Ums Eck

Ein Besuch in Treptow am Ehrenmal: Der Ort hat auch für Deutsche einen Wert

Am Sowjetischen Ehrenmal in Treptow-Köpenick zeigt die Polizei in dieser Woche Präsenz. Für Vandalismus hat keiner der Besucher Verständnis. Ein Ortsbesuch

Vandalismus am Ehrenmahnmal in Treptow
Vandalismus am Ehrenmahnmal in TreptowWolfgang Kumm/dpa

Berlin-Luca G. ist durch Zufall hier beim Sowjetischen Ehrenmal gelandet, er hockt auf dem Fußboden in der gleißenden Montagssonne und blickt sich um. „Ich bin einfach am Park ausgestiegen und herumgelaufen“, sagt der 40-jährige Tourist aus Rom. „Ich wollte wie ein Flaneur sein und bin jetzt erst einmal beeindruckt von dieser Weite.“ Er fragt, was das für ein Denkmal sei, diese 30 Meter hohe Statue dort hinten. Als er von den Schmierereien am Ehrenmal hört, die inzwischen entfernt wurden, sagt er: „An meiner Universität in Italien haben sie gerade Dostojewski verboten.“ Er schüttelt den Kopf, das sei komplett verrückt. „Wir können nicht die Menschen und die Kultur eines Landes für die Taten von Einzelnen verurteilen.“

Am Donnerstag in der vergangenen Woche war es zu Schmierereien am Sowjetischen Ehrenmal gekommen. Direkt am Hauptmonument stand am 7. April auf Englisch in großen Buchstaben „Why?“ (Warum?), an anderen Wänden stand: „Death to all Russians“ (Tod allen Russen), „Putin = Stalin“ und „Ukrainian Blood on Russian Hands“ (Ukrainisches Blut an russischen Händen). Berlins Innensenatorin Iris Spranger hat daraufhin angeordnet, dass mehr Polizei am Denkmal patrouillieren solle. Bisher sind Streifenpolizisten regelmäßig am Denkmal vorbeigefahren.

Jetzt aber, so ein Polizist am Montag zur Berliner Zeitung, sei klar, dass dieses Denkmal auch ein Ort ist, der mit in diesen Krieg hineingezogen wird. „Diese Farbschmierereien sind für mich ehrenlos“ sagt der Polizist. „Was hat der russische oder ukrainische Soldat, der hier geehrt werden soll, mit dem aktuellen Krieg zu tun?“ Diese Frage solle man sich stellen, wenn man einen Ort wie diesen schände. „Das hat für viele einen emotionalen Wert, auch für Deutsche.“

Den Besuchern fallen die Polizisten auf. Sie stehen mit jeweils einem großen Auto am Rand der großen Statue und auch am Eingang. Zwischendurch fährt am Montag eine dritte Streife einmal um den Platz. Sowohl die russische als auch die ukrainische Botschaft hatten sie verurteilt, Ukraines Botschafter Andrij Melnyk vermutete gar, die Schmierereien seien eine „bewusste Provokation, um die Ukraine zu diskreditieren“.

Besucher: „Vandalismus hilft niemandem“

Michael Mason aus Sydney meint lächelnd, dass er jetzt verstehe, warum die Polizisten ihn argwöhnisch beobachteten, als er das Gelände betrat. „Vandalismus hilft niemandem“, sagt der 59-Jährige. „Es vertieft nur die Wunden, die ohnehin schon da sind.“ Er ist mit seiner Frau Barbara hier, einer Kreuzbergerin, die mit ihm die meiste Zeit in Australien wohnt. „Ich bin zum ersten Mal hier, ich mag die ruhige Stimmung, fast feierlich ist es hier.“

Zum Denkmal gehören auch 7000 Grabmäler für gefallene Soldaten, darunter nicht nur Russen. Im Zweiten Weltkrieg kämpften auch Soldaten für die Sowjetunion, deren Länder inzwischen eigene Staaten sind, wie eben Weißrussland und die Ukraine. Botschafter Melnyk hatte das Grabmal auch für Ukrainer „heilig“ genannt. Über drei Millionen ukrainische Soldaten seien schließlich im Zweiten Weltkrieg gefallen.

Ein wenig Verständnis für die Vandalen äußert Erin Björkeli. Die 25-jährige Norwegerin ist vor wenigen Monaten aus Oslo nach Berlin gezogen. „Auf eine Art kann ich verstehen“, sagt sie, „wenn sich Menschen über dieses Denkmal ärgern.“ Schließlich sei es so groß und einschüchternd und auch ein Ort des Kalten Krieges, wo Russland sich und seine Größe feiere. Aber andererseits mache es sie traurig: „Schade, dass offenbar manche nicht unterscheiden können zwischen Staatsführern, ihren Einwohnern und Soldaten, die für ihre Taten geehrt werden sollen.“

Bisher hat sich niemand zu dem Vandalismus bekannt. Die Graffiti-Spuren weisen darauf hin, dass es mehrere Täterinnen oder Täter waren. So waren zum Teil Hakenkreuze und Z-Symbole zu erkennen. Zum Teil waren diese übermalt worden – vielleicht von jenen, die dann „Tod allen Russen“ auf die Steine sprühten. Innensenatorin Spranger nannte besonders die Z-Symbole „widerwärtig“ und kündigte „umfassende Maßnahmen“ an, um solche Taten „hart zu verfolgen“. Für den 8. und 9. Mai, an denen Russland den Sieg im Zweiten Weltkrieg feiert, sind bei der Berliner Polizei bisher 17 Veranstaltungen angemeldet, darunter auch Veranstaltungen am Treptower Ehrenmal.

Petr Škvrna ist ebenfalls das erste Mal hier. Der Tscheche zog vor zwei Monaten nach Berlin und kennt die Stadt eigentlich fast nur mit vielen Flüchtlingen. „Aber auch in meiner Heimat sind gerade sehr viele Ukrainer“, sagt der 23-Jährige, „aber auch Statuen aus der Sowjetzeit.“ Die Stalin-Zitate, die links und rechts des langen Weges stehen, kennt er auch aus seiner Heimat. Zu den Schmierereien sagt er nur: „Die nerven, die Graffitis, sie sind einfach nicht am richtigen Platz.“

Petr Škvrna, 23, am Sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park
Petr Škvrna, 23, am Sowjetischen Ehrenmal im Treptower ParkFoto Sören Kittel

Dass Deutschland sämtliche sowjetischen Denkmäler beschützen muss, ist Teil der Zwei-Plus-Vier-Verträge, die im Jahr 1992 geschlossen wurden. Immer wieder kam es in den vergangenen Jahren zu leichteren Anschlägen, beim Ehrenmal in Treptow zuletzt am 4. Mai 2019. Da wurde die Statue „Mutter Heimat“ mit einer dunklen Flüssigkeit übergossen. Auch damals gab es kein Bekennerschreiben. Am 9. Mai 2015, also kurz nach dem Einmarsch in den Osten der Ukraine, besuchten ungefähr 10.000 Menschen das Ehrenmal, um des 70. Jahrestages des Kriegsendes zu gedenken. Unter den Besuchern waren auch Mitglieder eines russischen Motorrad- und Rockerclubs mit dem Namen Nachtwölfe. Im Herbst des gleichen Jahres wurden Inschriften einer Gedenkplatte durch einen Brandanschlag zerstört.

Am Montag waren nicht nur Norweger und Tschechen am Ehrenmal, sondern auch viele Berliner. Einer wohnt gleich nebenan in Schöneweide, André Wolff. Der gebürtige Reinickendorfer ist wütend. „Das ist ein absolutes No-Go“, sagt er laut. „Dieses Ehrenmal hat mit dem Krieg in der Ukraine nichts zu tun.“ Der 40-Jährige ist oft hier, er mag den Park, diese Stimmung hier am Denkmal. „Es sollte ein Ort für Respekt sein“, sagt er, „für alles andere ist hier kein Platz.“