Affäre um Patricia Schlesinger

Berlins Polizeichefin ist „irritiert“ über Spesenabrechnung der RBB-Intendantin

Barbara Slowik wusste nach eigenen Angaben nicht, dass das private Treffen mit ihrer Freundin Patricia Schlesinger einen beruflichen Hintergrund hatte.

Patricia Schlesinger ist als Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) zurückgetreten.
Patricia Schlesinger ist als Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) zurückgetreten.dpa/Britta Pedersen

Was hatten Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik und RBB-Intendantin Patricia Schlesinger zu besprechen? Slowik, ihr Ehemann und weitere Gäste – darunter der Charité-Geschäftsführer Heyo K. Kroemer – trafen sich an einem Wochenende im Februar in Schlesingers Wohnung. Wie die Bild-Zeitung am Montag berichtete, wurde den Gästen ein Vier-Gänge-Menü kredenzt, dazu Champagner und teurer Wein.

Aus Unterlagen, die die Zeitung veröffentlichte, geht hervor, dass die Cateringfirma der Intendantin 1154,87 Euro berechnete. Diese Kosten ließ sich Schlesinger vom Sender offenbar zurückerstatten.

Hatten diese Treffen etwa Einfluss auf eine gefällige Berichterstattung über die Polizei? Und wie unabhängig kann der öffentlich-rechtliche gebührenfinanzierte Sender über die Arbeit der Ordnungshüter berichten – etwa über die „Schießstandaffäre“? 2019 kam eine Studie der Charité zu dem Schluss, dass „kein kausaler Zusammenhang“ zwischen häufigem Schießtraining und langfristigen Erkrankungen festgestellt werden konnte. Hunderte Polizisten mussten über Jahre beim Training auf den maroden Trainingsstätten die giftigen Pulverdämpfe einatmen. Viele erkrankten, einige starben.

Slowik: „Die Gesprächsinhalte waren rein privater Natur.“

Über Polizeisprecher Thilo Cablitz ließ Slowik am Montag auf Anfrage ausrichten, dass die Schießstände kein Thema der Treffen gewesen seien.

Weiter teilte Cablitz mit: „Frau Dr. Slowik hat die Information darüber, dass die Kosten für ein Abendessen bei der Familie Schlesinger und Spörl dem RBB in Rechnung gestellt wurden, mit großem Erstaunen und Irritation am gestrigen Tag zur Kenntnis genommen. Es war für sie in keiner Weise ersichtlich, dass dieses Treffen einen beruflichen Hintergrund hatte.

Frau Dr. Slowik und ihr Mann wurden von dem schon seit Längerem privat bekannten Ehepaar Schlesinger und Spörl zur ‚Einweihung der neuen Wohnung mit Freunden‘ eingeladen. Auch die Gesprächsinhalte waren rein privater Natur.

Hätte sich auch nur ansatzweise abgezeichnet, dass es sich um ein geschäftliches Essen auf Kosten des RBB handelt, hätten Frau Dr. Slowik und ihr Mann die eigenen Kosten getragen.“

Vorschriften verbieten die Annahme von Geschenken

Nach dem Landesbeamtengesetz und anderen Vorschriften ist die Annahme von Belohnungen und Geschenken verboten, es sei denn, der Vorgesetzte – im Fall von Slowik die Innensenatorin – genehmigt die Annahme.

Laut Cablitz entstünden bei einer rein privaten Teilnahme an einer privaten Feier hingegen keine Verpflichtungen, sodass keine Genehmigung habe eingeholt werden müssen. Er bezieht sich dabei auf die „Ausführungsvorschriften über das Verbot der Annahme von Belohnungen, Geschenken und sonstigen Vorteilen“.

Mit Rücksicht auf die gesellschaftlichen Verpflichtungen ihres Amtes erteilen die Vorschriften Slowik eine Ausnahmegenehmigung, wenn sie in ihrer Funktion als Polizeipräsidentin eingeladen ist, etwa als Gast bei Empfängen.

Die mehrmalige Nachfrage, ob das Verhältnis der Intendantin zur Polizeipräsidentin Einfluss auf die unabhängige Berichterstattung insbesondere über die Polizei hat, ließ ein RBB-Sprecher trotz mehrmaliger Nachfrage bis zum Dienstagabend unbeantwortet.

Gewerkschaftschef: „Wer gehört noch zu diesen Hinterzimmerzirkeln?“

Der ehemalige Berliner Abgeordnete und Vorsitzende der Good Governance Gewerkschaft, Marcel Luthe, hat am Montag nach dem Informationsfreiheitsgesetz Akteneinsicht beim RBB über die abgerechneten Bewirtungsunterlagen der Intendantin beantragt. Akteneinsicht will er auch in die Bewirtungslisten des Präsidialbüros der Polizei Berlin. Dort werde die Bewirtung von Gästen mit Kaffee, Wasser und ähnlichem privat finanziert, wie der Behördensprecher mitteilt. Eine Abrechnung durch Slowik gegenüber der Polizei Berlin erfolge nicht.

„Die Freundschaften, die spontan zwischen hohen Funktionsträgern entstehen, kannte man in Bayern lange als ‚Amigos‘“, sagt Luthe. Wer herausragende Funktionen in der durch die Bürger finanzierten Verwaltung hat, müsse jeden Anschein der Parteilichkeit vermeiden, wolle er oder sie das Amt nicht beschädigen. „Ich bin gespannt, wer alles – etwa aus Justiz, Verbänden und Rundfunkrat – noch zu diesen undurchsichtigen Hinterzimmerzirkeln gehört.“

Inzwischen hat die Berliner Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen Schlesinger eingeleitet. Es wird wegen des Verdachts der Untreue und der Vorteilsannahme ermittelt.

Mitarbeiter fordern Einbindung in alle Entscheidungen

Während die Senderleitung offenbar in Saus und Braus lebte, wurde bei den freien Mitarbeitern kräftig gespart. Etwa 1500 „arbeitnehmerähnliche Freie“ machen die Hauptarbeit und gestalten das Programm. Hinzu kommen zahlreiche Autorinnen und Autoren. „Zuerst wurden die Wochenendschichten gestrichen; aus finanziellen Gründen“, schreibt etwa die ehemalige Journalistin Britta Schulze-Großhans auf Facebook. „Das müssten wir verstehen, hieß es. Der RBB hätte nicht mehr so viel Geld und müsse sparen!“ Einige Monate später sei aus zwei Tagschichten eine Schicht gemacht, weil alle sparen müssten. Seit zwei Jahren sei sie nicht mehr dabei, sagte sie der Berliner Zeitung. „Denn davon konnte ich nicht mehr leben.“

Am Dienstag gab es im RBB eine Belegschaftsversammlung. Auf der rund dreistündigen Veranstaltung wurde der Ruf nach dem Rücktritt der Geschäftsleitung laut. Unter anderem wurde der Rücktritt des Programmdirektors gefordert, der mehrere Fernsehsendungen abgewickelt hat und dafür Boni kassiert haben soll. Darunter ist die Sendung „ZIBB“, die im vergangenen Jahr eingestellt wurde. Etwa 50 freie Mitarbeiter verloren dadurch ihre Jobs.

„Wir fordern, dass bei künftigen Entscheidungen alle Mitarbeiter, ob Freie oder Festangestellte, mit eingebunden werden“, sagte Dagmar Bednarek, Sprecherin der Freien Mitarbeiter, der Berliner Zeitung.