Berlin-Der Berliner Senat hat binnen 24 Stunden seine Regeln zum Umgang mit Ungeimpften in der Corona-Pandemie geändert. Das sogenannte 2G-Optionsmodell, das in vielen Lebensbereichen Genesenen oder Geimpften (2G) gegenüber Getesteten (3G) bevorzugt, wurde für Kinder abgeschwächt. Sie dürfen nun zum Beispiel mit in ein 2G-Restaurant. Sechs- bis Zwölfjährige müssen dafür aber einen negativen Test vorweisen. Man könnte auch sagen: Für sie gilt die 3G-Regel überall. Die Vorgaben für jüngere Kinder blieben zunächst unklar. Darauf einigte sich die Landesregierung am Mittwoch.
Vorausgegangen war ein Tag voller Aufregung und Schuldzuweisungen bei Rot-Rot-Grün, ausgetragen auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Vor allem aus den Fraktionen hagelte es Kritik an der Entscheidung, die Kinder unter zwölf Jahre und damit auch ihre Eltern von vielem ausschloss. Man wolle bewusst keine Ausnahmen, hatte Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) am Dienstag nach der Senatssitzung noch gesagt. Das aber ließ sich nicht durchhalten, wie der Sturm am Mittwoch zeigte.
Das Gift kam eindeutig aus dem Lager der Grünen: „Der Senat diskutiert 2G seit vier Wochen – die Grünen haben sich die ganze Zeit für Ausnahmen für Kinder eingesetzt. Verhindert wurde das durch die SPD“, hieß es am Mittwochmorgen aus der Pressestelle der Fraktion. Kurz danach war der Tweet gelöscht.
Das Problem nämlich war, dass im Senat selbstverständlich auch Grüne anwesend waren. An der Spitze: Ramona Pop, Bürgermeisterin, Wirtschaftssenatorin – und alleine deshalb auch Anhängerin von 2G. Aber zum Beispiel auch Co-Fraktionschefin Antje Kapek. Beide Grünen-Frauen ließen nach übereinstimmenden Berichten die Vorlage aus der Gesundheitsverwaltung ohne jede Beanstandung passieren.
Entsprechend scharf fiel die Reaktion der SPD aus. Bildungspolitikerin Maja Lasić antwortete: „Oh wow. Statt zuzugeben, dass der Senat GEMEINSAM und einstimmig (vorangetrieben auch durch grüne Senatorin Pop) eine falsche Entscheidung getroffen hat und damit GEMEINSAM aus dem Parlament heute die Korrektur vorzunehmen, machen die Grünen Wahlkampf.“
„Warum habt ihr gestern nichts gesagt?“
Einige Zeit später reagierte auch die angesprochene Wirtschaftssenatorin Pop. Und sie verzichtete wohlweislich auf Kritik am Koalitionspartner: „Gestern ist auch mir ein Fehler unterlaufen. Ich habe versäumt auf Ausnahmen für Kinder unter 12 Jahren bei der #2GRegel zu drängen.“
Noch einmal anders stellt sich die Situation bei den Linken dar. Arbeitssenatorin Elke Breitenbach und Bürgermeister und Kultursenator Klaus Lederer brachten das Problem der fehlenden Ausnahmen bei der Sitzung sehr wohl zur Sprache. Am Ende aber ließen auch sie den Entwurf passieren. Dennoch schaltete sich Breitenbach am Mittwoch in den Sturm ein – mit einer Spitze gegen die Grünen: „Warum habt ihr gestern nichts gesagt? Klaus Lederer und ich hatten das Problem doch angesprochen …“
Eine Antwort gab es nicht. Aber nach dem Druck von allen Seiten ein sehr schnelles Einlenken des Senates.
Doch zuvor musste noch dringend die Frage geklärt werden, wer denn nun zuerst und am lautesten die ursprüngliche Entscheidung kritisiert und damit eine Änderung erst möglich gemacht habe.
Wieder waren es die Grünen, die das für sich beanspruchten. Spitzenkandidatin Bettina Jarasch: „Nachdem nach unserer Kritik und der öffentlichen Reaktion nun auch Teile der SPD einlenken, sollte der Senat den gestrigen Fehler in einer Sondersitzung schnell beheben.“
„Teile der SPD“ – damit könnte auch Franziska Giffey gemeint sein. „Die gestrige Entscheidung muss korrigiert werden. Wir wollen und müssen eine höhere Impfquote erreichen, aber das darf nicht auf Kosten von Kindern und ihren Familien gehen“, schrieb die Parteichefin und Spitzenkandidatin.
Nun hat die frühere Bundesfamilienministerin aber auch gut reden, hat sie doch weder in Senat noch in Fraktion Sitz und Stimme, hat also mit der ursprünglichen Entscheidung nichts zu tun. Da lässt es sich leicht kritisieren.



