Mit der Lampe fing es an. Ein Berliner Sperrmüllfund, rotes Quadrat, mindestens drei Kilo schwer, könnte ein italienisches Designobjekt aus den Siebzigern sein, Ikea jedenfalls nicht. Bloß, dass sie nicht funktionierte. Der freundliche, aber etwas herablassende Wiener Obi-Verkäufer (Frauen in Baumärkten, das ist eine eigene Kolumne wert, wenn nicht ein ganzes Buch) behauptete, sie sei nicht reparierbar, auf Wunsch könne er sie an Ort und Stelle entsorgen.
Ich hab sie dann doch wieder mit den Öffis durch die halbe Stadt geschleppt und anschließend in einer Insta-Story gefragt, ob jemand in Wien einen Lampenreparaturservice kennt. Jemand verwies auf Die Lampenschirmerzeugung, ein anderer Typ bot an, sie kostenlos zu reparieren, er sei gelernter Elektriker und mache das gerne, also Sachen reparieren.
Ein Wiener Tipp? Ein FKK-Strand
Wir trafen uns auf dem Meidlinger Markt, zwischen der Marktkonditorei Hüftgold und dem Hundeshop Mopsfidel. Von fern waren Schnitzelklopfsounds zu hören und die für deutsche Ohren schwer verständlichen Diskussionen verlebter Kettenraucher. Weil es ein sehr volksnaher Markt ist, kriegt man dort weder Hafermilch noch Iced Latte. Dafür kann man wie eigentlich überall in Wien mit Bankomat bezahlen, also kontaktlos.
Der Elektriker hatte sein Stammlokal vorgeschlagen. Bei Mirna. Was mir sofort auffiel, war die Unmenge Schilder drum herum, ein regelrechter Schilderwienerwald. Wir tranken Soda-Zitron, das perfekte Sommergetränk.
Wie sich herausstellte, war der Elektriker viel eher ein Künstler. Unter anderem grub er Löcher an verschiedenen Orten auf der Welt, die er dann fotografierte und in Form von Krypto-Geld verkaufte, für, wenn ich mich recht erinnere, sechzigtausend Euro pro Stück.
Zu Berlin hatte er auch etwas zu erzählen, nämlich dass er dem Sohn von Christian Boros (das ist der mit dem Bunker) mal eine Cola ausgegeben habe. Dann skizzierte er auf einer Postkarte seine liebste Badestelle, ein FKK-Areal in der Lobau, etwa fünfzehn Kilometer von meiner Wohnung entfernt. „Gib bei Google Maps Zur Kurvn ein, dann findest du das schon.“ Dann klemmte er sich meine drei Kilo schwere Lampe unter den Arm und ging in Richtung U-Bahn davon.

Die Postkarte habe ich aufgehoben
Am nächsten heißen Sommertag radelte ich mit meinem Vintagepeugeot die Donau entlang, hörte einen Podcast, in dem zwei Feministinnen aus identitätspolitischen Gründen Sophie Passmann auseinandernahmen, und fragte mich, woher all der Hass in der Welt kommt. Den Zur-Kurvn-Imbiss gab es wirklich, auch hier schienen die Schilder die Speisekarte zu ersetzen, was ich wesentlich sympathischer finde als QR-Codes.
Einige Meter entfernt legte ich mich nackt ins ausgedörrte Gras. In Sichtweite drehte sich der österreichische Opernregisseur Valentin Schwarz eine Zigarette. Meine Iphone-App zeigte 33 Grad – zehn Grad mehr als in Berlin – und eine Regenwahrscheinlichkeit von 40 Prozent, aber erst abends.
Plötzlich fing es an zu tröpfeln. Während die Mehrheit der anderen Badegäste das Areal fluchtartig verließ, aktualisierte ich mehrmals die Wetter-App. Dann fing es wirklich an zu regnen. Ich blieb stur sitzen. So plötzlich, wie es zu regnen begonnen hatte, hörte es wieder auf. Einer der wenigen mit mir Verbliebenen stimmte die Austroversion eines Klassikers an: „Da kummt die Sunn“.
Kurze Zeit später schickte mir der Elektroniker-Künstler ein Bild meiner reparierten Lampe. Wir trafen uns zur Übergabe wieder bei Mirna, bei strahlendem Sunnschein. Seine Postkarte mit dem Badestellentipp habe ich natürlich aufgehoben. Sollte das mit dem Krypto-Investment klappen ... Wer weiß, was sie dann wert sein wird.


