Vor Gericht

Betrug mit Polizistentrick: Berliner bringt viele Rentner um ihr Erspartes

Der 23-Jährige steht vor Gericht, weil er in 77 Fällen ältere Menschen aus ganz Deutschland um ihr Vermögen gebracht hat. Nur wenige haben den Trick durchschaut.

Bild-Motiv: der Verteidiger vor der leeren Anklagebank, der Angeklagte hat sich nicht vorführen lassen.
Bild-Motiv: der Verteidiger vor der leeren Anklagebank, der Angeklagte hat sich nicht vorführen lassen.Olaf Wagner

Der 23- jährige Angeklagte sitzt mit ausdruckslosem Blick hinter einer Glaswand im Landgericht Moabit. Die Sonne scheint hell durch die Fenster an diesem Dienstagnachmittag, die Zuschauerplätze sind leer, die Richterbank ist voll besetzt. Pascal S. wirkt während der Verhandlung, als schliefe er in seinem schwarzen Hoodie gleich ein. Das könnte an der sehr langen Liste an Betrugsfällen liegen, die die Staatsanwältin in chronologischer Reihenfolge aufzählt und derer sich der Angeklagte wohl nur allzu bewusst ist. Jeder Fall folgt demselben Muster: Der Angeklagte gab sich unter falschem Namen aus und rief telefonisch bei älteren, oft alleinstehenden Menschen an. „Penetrant, wiederholt und langandauernd“ beschreibt die Staatsanwältin die Anrufe.

Bis Oktober 2021 hat Pascal S. in 77 Fällen als Teil einer Betrügerbande ältere Menschen in ganz Deutschland mit dem sogenannten Polizistentrick hintergangen. Zunächst gab er sich als „Kommissar Welke von der Notrufzentrale“ aus, später unter anderem als „Kommissar Zimmermann“ oder „Staatsanwalt Max Günther“. Teilweise spielte er Doppelrollen und verstellte seine Stimme, zum Beispiel als „Kommissarin Neumann“.

„Nach Ausforschung der Vermögensverhältnisse“ forderte der Angeklagte mit weiteren Bandenmitgliedern die Leute auf, Geld abzuheben und zusammen mit weiteren Wertsachen „zur Abholung durch Polizeibeamte bereitzulegen“. Teilweise konnte die Polizei rechtzeitig eingeschaltet werden, in manchen Fällen durchschauten die Opfer die Betrüger selbst. Oft wurden die Betrugsopfer jedoch eines Vermögens beraubt. Die Beute transportierten die Betrüger in die Türkei. Im Betrugsfall Nummer 67 wurde dem Opfer eine Summe von 87.000 Euro geraubt, die in die Türkei ausgeflogen wurde.

Viele der besonders betagten Opfer waren durch die Anrufe laut Staatsanwältin „vollkommen verunsichert und verängstigt“. Sie lösten ihre Geldanlagen auf, nahmen mehrere Tausend Euro von der Bank ab und sammelten all ihre Wertgegenstände wie Schmuck, Gold und Silber zusammen. Den Anweisungen der vermeintlichen Kommissare folgend, hinterließen sie ein Vermögen in Plastiktüten verpackt auf Parkplätzen oder in Mülleimern. Es gab jedoch auch Fälle, in denen die Opfer die Betrüger hereinlegen konnten, indem sie leere oder mit Papierschnipseln gefüllte Tüten an die vorgegebenen Abgabeorte legten. Bei einer solchen Aktion konnte der Betrüger festgenommen werden.

Einzelne Opfer sollen auch vor Gericht aussagen

Insgesamt hat der Angeklagte rund 880.000 Euro erlangt. Acht weitere Gerichtstermine folgen. Beim nächsten Verhandlungstermin am 17. April wird entschieden, ob das Jugendstrafrecht oder das Erwachsenenstrafrecht angewandt wird. Je nachdem stehen S. zwischen fünf und sieben Jahren Haft bevor. Ein Geständnis wird der Angeklagte voraussichtlich erst am übernächsten Gerichtstermin, dem 21. April ablegen, was zu einer Strafmilderung führen kann. Am 9. Mai werden die Eltern des Angeklagten vernommen. Dem Richter zufolge sollen auch einzelne Geschädigte zu Wort kommen. Zudem müsse der kriminellen Struktur in der Türkei nachgegangen werden.