Es gibt noch richtig frohe Botschaften in dieser zänkischen Zeit der Negativschlagzeilen: Das seit Jahren leer stehende einstige Pressecafé am Berliner Verlag mit seinem markanten Wandfries feiert im Mai 2024 sein Comeback.
Der aus Ost-Berlin stammende Gastronom Alexander Freund belebt den historischen Ort, in dem sich nach der Wiedervereinigung und bis zur Generalrekonstruktion des Gebäudekomplexes das Escados-Steakhaus befand und dessen Betreiber den Neubert-Fries damals weitsichtig hinter einer Wandverkleidung sicherte. Freund zieht mit dem Beast-Steak-Club ein. Ihm schweben gutes Essen und Trinken an langen Tischen und Tafeln vor, eine Bar und Live-Musik. Er plant 310 Sitzplätze drinnen und draußen.

Und selbstredend soll die Inneneinrichtung die Geschichte des Ortes erzählen: Das Interieur übernimmt Torsten Elgt mit seiner Firma Logo Projekt, die auch das Design für das Soho House und BrewDog konzipierte und umsetzte. Das Pressecafé wird das Original von 1972 zitieren – mit Designmöbeln im DDR-Retrostil und Farben, die von dem berühmten Wandfries zum Thema Presse des Malers Willi Neubert inspiriert sind. Dessen 76 Meter langes, 3,50 Meter hohes Fassadenwerk zum Thema sozialistisches Pressewesen wurde 2021 restauriert und zusammen mit dem Berliner-Verlag-Gebäude im Zuge der Alexanderplatz-Planungen unter Denkmalschutz gestellt. Inzwischen markiert das Ensemble wieder den Ort der Berliner Zeitung, die zu Jahresbeginn, nach einem sechsjährigen Intermezzo in Kreuzberg, zum Alex zurückgezogen ist.

All die Wandlungen seit dem Mauerfall hätte Willi Neubert (1920–2011), Maler aus dem Ostharz, sich nicht träumen lassen. Sein Fries von 1973, der die Attika des Pressecafés wie ein Stirnband umläuft, bekam damals den Titel „Die Presse als Organisator“, ganz nach dem Lenin’schen Prinzip der kollektiven Agitation und Organisation. Öfter wird Neubert wegen seiner stilistischen Anleihen am schwungvollen, zukunftsgewissen Stil des linken französischen Malers Fernand Leger mit dem in seiner Frühzeit ebenso malenden DDR-Maler und Funktionär Willi Sitte verwechselt. Neubert gehörte jedoch nie zu den staatstragenden Malern.
Illustration einer pressegeschichtlichen Selbstdarstellung
Sein farbkräftiger Emaillefries war ein Kunst-am-Bau-Auftrag. Neubert, von dem man im deutschen Osten wohl vor allem den zwiespältigen „Schachspieler“ kennt, einen rauchenden Proletarier, der alleine das „Spiel der Könige“ spielt, hatte für seine zahlreichen baubezogenen Arbeiten, vor allem in Halle-Neustadt mit Metallurgen aus Thale eine raffinierte Emailletechnik entwickelt. Sie wirkt wie klassische Tafelmalerei, korrodiert jedoch nicht im Freien, wo die Bilder Wetter und Umweltverschmutzungen ausgesetzt sind. Zudem lässt sich Emaille gut reinigen.
Der Berliner Bauhistoriker Thomas Flierl ordnet den Fries in die DDR-Moderne ein als relativ traditionelle Illustration einer pressegeschichtlichen Selbstdarstellung. Durch die Kombination mit der hohen Gebäudescheibe war es eine ordnende architektonische Geste. Zudem hatte genau an diesem Punkt die Karl-Marx-Allee, die als zentrale Magistrale des Ostens am Haus des Berliner Verlages endet, ihren Umlenkpunkt in die Karl-Liebknecht-Straße und von da in die Prachtmagistrale Unter den Linden.

Das Verdecken des Frieses Anfang der Neunzigerjahre war immerhin kein politischer Bildersturm, wie er etwa dem Granit-Lenin am Platz der Vereinten Nationen (einst Leninplatz) widerfuhr. Neuberts Figurenfolge mit Zeitungen und Druckmaschinen sollte, ganz auf den Ort bezogen, die Verlags- und Redaktionsarbeit darstellen. Das war im Kontext zur „Bauchbinde“ von Walter Womacka am Haus des Lehrers und dessen Metallfries am Haus des Reisens bewusst so gedacht.
Karl Marx hat ein paar Gläschen zu viel genippt
Die Aufgabe der sozialistischen Presse als kollektiver Aufklärer und Motivator im Dienste der herrschenden Ideologie ist dargestellt in einem dynamischen Malstil. Die abgebildeten Drucker und Journalisten halten Zeitungen in den Händen, man liest Schriftzüge: Rosa (Luxemburg), Spartakus, Rote (Fahne). Zu sehen ist auch ein Porträt von Karl Marx. Der sieht mit seinen roten Bäckchen ein bisschen so aus wie der Weihnachtsmann, der ein paar Gläschen zu viel genippt hat.

