Berliner CSD

Berliner CSD-Skandal: Muss der Verein rund 178.000 Euro an eine Eventagentur zahlen?

Während die Staatsanwaltschaft wegen Untreue ermittelt, wird nun ein erstes Puzzle-Teil zum CSD-Skandal vor dem Landgericht Berlin verhandelt.  

Menschen nehmen an der Christopher-Street-Day-Demonstration unter dem Motto „United in Love“ in Berlin am 23. Juli 2022 teil. Hunderttausende feiern auf der Abschlusskundgebung vor dem Brandenburger Tor.
Menschen nehmen an der Christopher-Street-Day-Demonstration unter dem Motto „United in Love“ in Berlin am 23. Juli 2022 teil. Hunderttausende feiern auf der Abschlusskundgebung vor dem Brandenburger Tor.imago

Muss der CSD Berlin e.V. rund 178.000 Euro Schadensersatz an eine Eventagentur zahlen? Diese Frage liegt dem Landgericht Berlin zur Entscheidung vor. Hintergrund ist, dass der eingetragene Verein einen Rahmenvertrag mit der Eventagentur Rut Wiess abgeschlossen hat – dieser sah vor, dass Rut Wiess für die Jahre 2020, 2021 und 2022 die Gastronomie auf der CSD-Abschlussveranstaltung am Brandenburger Tor übernimmt.

Wie die Berliner Zeitung im Rahmen des großen CSD-Skandales berichtet, wollte der 2021 neu gewählte Vorstand diese Gastronomie in Eigenregie an sich nehmen. Ein damaliges Vorstandsmitglied berichtet uns: „Ich bin der Meinung, dass bereits nach dem CSD 2021, also noch in 2021 der Plan umgesetzt wurde, dass Rut Wiess gekündigt werden soll. Treibende Kraft war überwiegend Patrick Erhardt.“ Erhardt hat schon für verschiedene Festivals und Partys gearbeitet, „daher sah er eben ein großes Gewinnpotenzial beim Gastro-Thema“, so die Erinnerung des ehemaligen Vorstandsmitglieds.

Diesen Mittwoch war der Prozessauftakt im Saal 148 des Landgerichts Berlin. Erschienen war der Kläger Markus Poscher, Geschäftsführer von Rut Wiess, und auf der Seite des Beklagten nahm das CSD-Vorstandsmitglied Patrick Erhardt Platz.

Der Richter führte in seiner Prozesseinleitung aus, dass für den CSD e.V. eine Vertragsverpflichtung besteht und in den Unterlagen, die dem Gericht zur Verfügung stehen, keine wirksame Kündigung zu erkennen sei. Auch die angesetzte Schadensbemessung von rund 178.000 Euro war für den Richter nachvollziehbar. Diese Summe bezieht sich auf eine Kalkulation aus dem CSD-Jahr 2019. Der Richter bemängelt, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung noch kein Geschäftsführer von Rut Wiess gewesen sei und damit nicht zum Vertragsabschluss berechtigt gewesen wäre. Das Gericht forderte den Kläger auf, diesen Nachweis im Laufe der Prozessverhandlung nachzureichen.

Der Richter unterbreitete den beiden Parteien ein Vergleichsangebot zur Zahlung von 100.000 Euro an den Geschädigten, die Rut Wiess Event GmbH. Das wurde vom Anwalt des CSD-Vorstands abgelehnt.

Der Anwalt hält einen wesentlichen Punkt für entscheidend, um die Klage abzuweisen: Für 2020 waren die Konzession vertraglich festgelegt, für 2021 und 2022 jedoch nicht. Daher kann man nicht auf einen entgangenen Gewinn klagen.

Um den anstehenden Berliner CSD am 22. Juli nicht zu gefährden, wurde auf Anregung des CSD-Anwalts vereinbart, dass die Verhandlung erste nach der Pride-Parade fortgeführt wird; begründet damit, dass der Vorstand im Ehrenamt tätig sei.

Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen gegen CSD-Vorstand eingeleitet

Seit der Berichterstattung der Berliner Zeitung ist die Diskussion innerhalb der Berliner LGBTI-Community groß. Die Community und die Berliner Politik fordern eine schnelle und transparente Aufklärung aller Anschuldigungen.

Nach der Veröffentlichung Anfang Juni wurde eine nicht-anonyme Anzeige bei der Berliner Polizei eingereicht, die der Staatsanwaltschaft Berlin vorliegt. Gegenüber dieser Zeitung bestätigt eine Sprecherin, dass eine Ermittlung mit Tatverdacht der Untreue gegen den CSD-Vorstand eingeleitet wurde und diese andauert. „Darüber hinausgehende Angaben können aber derzeit – um die laufenden Ermittlungen nicht zu gefährden – nicht getätigt werden.“

Anfang dieser Woche gab es in der queeren Community Unruhe, da die Internetplattform queer.de und der Tagesspiegel darüber berichteten, dass die Staatsanwaltschaft nach einer zweiten anonymen Anzeige die Ermittlungen gegen den CSD-Vorstand eingestellt habe. Hierzu bestätigt die Staatsanwaltschaft Berlin, dass neben den laufenden Ermittlungen im Dezember 2022 eine anonyme Anzeige eingegangen sei. Hier wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, aber im Februar 2023 wieder eingestellt. Es gibt keine weiteren anonymen Anzeigen, die der Staatsanwaltschaft vorliegen.

Der Tagesspiegel hat seine Berichterstattung mittlerweile korrigiert und ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren wegen Untreue-Verdachts bestätigt.

Die nach einer Anzeige eingeleitete Untersuchung beim Finanzamt für Fahndung und Strafsachen Berlin ist weiterhin in Bearbeitung und liegt der Staatsanwaltschaft noch nicht vor.