Ein Jahr nach der Eröffnung

Besser spät als nie: Humboldt Forum entdeckt seine Liebe zum Palast der Republik

Erst abgerissen, jetzt gefeiert: Mit Filmen, Gesprächen und Kegelbahnen wird dem Palast der Republik gehuldigt. Immer mehr sagen: Hätte man ihn doch erhalten.

Der Palast der Republik ist weg, die Zweifel sind noch da: Was sollte der Abriss?
Der Palast der Republik ist weg, die Zweifel sind noch da: Was sollte der Abriss?imago/Seeliger

Zwei Männer und eine Frau sitzen vor einem großen Wandrelief und reden. Über das Relief fliegen weiße Blütenblätter. Sie wirken wie Friedenstauben, aber vielleicht denkt man das nur, wenn man weiß, dass das Relief ein Erbstück der DDR ist. Die Blüten sind aus Meissener Porzellan, das ganze Bild stammt aus der berühmten Manufaktur, sogar das Logo mit den Schwertern ist zu sehen. Es ist ein Erbstück der DDR, das kaum nach Osten aussieht.

Warum ist niemand früher darauf gekommen? Es passt fast zu perfekt an diesen Ort. Der Ort ist das Humboldt-Forum.

Palast der Republik soll wiederentdeckt werden

„Bei der Demontage hat niemand gedacht, dass viele Dinge so schnell wieder da sein werden“, sagt Hartmut Dorgerloh, einer der Männer. Er ist der Generalintendant der Humboldt-Forums. Er spricht vom Palast der Republik, von dort stammt das Bild, es hing im großen Palast-Restaurant.

Jetzt hängt es in einem Deli namens Alexander, das vor ein paar Tagen aufgemacht hat. Das Relief ist außerdem Teil eines Programms, mit dem man sich am Wochenende im Humboldt-Forum auf Spurensuche begeben soll. Ausgerechnet jetzt soll der Palast wiederentdeckt werden. Noch nicht mal ganz ein Jahr nach Eröffnung des Schlossnachbaus.

Pierre Sanoussi-Bliss, Hartmut Dorgerloh und Gesine Danckwart vor dem Wandrelief aus dem Palast-Restaurant
Pierre Sanoussi-Bliss, Hartmut Dorgerloh und Gesine Danckwart vor dem Wandrelief aus dem Palast-Restaurantdpa/Jörg Carstensen

Ist das Humboldt-Forum aber nicht gebaut worden, um den Palast der Republik verschwinden zu lassen? So, wie der Palast einst die Erinnerung an das Stadtschloss verschwinden lassen sollte, dessen Ruinen die DDR gesprengt hatte?

So einfach ist das offenbar alles nicht. Besucher wollen im Schlossnachbau oft über den Palast reden, sagt Dorgerloh. Sie schicken Erinnerungen an den Palast. „Das Humboldt-Forum ist jetzt nicht dafür verantwortlich, dass es den Palast der Republik nicht mehr gibt“, sagt Dorgerloh auch. Man trage aber Verantwortung für die Erinnerung an den Palast.

Bisher war einem das als Besucher nicht so richtig aufgefallen. Aber neben dem Wandrelief, das jetzt im neuen Deli hängt, wurden offenbar ein knappes Dutzend weitere „Spuren“ des Palasts im riesigen Schlossnachbau verteilt. Darunter ein Gemälde von Wolfgang Mattheuer, eine Wahlurne der einzigen freien Volkskammerwahl und zwei Eiskaffeebecher aus der Milchbar. Sie sind da, fallen aber bisher kaum auf.

Am Wochenende gibt es nun auch Filme über den Palast, im Schlüterhof werden Kegelbahnen aufgebaut, Bowling ging leider nicht, es gibt Kunstaktionen, Zeitzeugen-Gespräche. Ende 2023 soll es dann richtig losgehen mit der Palast-Erinnerung, das Jahr 2024 sogar ein ganzes Palast-Erinnerungsjahr werden. Vermutlich, um die damalige Bauzeit zu feiern? 2026 wäre der Palast 50 geworden, wenn man ihn zwischen 2006 und 2008 nicht komplett abgerissen hätte.

Je länger der Palast verschwunden ist, umso besser scheint er sich für Erinnerungsevents zu eignen. Vor drei Jahren wirkte es noch fast subversiv, als der Intendant Thomas Oberender das Haus der Berliner Festspiele für ein paar Tage in den Palast der Republik verwandelte. Mitten in Wilmersdorf. Jetzt scheint dem Palast eine regelrechte zweite Karriere bevorzustehen. Er ist weg, der Ort überbaut, niemand findet ihn mehr gefährlich. Bald werden alle schon immer gegen den Abriss gewesen sein.

Hartmut Dorgerloh erzählt vor dem Relief, das in Kisten lagerte und nur wieder zusammengesetzt werden musste, dass er ein paar Mal in seiner Jugend im Palast gewesen sei. Er ist in Ost-Berlin aufgewachsen, was er mehrfach erwähnt, so wie der Mann neben ihm, „wir aus dem Osten“, sagt Dorgerloh einmal zu ihm.

Bald werden alle schon immer gegen den Abriss gewesen sein: der Palast der Republik im Jahr 1984.
Bald werden alle schon immer gegen den Abriss gewesen sein: der Palast der Republik im Jahr 1984.imago/Gueffroy

Der Mann ist Pierre Sanoussi-Bliss, der Schauspieler. Er ist zu Beginn seiner Karriere um die 200 Mal im Palast aufgetreten, was ihn knapp 15 Jahre nach dem Abriss des Hauses in einen Zeitzeugen verwandelt hat. Am Wochenende wird er an zwei Gesprächen teilnehmen. Das Personal im Palast sei großartig gewesen, auch die Technik, sagt er. So toll sei das heute im Haus nicht, sagt Dorgerloh, er schwärmt fast mit. Sanoussi-Bliss sagt immer „hier“, wenn er den Palast meint, als sei die weiße Schlossfassade einfach wieder verschwunden. Die älteste Erinnerung, die er an den Ort hat, ist ein Ausflug mit seiner Schulklasse aus Hennigsdorf. Disko im Palast. 46 Jahre her.

Würde man den Palast heute noch mal abreißen?

Die Frau neben den beiden ist die Künstlerin Gesine Danckwart, die, wie sie sagt, „die Westperspektive einbringt“, aber auch als Kind schon im Palast war, auf einer Reise mit ihren Eltern in die DDR. Nach der Wende hat sie Kunstprojekte im Palast mit organisiert, Filminstallationen gemacht, in der Zeit der Zwischennutzung vor dem Abriss. Sie habe gezögert, als die Einladung kam, nun Palast-Kunstaktionen im Humboldt-Forum zu machen, sagt sie. Auch anderen aus ihrer Künstlergruppe ging es so. „Wir glauben, dass da etwas ungelöst ist.“ Aber ist es überhaupt noch zu lösen?

„Würde man den Palast der Republik heute noch mal abreißen?“, fragt Hartmut Dorgerloh und antwortet selbst: „Ich glaube, nein.“

Vor dem Wandrelief erklärt der Betriebsleiter des Delis das gastronomische Konzept. Es sei international, weil es „Bowls“ gebe, Schüsseln mit Schweinebauch oder Tofu und Reis, aber auch „Berliner Stulle“. Bald wird noch ein weiteres Restaurant namens Wilhelm aufmachen, dort soll es deutsch-französische Küche geben, etwas gehobener. In einer Vitrine zwischen beiden Restaurants sind fünf historische Teller aus dem Schloss ausgestellt. Und einer aus dem Palast der Republik, mit Goldrand. Diese Teller hätte der Betriebsleiter der Restaurants gern, in Nachproduktion, um zum Beispiel Königsberger Klopse darauf zu servieren.

Lampen spiegeln sich im Fußboden im Palast der Republik.
Lampen spiegeln sich im Fußboden im Palast der Republik.imago/SMID

Die hießen in der DDR aber Kochklopse, sagt Dorgerloh, dann muss er los, zum nächsten Termin. Pierre Sannoussi-Bliss bleibt stehen, das Relief im Rücken. Wie findet er eigentlich das Humboldt-Forum? „Für mich ist das zu sehr Disney“, sagt er. Außerdem hänge da Kunst seiner Vorfahren, die unter Umständen nach Deutschland kam, die „ein bisschen ungeklärt“ seien. Er habe sich den ganzen Bau noch nie angesehen. Am Wochenende vielleicht? „Ich bin hier, um über den Palast zu reden“, sagt er. Dann muss auch er weg, sein Parkschein läuft ab.

Eine Blüte aus Porzellan und ein Blütenblatt fehlen im Wandrelief. Man erkennt zwei Stöpsel dort, wo sie stecken sollten. Die Kunsthistorikerin Karen Buttler, die sich darum gekümmert hat, das Bild wieder zusammenzusetzen, sagt, dass die Teile in den Kisten fehlten. Aber man hoffe noch, dass sie vielleicht wieder auftauchen.


Themenwochenende „Hin und weg – Der Palast der Republik ist Gegenwart“. Sonnabend, 30. April, 14 bis 22 Uhr und Sonntag, 1. Mai, 10 bis 18 Uhr. Humboldt-Forum, Schlossplatz. Am Sonnabend ist das meiste kostenlos, für einige Führungen muss Eintritt bezahlt werden. Alle Infos unter www. humboldtforum.org. Am Sonntag ist Museumssonntag, Eintritt frei, Karten unter www.museumssonntag.berlin/de.