Liebe Leserinnen und Leser, wie Sie sich vielleicht erinnern können, habe ich eine neue Polen-Serie gestartet, die Ihnen die Möglichkeit bieten soll, Osteuropa – und vor allem mein Heimatland Polen – besser kennenzulernen. Die Resonanzen auf meinen ersten Text zum Ostseebad Kolberg (Kolobrzeg) und später auf meine Reportage über Warschau waren derart umwerfend, dass ich mich bestärkt fühle, weiter nachzulegen. Im aktuellen Teil dieser Serie soll es um Szczecin gehen. Wenn Sie Feedback haben oder ich Ihnen bei Ihrer Reiseplanung helfen kann, schreiben Sie mir einfach: tomasz.kurianowicz@berliner-zeitung.de.
Szczecin: der Besuch lohnt sich
Szczecin also ist das nächste Ziel meiner Serie. Szczecin ist nur 160 Kilometer von Berlin entfernt und gilt für mich als erster Anlaufpunkt, wenn ich in Polen einkaufen oder kurz polnische Luft schnuppern möchte, also wenn ich nicht viel Zeit habe und zugleich meinen Einkaufstrip an einem Wochenende mit einem City Break verbinden möchte. Szczecin ist geradezu ideal dafür. Mit dem Auto braucht man von Berlin aus nur knapp zwei Stunden, der Flixbus fährt nahezu stündlich (und braucht etwa 2,5 Stunden) und eine schnelle Zugverbindung soll auch bald kommen (vermutlich im Jahr 2025, die Zugreise soll dann nur 90 Minuten dauern).
Momentan gibt es eine besondere Gelegenheit, um Szczecin zu besuchen. Vom 19. bis 21. August 2022 findet in Stettin ein internationales Segelfest statt (Zagle 2022). Segelschiffe der A- und B-Klasse sowie kleinere Schiffe werden die Stadt im Nordwesten Polens besuchen, sie werden an der begleitenden Baltic Regatta teilnehmen. In diesem Jahr befahren die Schiffe die Strecke Rostock - Stettin - Tallinn. Die Segelschiffe beteiligen sich am künstlerischen Programm und stellen ihre Decks für Besucher zur Verfügung.
Aber nicht nur deshalb lohnt sich ein Besuch. Ich mag die Stadt, weil sie so unglaublich grün ist und so viel Wasser in allen möglichen Formen bietet. Die Stadt ist urban und doch gemütlich. Weitläufig und doch intim. Man spürt überall, dass Szczecin vor 1945 noch Stettin hieß und eine deutsche Stadt war. Die Mietskasernen, von denen im historischen Zentrum nach den Bombardierungen im Zweiten Weltkrieg noch einige übrig geblieben sind, erinnern an Berlin und gemahnen an die gemeinsame deutsch-polnische Geschichte. Alfred Döblin etwa wurde in Szczecin geboren, später lebte er in Berlin, eine Gedenktafel an seinem Geburtshaus informiert darüber.
Szczecin hat keinen richtigen Stadtkern
Man muss sich nichts vormachen: Szczecin ist zwar die Hauptstadt der Woiwodschaft Westpommern (Zachodniopomorskie), also durchaus eine wichtige Stadt im Kontext Polens. Dennoch liegt sie etwas ab vom Schuss und wirkt weniger metropolitan als etwa Poznań und Wrocław. Nicht alle Polen kennen Szczecin, da die Stadt weit entfernt vom Zentrum ist. Mit dem Zug braucht man etwa sieben Stunden nach Warschau. Das macht sie zu einem Geheimtipp und nicht weniger charmant.
Wenn Sie hinfahren sollten, machen Sie sich darauf gefasst, dass die Stadt im Grunde keinen Kern hat. Dafür wurde Szczecin im Zweiten Weltkrieg zu stark zerstört. Aber einige repräsentative Gebäude sind immer noch erhalten, die auf jeden Fall einen Besuch wert sind. Besonders sehenswert sind natürlich das Stettiner Schloss und das Alte Rathaus. Schlendern sie am besten um die Gegend am Schlossplatz herum, entdecken Sie die kleinen Gassen, verirren Sie sich ganz bewusst. Sie werden auf einige übrig gebliebene Altbauten, aber schnell auch auf sehr viel Häuser aus den 1950er-Jahren treffen. Szczecin ist ein Flickenteppich. Man muss ein wenig Zeit investieren, um Szczecin zu verinnerlichen. Aber es lohnt sich!
Essen und trinken in Szczecin
Wenn Sie sich umgeschaut haben, besuchen Sie auf jeden Fall das „Café 22“ (Plac Rodła 8). Das Café befindet sich im 22. Stockwerk eines Hochhauses und bietet einen perfekten Überblick über die Stadt. Sie können sich von oben die stillgelegten Werften im Norden anschauen, aber auch davon überzeugen, wie grün die Stadt ist und über wie viel Wasser die Stadt verfügt (die Oder fließt von hier aus ins Meer). Man kann dort wunderbar den Blick auf den Horizont genießen und hat den Eindruck, dass die Nähe zum Meer der Stadt eine unglaubliche Weite verleiht. Ein Freund von mir hat einmal gesagt, dass er sich nirgendwo so frei fühlt wie in Szczecin. An dieser Behauptung ist etwas dran.
Essen und trinken ist in Polen besonders wichtig. Wenn Sie traditionelle polnische Küche genießen möchten, dann gehen Sie in das Restaurant Karczma Polska Pod Kogutem (plac Lotników). Die besten Cocktails der Stadt gibt es in der Bar 17 Schodów (Targ Rybny 1). Bestes Bier gibt es in der (tschechischen) „Bar Český Film“ (Aleja Papieża Jana Pawła II 3). Sehr gutes Frühstück gibt es im Brunchlokal Spotkanie (Aleja Papieża Jana Pawła II 45). Abends sollten Sie auf jeden Fall die verkehrsberuhigte Straße Księcia Bogusława ablaufen und in der alternativen Bar „Teatr Maly“ ein Bier trinken (Księcia Bogusława X 6). Von dort aus ist es auch nicht mehr so weit zum Fluss.
Highlights in Szczecin: die Museen und die Philharmonie
Auf der anderen Seite der Oder finden Sie ein altes Industrie- und Schiffsareal, das die Stadt zur Partyzone umfunktioniert hat. Auf dem Bulwary dürfen Jugendliche Bier trinken, was in Polen eigentlich in der Öffentlichkeit nicht erlaubt ist. Dort haben Sie einen wunderbaren Blick auf die Altstadt, auf die monumentalen Wały Chrobrego (Hakenterrasse) samt dem Blick aufs Gebäude des Szczeciner Theaters. Auf der anderen Oderseite finden Sie außerdem Beach Bars und jede Menge Möglichkeiten, um einen Besuch in Szczecin mit einem Bier oder einem Abendessen ausklingen zu lassen. Im Übrigen spürt man dort, wie sehr die Stadt durch das maritime Flair geprägt ist. Schauen Sie sich den alternativen Ort „Port Bar“ an (Tadeusza Apolinarego Wendy 1, dort wird gerne zu elektronischer Musik getanzt) und gehen Sie auf der süßen kleinen Oderinsel spazieren, wo sich der „Wyspa Grodzka Pub“ befindet, eine Strandbar mit Containern, die man besteigen und so eine exzellente Aussicht genießen kann.
Am Wochenende wird es zum Segelfest viele Besucher in Szczecin geben, also kümmern Sie sich frühzeitig um ein Hotelzimmer. Ich persönlich bin begeistert vom Moxy Szczecin City (Brama Portowa II). Unter der Woche kostet ein Doppelzimmer knapp 50,- Euro, am Wochenende etwas mehr. Wenn man Glück hat und im oberen Stockwerk wohnt, kann man die ganze Stadt überblicken. Auf den Betten schläft es sich besser als zu Hause.
Kein Wunder! Das fesche Designhotel wurde erst kürzlich eröffnet. Gleich daneben befindet sich das Courtyard by Marriott Szczecin City, es ist ebenso zu empfehlen. Vergessen Sie außerdem nicht, dem „Kino Pionier“ einen Besuch abzustatten (al. Wojska Polskiego 2). Im Guinnessbuch der Rekorde von 2005 war es als ältestes, heute noch bespieltes Kino der Welt eingetragen. Das neue Philharmonie-Gebäude von Szczecin ist ebenso einen Besuch wert (Małopolska 48). Der Prachtbau befindet sich in der Nähe des Schlosses und ist das neue Wahrzeichen der Stadt. Auch das Technikmuseum ist modern und besonders interessant gestaltet (Niemierzyńska 18A). Also: Besuchen Sie Szczecin. Es gibt eine Menge zu entdecken.
Infos:
Informationen zum Segelfest, 19.-21. August: https://zagle.szczecin.eu/
Hinfahrt: Mit dem Flixbus stündlich von Berlin aus für etwa 15,- Euro (2 Stunden und 30 Minuten) oder mit dem Zug (2 Stunden und 20 Minuten). Eine Autofahrt dauert etwa 2 Stunden.
Schlafen: Moxy Szczecin City (Brama Portowa II) und Courtyard by Marriott Szczecin.
Essen und trinken: Karczma Polska Pod Kogutem (plac Lotników), „Bar Český Film“ (Aleja Papieża Jana Pawła II 3), Brunchlokal Spotkanie (Aleja Papieża Jana Pawła II 45), „Teatr Maly“ (Księcia Bogusława X 6), „Port Bar“ (Tadeusza Apolinarego Wendy 1),„Café 22“ (Plac Rodła 8).
Transparenzhinweis: Diese Polen-Serie wird vom Polnischen Fremdenverkehrsamt Berlin unterstützt.






