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Da müssen Sie am Wochenende hin: Die Kulturtipps der Redaktion

Handkes „Selbstbezichtigung“ am BE, ein Weihnachtsmarkt mit Arbeiterklasse-Vibes, „Sunday Open“ in Berlins Galerien, und dann wird das Berghain auch noch 18.

Uroš Pajović/BLZ

Eine Ausstellung zur Provenienzforschung an der AdK: „Spurensicherung“

Eines der untersuchten Werke ist Rudolf G. Bunks „Tanzende Paare“, 1935, auf der Rückseite des Gemäldes „Porträt Hanns Meinke“. Vermutlich führte Materialknappheit zur Wiederverwendung der Leinwand.
Eines der untersuchten Werke ist Rudolf G. Bunks „Tanzende Paare“, 1935, auf der Rückseite des Gemäldes „Porträt Hanns Meinke“. Vermutlich führte Materialknappheit zur Wiederverwendung der Leinwand.AdK/Kerstin Marth

Bei Provenienzforschung denken viele zuerst an die Klärung von Eigentumsverhältnissen, an die Rückgabe von Nazi-Raubkunst. Aber es geht dabei auch um die Entstehung von Kunstwerken, um Künstlerbiografien und Sammlungsgeschichte. In der Ausstellung „Spurensicherung“ in der Akademie der Künste erfährt man etwas über die detektivischen Methoden der Provenienzforschung. Bilder, Bücher, Objekte und Dokumente in den Sammlungen der AdK waren Ausgangspunkt dafür. Zu den Exponaten gehören zum Beispiel Manuskripte des Philosophen Walter Benjamin, die von der Gestapo beschlagnahmte Sammlung des Kunstkritikers Alfred Kerr, ein Skizzenbuch aus dem Nachlass von Max Liebermann, verloren geglaubte Ölskizzen von Carl Blechen und die private Gemäldesammlung von Otto Nagel, die nach seinem Tode die Begehrlichkeit der DDR-Kulturpolitik weckte. Am 18. Januar um 19 Uhr findet am Pariser Platz dazu ein Gespräch, „Kunstgut im Fadenkreuz der DDR-Behörden“, statt. Teilnehmer sind der Rechtsanwalt Ulf Bischof, Uwe Hartmann vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste, Werner Heegewaldt, Direktor des Archivs, und Doris Kachel, Provenienzforscherin und Kuratorin der Ausstellung. Susanne Lenz

Spurensicherung: Die Geschichte(n) hinter den Werken AdK, Pariser Platz, Di.–So. 11–19 Uhr, geschlossen am 24. + 31. Dezember. Führungen: Di. 17 Uhr, Kurator*innenführungen: Do. 17 Uhr und So. 11 Uhr. Tickets zur Ausstellung, Tickets zu Führungen und Begleitprogramm


BE: Stefanie Reinsperger spielt wieder Handkes „Selbstbezichtigung“

Diese „Selbstbezichtigung“, vollbracht von der Denk-, Sprech- und Spielathletin Stefanie Reinsperger am Berliner Ensemble, kann man gar nicht oft genug wieder aufnehmen. Die Premiere kam schon vor sieben Jahren am Wiener Volkstheater heraus, Regie führte Dušan David Pařízek, ein Regisseur, dem die Schauspieler vertrauen. Es handelt sich um ein frühes Sprechstück, das seinen Geniestreich „Publikumsbeschimpfung“ komplettierte und für das Peter Handke Ende November 1965 laut eigenen Angaben nur einen Knopf öffnen musste, um es noch vor Weihnachten zu vollenden. Welcher Knopf das wohl war?

Stefanie Reinsperger spielt Handkes „Selbstbezichtigung“.
Stefanie Reinsperger spielt Handkes „Selbstbezichtigung“.Ulrike Rindermann

Sich eine solche autoaggressive Suada einzuverleiben, dürfte jedenfalls kaum weniger Arbeit machen, als sie niederzuschreiben. Und Stefanie Reinsperger wühlt sich hinein in die Texte, knackt die enthaltenen Gedanken, sortiert sie sich in die eigenen Hirnfurchen, bewahrheitet sie mit ihrem Körper und ihrem Ausdruck. Wüsste man nicht, dass das Handke-Worte sind, würde man glauben, dass Stefanie Reinsperger von eigenen Empfindungen und Gedanken unter Strom gesetzt ist. Wenn es hier und da ein bisschen überdosiert sein sollte, dann ist das Reinspergers Spendabilität. Wieso sollte man von Schauspielkunst zu viel bekommen können? Ulrich Seidler

Selbstbezichtigung Freitag 19 Uhr im Berliner Ensemble, weitere Vorstellungen 22. Dezember, 28., 29. Januar, Karten und Informationen: berliner-ensemble.de


Weihnachtsmarkt mit Kulturaustausch und Arbeiterklasse-Vibes

Weihnachten und Arbeiterklasse? Vielleicht nicht die naheliegendste Kombination. Arts of the Working Class versucht es an diesem Wochenende trotzdem. Die hippe Diskurszeitschrift, die man auch daher kennt, dass obdachlose Menschen sie gegen Spende in der U-Bahn oder in Szene-Cafés in Berlin-Mitte zum Verkauf anbieten, lädt am Sonntag zum Weihnachtsmarkt – dem „XXXmas Bazaar“. Und zwar in die Atelier Gardens in Tempelhof, dort, wo man im Sommer inzwischen regelmäßig mit Aperol Spritz im Freilichtkino sitzen kann.

Man wolle die Festlichkeit der Weihnachtszeit nutzen, heißt es in der Einladung, um die Grenzen zwischen Kulturen zu verwischen und die Solidarität zwischen verschiedenen Formen von Expertise zu fördern. Ein Höhepunkt ist die Filmvorführung des Dokumentarfilms „Liebe, D-Mark und Tod“ von Cem Kaya im anliegenden Ton-1-Kino. Der Film beleuchtet die lange Geschichte der deutsch-türkischen Beziehung – anhand von Musik, Arbeit und einer Innenschau der Figur des sogenannten Gastarbeiters. Konsumieren kann man auf dem „XXXmas Bazaar“ trotz all der Arbeiterklasse-Vibes dennoch so einiges. Etwa Inneneinrichtung von Almi Ceramics oder Kunstbücher und Indie-Literatur von Bom Dia Books, Literarische Diverse Replika Publishing oder Monroe Books. Und auch Snacks aus verschiedenen Regionen der Welt: etwa vegan-mexikanische Küche oder die kamerunische „Burning Babylon“-Kitchen. Im Anschluss gibt es wärmende Tunes der Rapperin Ebow gegen die graue Dezemberluft. Berliner, hört die Signale! Hanno Hauenstein

„XXXmas Bazaar of Migrating Stories“, Sonntag, 13–22 Uhr. In den Atelier Gardens, Oberlandstraße 26–35. Volles Programm hier.


Kreuz und queer: Der dritte Advent ist „Sunday Open“ der Berliner Galerien

Schrift, Bilder, Zeichen:  Soufiane Ababris Raumkunst in der Galerie Dittrich & Schlechtriem
Schrift, Bilder, Zeichen: Soufiane Ababris Raumkunst in der Galerie Dittrich & SchlechtriemSoufane Ababri, Courtesy Dittrich & Schlechtriem, Berlin

Kreuz und quer durch alle Berliner Stadtteile öffnen am Sonntag, den dritten Advent, 33 Galerien und Ausstellungsräume von 12 bis 18 Uhr. Da ist Kunst aller Gattungen zu sehen und zu haben. Die Berliner Organisation INDEX hat mehrere Touren zusammengestellt, die statt des weihnachtlichen Trubels und hektischer Geschäftigkeit relaxte Spaziergänge zu Ausstellungen, zu zwei Kunstmärkten sowie zu Editions- und Künstlerbuch-Präsentationen anbietet. „Sunday Open“ ist eine während der zurückliegenden Corona-Lockdowns gegründete Initiative zur Förderung der Sichtbarkeit von Galerie-Ausstellungen. Besonders empfehlen die Organisatoren die gerade neu eröffnete Galerie Molitor in der Kurfürstenstraße und die neue Kuratorische Initiative A:D und deren Nachbarin, die Galerie Setareh. Und dass die beliebte Galerie Dittrich & Schlechtriem dabei ist, versteht sich von selbst. Die Ausstellung „Non Merci!!!“ von Soufiane Ababri aus Marokko ist ein Höhepunkt zum Jahresende. Die Schau provoziert Aktivismus durch literarische, soziologische und politische Texte, die queeren Personen zugeschrieben werden, aber nicht ausschließlich queere kulturelle Auswirkungen haben. Safis Bild- und Zeichenwelt bezieht sich auf die Tirade von Cyrano de Bergerac, in der er sich weigert, an der bürgerlichen Welt teilzunehmen, und es vorzieht, seinen Stolz und seine Randständigkeit zu bewahren. De Bergerac weigert sich nämlich, sich den oft heuchlerischen Moralvorstellungen und Normen der Gesellschaft für eine Karriere zu verkaufen. Ingeborg Ruthe

Alle Infos, Adressen, Programme für die Touren: www.indexberlin.com/sunday-open


Party: Klubnacht – achtzehn Jahre Berghain

Irgendwann werden viele von uns ja erwachsen. Obwohl Berlin andererseits auch die Stadt ist, in der viele nie erwachsen werden wollen. Lieber: Ein Leben lang Sneakers tragen und sich niemals wirklich festlegen. Alle Möglichkeiten offenhalten. Natürlich kann man 18 werden ohne erwachsen oder auch nur volljährig zu werden. In vielen Ländern ist man das ja eh erst mit 21. Andererseits gehört das Berghain mit seinen gerade mal 18 Jahren mittlerweile schon so sehr zu Berlin, dass sich viele ein Leben ohne Berghain oder zumindest ein Berlin ohne Berghain kaum noch vorstellen könnten. Kein Wunder, dass kürzlich allein die Gerüchte um eine Schließung so viel Aufmerksamkeit auf sich zogen.

Doch allen besorgten Gerüchten zum Trotz: Das Berghain ist quicklebendig. Und zelebriert seinen 18. mit einem Wahnsinns-Line-up in der Klubnacht: auf dem Berghain-Mainfloor, in der Panorama Bar und sogar in der Halle am Berghain, in der Sven Marquardt an ruhigeren Tagen gerne auch fotografiert. Toll sind eh alle, aber besonders empfohlen seien an dieser Stelle die Sets von Virginia in der Pannebar und von Josey Rebelle auf dem Berghain-Floor.

Da der Ansturm vermutlich riesig wird, noch ein Tipp für alle, die nicht reinkommen: In der Samstagnacht findet parallel im Tresor die Herrensauna statt. So als Plan B für die Rückhand. Wer aber reinkommt ins Berghain, wird sicher noch lang von diesem doch sehr besonderen 18. Geburtstag zu erzählen haben. Auch wenn viele Storys („auf dem Berghain-Floor wird nonstop gevögelt“), wie wir alle wissen, heillos übertrieben sind, husthust. Stefan Hochgesand


„Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ mit Claudia Roth

Nach drei Jahren Pause lässt die Deutsche Filmakademie in ihrer Reihe „Mein Film“ wieder Prominente aus Politik, Gesellschaft, Kultur oder Sport Filme präsentieren, die sie in ihrem Leben besonders geprägt haben. In der Vergangenheit sprachen zum Beispiel Anne Will über „21 Grams“, Jean Paul Gaultier über „Das fünfte Element“ und Armin Laschet über „Das Wunder von Bern“.

Diesmal ist die Kulturstaatsministerin Claudia Roth dran und sie hat sich für „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ von Volker Schlöndorff und Margarethe von Trotta entschieden. In der Adaption der gleichnamigen Erzählung von Heinrich Böll wird eine Frau wegen ihrer Verbindung zu einem vermeintlichen Terroristen von der Boulevardpresse in die Verzweiflung getrieben. Als sie keinen anderen Ausweg mehr sieht, greift sie zur Waffe.

Claudia Roth und die Bild-Zeitung, gegen deren journalistische Praktiken sich die Geschichte richtet, sind sich bekanntlich nicht gerade grün – das anschließende Gespräch mit FAZ-Redakteur Claudius Seidl dürfte interessant werden. Claudia Reinhard

„Die verlorene Ehre der Katharina Blum “ + Gespräch mit Claudia Roth, Sonntag, 11 Uhr, Astor Film Lounge


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