Kolumne

Typisch deutsche Hecken: Warum gibt es die in Berlin so selten?

Unser Kolumnist reist und sieht einschüchternde Gartenbauwerke, die typisch deutsch sind und die es in Berlin kaum gibt. Er vermutet einen bestimmten Grund.

Hoch und massiv: Eine Hecke, in der auch der Elektrokasten integriert ist.
Hoch und massiv: Eine Hecke, in der auch der Elektrokasten integriert ist.Berliner Zeitung/Jens Blankennagel

Vielleicht liegt es an der einst undurchdringlichen Berliner Mauer, dass diese Stadt kein Ort der hohen Hecken ist, die ein Grundstück mit einer dichten Wand aus Ästen und Laub abschotten.

Meist achtet niemand so richtig auf die Höhe der Hecken in einer Stadt. Mich mussten auch erst Freunde darauf aufmerksam machen, als wir mal durch Pullach liefen. Das ist eine Stadt, in der nicht nur viele Leute mit vielen Geheimnissen leben, die beim BND arbeiten, sondern auch viele reiche Leute, die ihre Privatsphäre durch massive Hecken vor jedem Blick schützen wollen.

In Berlin gibt es auch reichlich Hecken, aber die sind meist nur hüfthoch, also so niedrig, dass sie kaum auffallen. Ganz anders im Alten Land bei Hamburg. Seit 600 Jahren eine Gegend der Obstbauern. Die Region ist vergleichbar mit Werder an der Havel, aber nur ein klein wenig. Denn Werder ist nur der Obstgarten für Berlin, das Alte Land aber ist das größte zusammenhängende Obstanbaugebiet in ganz Nordeuropa. Dort stehen etwa 18 Millionen Obstbäume. Und Tausende Hecken.

Kantig, zackig, eckig. Typisch deutsch eben

Anders als in Berlin sind sie nicht zu übersehen. Sie stehen sogar mitten in Apfelplantagen. Aufgefallen ist mir der grüne Mauer-Ersatz beim morgendlichen Gang zum Bäcker. Erst sah ich eine Hecke, die fast so hoch war wie die Lampe an der Straßenlaterne. Dann sah ich eine Hecke, die bis zur Regenrinne reicht, die aber die Sicht aus einem Fenster verdeckt. Also ist in der Hecke ein fenstergroßes Stück ausgespart. Es sieht ziemlich albern aus.

In der Gegend gibt es die höchsten Hecken, die ich je gesehen habe. Eine reicht bis weit in die dritte Etage. Die meisten sind kantig, zackig, eckig. Typisch deutsch eben, wie mit Lineal, Wasserwaage und Rasiermesser bearbeitet. Ich habe nur zwei schöne wilde Hecken gesehen, die wie Natur aussehen und nicht mit dem Maßband zugerichtet sind.

Am interessantesten ist eine Hecke an einem Eckgrundstück. In der Hofeinfahrt sorgen kleine Anpflanzungen dafür, dass kein Blick durchkommt. Und entlang des Fußwegs steht eine 60 Meter lange und drei Meter hohe grüne Wand. Es gibt sogar eine kleine Hecke, die vor der großen Hecke steht. Sie ist so gestaltet, dass auch der Feuerwehrhydrant und ein Elektrokasten integriert sind.

Von der Straße aus ist nur die Spitze des Wohnhauses zu sehen. Alles – wirklich alles – ist geschützt vor lästigen Blicken. Der Clou der Geschichte: Der Nachbar hat keine so hohe Hecke, und so können alle vom Fußweg aus sehen, was hinter der Riesenhecke ist. Und das ist unglaublich: eine Wiese mit Kirschbaum und drei Büschen. Hoffentlich schafft es der Heckenwahn nicht bis Berlin.