Inge T.* hat versucht, im Oktober vorigen Jahres ihren Ehemann in ihrem gemeinsamen Haus im brandenburgischen Luckenwalde zu ermorden. Dann wollte sie sich selbst umbringen. So war ihr Plan. Als ihr Ehemann abends im Bett lag und schlief, schlich die 79 Jahre alte Frau an das Bett und schlug mehrmals mit einem Knüppel auf den 83-Jährigen ein. Dann schnitt sie sich mit einem Messer in den Hals. Beide überlebten.
Inge T. ist eine zierliche Frau, die an diesem Donnerstagnachmittag kerzengrade neben ihrem Anwalt sitzt. Sie hat in dem Prozess, in dem ihr versuchter Mord vorgeworfen wird, ein umfassendes Geständnis abgelegt. In ihrem letzten Wort sprach sie davon, dass sie die Tat zutiefst bedaure.
Mit ernstem Gesicht schaut sie nun auf die Richter, die in den Saal des Landgerichts Potsdam kommen und ihr Urteil über sie verkünden. Bodo Wermelskirchen, der Vorsitzende Richter der Schwurgerichtskammer, spricht die Seniorin frei. Gleichzeitig ordnet er die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an.
Inge T. war zur Tatzeit schuldunfähig, davon geht die Kammer bei ihrem Urteil aus. Sie habe unter einer krankhaften seelischen Störung aufgrund einer schweren Depressionserkrankung gelitten. Mit ihrer Entscheidung folgen die Richter den Anträgen des Staatsanwalts und auch des Verteidigers von Inge T.
Die Pflege überforderte die Angeklagte
Wermelskirchen beschreibt in der Urteilsbegründung noch einmal das Tatgeschehen und wie es dazu kommen konnte. Inge T., während des Zweiten Weltkrieges geboren, hatte in der Stanzerei ihres Vaters den Beruf der Bürokauffrau erlernt. 1963 lernte sie ihren Ehemann Heinz* kennen, im selben Jahr wurde der gemeinsame Sohn geboren.
1996 kaufte sich das Paar ein Haus in Luckenwalde. „Die Ehe war harmonisch“, sagt der Richter. Doch die letzten Jahre des gemeinsamen Lebens seien durch die schweren Erkrankungen des Mannes belastet worden. Bei Heinz T. wurde Krebs diagnostiziert, dann eine beginnende Demenzerkrankung.
Die Versorgung und Pflege ihres Ehemannes habe die Kräfte von Inge T. aufgezehrt, erklärt Wermelskirchen. Sie sei mit der Situation überfordert gewesen, habe aber auch keine Hilfe angenommen. „Sie waren gewohnt, zu funktionieren.“ Und auch die Strapazen des Alltags allein zu bewältigen. Einen Pflegedienst habe Inge T. als Eingriff in ihr Leben aufgefasst.
„Sie hatten Existenzangst“, sagt der Richter zu der Angeklagten. Denn Inge T. habe bei ihrer Mutter gesehen, was Demenz bedeute. Im vergangenen Jahr entwickelte sie eine schwere Depressionserkrankung. Sie nahm stark ab, konnte nachts nicht mehr schlafen, weinte viel. Den Nachbarn sagte sie, dass es nicht mehr ihr Heinz sei. Und dass ihr Ehemann das alles nicht verdient habe. „Der Leidensdruck wurde immer größer“, sagt Wermelskirchen.
Anfang Oktober vorigen Jahres entschied Inge T., aus dem Leben zu scheiden und ihren Heinz mitzunehmen. Sie fragte ihre Schwiegertochter, ob sie ihr Zyankali oder Schlaftabletten besorgen oder sie zwecks Sterbehilfe in die Schweiz fahren könne.
Ihrem Ehemann schlug Inge T. einen gemeinsamen Suizid vor. Doch er wollte nicht sterben. Der Sohn war alarmiert und besorgt. „Er drängte auf die stationäre Behandlung seiner Mutter“, so der Richter.
Am 6. Oktober kam Inge T. in ein psychiatrische Krankenhaus, nahm dort die Behandlung jedoch nicht an. Nach einer Woche sei sie entlassen worden – gegen den ärztlichen Rat und gegen den Willen des Sohnes, der in das Haus seiner Eltern gezogen sei, sagt Wermelskirchen.
Am Tattag, dem 19. Oktober, verließ der Sohn am späten Nachmittag das Haus. Zu der Verzweiflung von Inge T. habe sich zu dieser Zeit auch Ärger und Wut gesellt. Denn es sei zum Streit mit ihrem Mann gekommen – wegen einer Kleinigkeit, so der Richter.
Ehemann hat Inge T. im Prozess verziehen
Nach seinen Worten ging Inge T. kurz vor 20 Uhr in Tötungsabsicht und mit einem Knüppel und einem Messer bewaffnet ins Schlafzimmer. Sie wollte ihren Mann erschlagen und dann mit dem Messer ihre Halsschlagader durchtrennen. Dem erwachten Heinz T., der deutlich größer und stärker als seine Frau war, sei es aber gelungen, die Schläge abzuwehren und sich stark blutend zu den Nachbarn zu retten.
Wermelskirchen nennt die Einweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus zwingend erforderlich. „Gegenwärtig geht von Ihnen die Gefahr aus, dass Sie ohne Behandlung weitere erheblich Straftaten begehen könnten“, erklärt der Richter. Konkret spricht der Richter von einer Gefahr für den Ehemann.
Er wisse, dass Inge T. gerne wieder zurückwolle zu ihrem Mann, so der Richter. Dies könne man gegenwärtig jedoch noch nicht verantworten. Die Kammer geht jedoch in ihrem Urteil davon aus, dass die Vorbereitungen für die Entlassung aus der Klinik „zügig beginnen“. „Sie sollen noch Zeit in Freiheit verbringen – auch mit ihrem Ehemann.“ Heinz T. hatte im Prozess seiner Frau verziehen und erklärt, dass er sie endlich wieder in die Arme nehmen wolle.


