Der Mann ist Anfang 40 und will unerkannt bleiben. Er sagt am Telefon, ihm sei der Rummel um seine Person nicht recht. Er habe sich schließlich nicht um eine Stelle beworben mit dem Ziel, dem Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel Ärger zu machen. „Es ist für mich auch eine schwierige Situation“, sagt er. „Herr von Dassel ist ja sehr gut vernetzt, es kann sein, dass ich mir damit meine eigene Karriere auf Dauer kaputt mache.“ Aber der Beamte fand den Umgang mit ihm als ungerecht und miserabel. „Niemand wollte einen Fehler zugeben.“ Deswegen habe er den Fall vor einer Woche öffentlich gemacht.
Am Mittwoch ist der Bezirksbürgermeister von Mitte noch immer im Amt, doch seine Position wackelt zumindest. Vergangenes Jahr wollte Dassel die Position „Leitung Steuerungsdienst“ in seinem Bezirksamt besetzen. Derjenige arbeitet eng mit dem Bezirksbürgermeister zusammen und ist direkt den Stadträten auch von anderen Bezirksämtern unterstellt.
Der Mann, der den Posten bekam, war ein alter Bekannter Dassels, der ihm schon beim Grünen-Wahlkampf unterstützt hat und außerdem eine hohe Position bei den Grünen innehat. Der unterlegene Bewerber fühlte sich ungerecht behandelt, weil er sich als formal besser qualifiziert ansieht und mehr Berufserfahrung vorweisen kann. Er klagte gegen die Vergabe. Ein nicht ungewöhnlicher Vorgang bei der Besetzung von solchen Posten. Der Grund, warum nun der Bezirksbürgermeister um seinen Job fürchten muss: Dassel habe ihm privat Geld angeboten, damit der leidige Streit um den vergebenen Posten ein Ende habe, sagt der unterlegene Bewerber.
Am Telefon kann der Mitarbeiter, der derzeit Verwaltungsbeamter in einer anderen großen Berliner Einrichtung ist, noch einmal alles genau erzählen. Er hat sich Notizen gemacht, die er kurz darauf als SMS noch nachschickt: 1. April kam eine SMS von Dassel, in der ihn der Bezirksbürgermeister um ein Gespräch bittet. Am 4. April fand das Gespräch statt und man einigte sich auf drei Monatsgehälter als Ausgleich. Zwei Tage später schickte dann Dassel die SMS, in der er wörtlich fragte, ob man sich auch „als Privatpersonen“ einigen könne, mit einer „privatrechtlichen Vereinbarung“ zu gleichen Konditionen. Denn über den Bezirkshaushalt ließ sich der Ausgleich wohl nicht abrechnen.
Die eigene Fraktion hat am schnellsten reagiert: Die Grünen beschlossen, ein Abwahlverfahren einzuleiten, falls der Bezirksbürgermeister nicht von sich aus zurücktrete. Die SPD-Fraktion sieht das Verhalten von Herrn von Dassel äußerst kritisch und erwartet eine zügige Aufklärung. Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) sagte am Dienstag, dass die Vorwürfe nicht unbedeutend seien. Es sei möglich, „dass er als Beamter des Landes Berlin gegen seine Dienstpflichten verstoßen hat“. Die Einleitung eines Disziplinarverfahrens nannte sie „zwingend“. Von Dassel leitete dieses Verfahren nun selbst gegen sich ein. Man nennt es wohl Flucht nach vorn.
Der Beamte, der den Job im Bezirksamt nicht bekam, ist jetzt besorgt, dass er eine Persona non grata sei, auch in anderen Positionen. Er habe sich absichtlich für seinen Beruf entschieden und mache ihn gern. „Ich bin gern Verwaltungsmanager“, sagt er am Telefon, „ich habe kein Interesse daran, im Fernsehen bekannt zu werden.“ Deshalb habe er sämtliche TV-Interviewanfragen zurückgewiesen. Er wolle nur klarstellen, dass er nicht verstehen könne, wie jemand mit derart wenig Berufserfahrung wie sein Konkurrent ihm vorgezogen wurde. „Es geht hier nicht um halbes Jahr Unterschied“, sagt er, „es sind quasi verschiedene Welten.“


