also jeder Zeit zur Explosion kommen. Hinzu kommt: Die Langzeitzünder haben eine Ausbausperre, die ausgelöst wird, wenn ein Feuerwerker den Zünder entfernen will. Der Zünder kann auch aktiviert werden, sobald die Bombe bewegt wird. Deshalb sägen die Berliner Experten die Zünder vor Ort mit einer Hochdruck-Wasserschneidanlage heraus. Wenn die Umgebung es zulässt und keine Gefahr für die Nachbarschaft besteht, wird die Bombe gleich vor Ort gesprengt.

Wann wird im Grundwald gesprengt?

Die kontrollierten Sprengungen der Lagermunition finden nicht im Sommer statt – wegen der erhöhten Waldbrandgefahr. Üblich sind sechs bis acht Großsprengungen jeweils im Frühling und im Herbst, bei denen große Mengen von Bomben, Granaten oder Panzerfäusten vernichtet werden. Innerhalb der hohen Sandwälle sind Löcher im Boden, in die das Sprenggut am ersten Tag gelegt wird. Aus Sicherheitsgründen kommt der Sprengstoff erst am zweiten Tag dazu. Das Loch wird dann mit feinem Sand verfüllt. Am dritten Tag wird alles mithilfe einer elektrischen Fernzündung vernichtet. Wegen der potenziellen Gefahr wird dann auch kurz die Avus gesperrt. Pro Jahr gibt es noch 70 weitere sogenannte Kleinsprengungen. Nach jeder kontrollieren die Fachleute, ob auch tatsächlich alles explodiert ist oder ob noch Blindgänger übrig sind. Der Betrieb des Sprengplatzes kostet pro Jahr eine Million Euro.

Wie viele Kampfmittel lagern im Grunewald?

Am Donnerstag hieß es, dass es etwa 25 Tonnen sind. Derzeit kommen offenbar große Mengen zusammen: Denn auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Berlin-Tegel wurden bei Räumungsarbeiten für ein neues Wohnquartier 61 Artilleriegranaten aus dem Kaiserreich aus der Zeit zwischen 1875 und 1905 gefunden – immerhin 6300 Kilogramm Sprengsätze. Sie wurden im Juli gefunden und gleich in den Grunewald gebracht. Bislang hat die Polizei noch nicht bekannt gegeben, ob schon etwas davon bei Kleinsprengungen vernichtet wurde. Offenbar brannte es nun zuerst im Lager für Pyrotechnik. Warum die nach den Sprengungen des Frühjahrs überhaupt noch im Lager war, ist unklar.

Ein Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg wird geborgen.
Ein Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg wird geborgen.Eric Richard

Wie ist die Lage in Brandenburg?

2021 wurden 328 Tonnen Kampfmittel gefunden und vernichtet. Für die Beseitigung wurden 13 Millionen Euro eingesetzt. Gefunden wurden: 1500 Stück Nahkampfmittel, 180 Minen, 23.900 Granaten, 1100 Brandbomben, 1300 Sprengbomben sowie 4400 Panzerabwehrraketen und Raketen. Dazu kamen 1450 Waffen und Waffenteile sowie 467.000 Stück Munition.