Reise

Von Berlin an die Ostsee in zweieinhalb Stunden: Besuchen Sie Kamien Pomorski in der Nähe von Kolberg (Kolobrzeg)

Gibt es noch unentdeckte Orte an der polnischen Ostsee? Kamien Pomorski wäre ein Beispiel. Aktuell findet dort ein Orgel- und Kammermusikfestival statt.

Der Dom in Kamien Pomorski, wo auch das Musikfestival stattfindet.
Der Dom in Kamien Pomorski, wo auch das Musikfestival stattfindet.imago/Janusz Gajewicz

Mich überrascht es immer wieder, welche kleinen Schätze sich in der Umgebung von Berlin und Brandenburg ostwärts der Oder-Neiße-Grenze befinden. Neulich habe ich mich auf ein Abenteuer eingelassen, das mich nach Kamien Pomorski führte. Zu Deutsch: Cammin in Pommern, ein kleiner, schnuckeliger Badeort, der sich nördlich von Szczecin befindet, nur 230 Kilometer oder zweieinhalb Stunden von Berlin entfernt. Das kleine, prunkvolle pommersche Schätzchen ist touristisch noch nicht völlig erschlossen, daher kann man diesen Reisebericht als kleinen Geheimtipp betrachten. Fahren Sie hin, bevor die Touristenmassen kommen!

Sollte man allein deshalb nach Kamien reisen? Natürlich nicht. Einer der Gründe, warum ich einen Tagestrip empfehle (Szczecin ist nicht weit weg, man kann also den Besuch wunderbar verbinden), ist die pommersche Architektur, die sehr viel über die reiche Geschichte Westpommerns verrät. Außerdem hat mich der famose Blick aufs Wasser fasziniert, auf das Camminer Haff, das wie ein breites Tor zur Ostsee wirkt. Zudem stößt man beim Spazierengehen auf die herrschaftliche Kathedrale von Kamien Pomorski. Dort findet aktuell eines der wichtigsten Orgel- und Kammermusik-Festivals Polens statt. Ah ja, und gut essen kann man hier auch!

Die Kathedrale von Kamien Pomorski beherbergt eine 1669 errichtete Orgel

Doch fangen wir mit der Architektur an. Obwohl Kamien Pomorski heute nicht mehr die Wichtigkeit als Hafenstädtchen hat, wie es noch im 19. Jahrhundert zur Zeit Preußens der Fall war, kann man die historische Bedeutung des Örtchens anhand der Gebäude sehr gut erkennen. Römer, Wikinger, Slawen, Germanen, Schweden, alle waren sie hier! Ein besonderes Prunkwerk ist die spätromanische beziehungsweise frühgotische Kathedrale St. Johannes, die 1385 eröffnet wurde.

Die Kathedrale beherbergt eine 1669 errichtete Orgel, die von dem Orgelbauer Michael Birgel erschaffen wurde. Schon optisch ist das Instrument ein Meisterwerk. Bis zum 2. September findet wie jedes Jahr das „Festival für Orgel- und Kammermusik“ in Kamien Pomorski statt. Jeden Freitag um 19 Uhr erklingt die mächtige Orgel, unterschiedliche Musiker und Ensembles treten auf, auch bedeutende polnische Orchester sind eingeladen (am 8. Juli spielen Sänger und Musiker des Opernensembles Szczecin). Ein Hochgenuss!

Die Orgel in Kamien Pomorski
Die Orgel in Kamien Pomorskiprivat

Auch das Rathaus von Kamien Pomorski ist faszinierend

Es lohnt sich, einen Kamien-Besuch mit einem Konzert zu verbinden und nach dem Festakt Richtung Rathaus zu laufen. Dort sieht man nämlich sehr deutlich, dass Kamien etwa 17 Meter über dem Meeresspiegel liegt. Wenn man nach dem Konzert den Sonnenuntergang beobachtet, kann man auf dem Marktplatz, auf dem wie auf einer Anhöhe das Rathaus thront, aufs Wasser schauen und erhaben über die Landschaft blicken.

Das Rathaus selbst ist ebenso ein faszinierendes Stück Architekturgeschichte: Das spätgotische Gebäude stammt aus dem 14. Jahrhundert. Allerdings wurde es im Zweiten Weltkrieg, als Kamien noch zu Deutschland gehörte, nahezu vollständig zerstört. Nach 1945 wurde es wieder aufgebaut. Gleich gegenüber kann man ein Fachwerkhaus bewundern, das sich architektonisch stark vom Rest des Ensembles unterscheidet und eher an Niedersachsen als an Pommern erinnert. Es wurde im 17. Jahrhundert erbaut und beherbergt eine Pension.

Abendlicher Blick aufs Haff
Abendlicher Blick aufs Haffprivat

Der Yachthafen ist fast vollständig mit Booten aus ganz Polen belegt

Es lohnt sich besonders, die neue Marina zu besuchen, die auf Initiative des umtriebigen Bürgermeisters Stanisław Kuryłło entstanden ist. Der Yachthafen wurde 2019 errichtet und zeigt die Trendwende in dem Örtchen, das sich bald wandeln und touristisch voll erschlossen werden könnte. Der Bürgermeister erzählte mir, dass nicht alle Bewohner glücklich über die Neuausrichtung der Stadt seien. Immerhin gibt es in Kamien Pomorski heute kaum Hotels, vor allem Tagestouristen kommen in den Ort. Das dürfte sich aber bald ändern.

Die Marina ist jetzt schon nahezu vollständig mit kleinen Booten aus ganz Polen belegt und zeigt, wohin die Reise geht. Externe Besucher können sich Hausboote leihen und nach einem kleinen Crash-Kurs auf dem Haff entlangschippern. Man hört, dass viele Repräsentanten der Warschauer Politik Kamien Pomorski für sich entdeckt und sich ein Plätzchen an der Marina gesichert haben. Bevor der Massentourismus kommt, auf den der Bürgermeister sich nun vorbereitet, sollte man das Städtchen also in seiner ursprünglichen Sperrigkeit gesehen haben. (Ein Hausboot kostet pro Nacht etwa 200 Euro und kann von bis zu sechs Personen genutzt werden.)

Essen Sie unbedingt Fisch bei Ryby Zubowicz!

Ein kleines Highlight im Ort ist das Fischrestaurant „Ryby Zubowicz“, das in Polen im ganzen Land bekannt ist. Gehen Sie unbedingt hin und probieren Sie den frittierten Fisch. Er schmeckt einfach großartig und kann mit gehobener Küche auf allen Ebenen mithalten. Auch der Krautsalat, der traditionsgemäß zum polnischen Fisch serviert wird, ist großartig und sollte einmal im Leben im Magen eines jeden Menschen landen.

Geräucherter Lachs bei Ryby Zubowicz
Geräucherter Lachs bei Ryby Zubowiczprivat

Das Fischrestaurant betreibt im Haff eine eigene Fischzucht. Daher kann man ganz sicher sein, dass auf der Speisekarte täglich ein Spezial-Menü enthalten ist, das frischen Fisch direkt aus dem Kaminer Haff listet. Besonders populär ist der geräucherte Lachs, der hier „eingelegter Lachs“ heißt (kiszony losos).

Gleich neben dem Restaurant befindet sich auch ein Shop, wo man eingelegten Fisch, frisch geräucherte Fischstücke und allerlei Meeresspeisen bestellen und mitnehmen kann. Schon allein fürs Essen lohnt sich ein Besuch in Kamien Pomorski, das kleine Städtchen, das bald schon touristisch die Massen anziehen könnte. Natürlich darf zum Abschluss auch ein Besuch an der polnischen Ostsee nicht fehlen! Fahren Sie die knapp zehn Kilometer bis zum Ostseestrand „Plaża w Dziwnówku“ und genießen Sie das polnische Meer. Sie werden es nicht bereuen!

Infos:

Anfahrt mit dem Auto aus Berlin: etwa 2,5 Stunden.

„Festival für Orgel- und Kammermusik“ in Kamien Pomorski, vom 24.6. bis 2.9.2022, Website: http://festiwalorganowy-kamien.pl/, im Dom zu Cammin (Konkatedra św. Jana Chrzciciela w Kamieniu Pomorskim).

Marina in Kamien Pomorski, Website: https://marinakamienpomorski.pl/ (Hausboote für etwa 200 Euro pro Nacht)

Fischrestaurant „Ryby Zubowicz“, Wilków Morskich 3, 72-400 Kamień Pomorski, Polen, sonntags bis donnerstags 9–19 Uhr, freitags und samstags 9–20 Uhr, Website: https://rybyzubowicz.pl/

Hinweis: Diese Serie mit Tipps für Polen wird vom Polnischen Fremdenverkehrsamt Berlin unterstützt.

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