Man übersteht jeden Berliner Winter, auch in einer schlecht beheizten, zugigen Altbauwohnung, wenn man nur regelmäßig in die Sauna geht. Das ist etwas, was ich in meiner Kindheit in Prenzlauer Berg gelernt habe. Meine Mutter brachte es mir und meinem Bruder bei, indem sie uns von November bis März ins Stadtbad in der Oderberger Straße schleppte, seit wir laufen konnten. Rechts neben dem Haupteingang führte eine Treppe in den Keller. Dort war die Sauna.
Meine Mutter erzählte uns, dass sie früher immer mit meinem Vater in das Stadtbad gekommen war, um zu duschen. Das konnten wir kaum glauben. Ich habe sie jetzt, fast 40 Jahre später, noch mal danach gefragt. Ja, sagte sie, einmal in der Woche. Sie kamen aus der Torstraße, die damals noch Wilhelm-Pieck-Straße hieß, und wo sie in einer Wohnung lebten, in der im Winter die Waschlappen in der Küche gefroren. Im Stadtbad konnte man 15 Minuten duschen, Umkleidezeit inklusive. Oft habe man anstehen müssen, die Schlange mit Duschwilligen zog sich die Treppe hinauf. Nach dem Duschen seien mein Vater und sie durch die Eiseskälte zurück nach Mitte gestapft.
In der Frauensauna mit kleinem Bruder und älteren Damen
Im Keller des Stadtbads gab es eine Sauna mit Holzbänken und einen Ruheraum mit Liegen. Wir gingen immer hin, wenn Frauensauna war, mein kleiner Bruder saß als einziger Mann zwischen älteren Damen, wie es sie heute in Prenzlauer Berg nicht mehr gibt. Wir durften nur flüstern und liefen nach drei Saunagängen durchgewärmt nach Hause, zum Glück nur um die Ecke, in die Kastanienallee. Dort hatten wir eine Dusche, aber wir nutzten sie selten, denn das Wasser musste im Badeofen erhitzt werden. Meine Mutter sagte, Sauna härtet ab und schützt vor Schnupfen.
Auch als ich studierte, lebte ich erst noch in einer Wohnung mit Öfen, in Baumschulenweg, zum Glück gab es in der nahen Schwimmhalle im Winter eine Sauna. Später besuchte ich oft die Sauna im wunderschönen, alten Stadtbad Neukölln, dort gab es sogar ein Dampfbad. Nach drei Saunagängen fühlte ich mich bereit für eine weitere graue, nasskalte Berliner Winterwoche.
In die Sauna zu gehen, kam mir in Berlin nie wie ein Luxus vor, sondern stets wie eine Notwendigkeit. Die ich mir leisten konnte, auch wenn ich kaum Geld hatte. Dank der städtischen Badeanstalten.
Dafür sind sie doch da, oder? Früher konnten hier Leute duschen, die keine Bäder hatten. Bis heute schwimmen in den Sommerbädern die Kinder, deren Eltern keine Pools haben. Und im Winter schwitzen hier Berliner, die keine Sauna im Dachgeschoss haben.
Damit ist es jetzt vorbei. Die Stadt will Energie sparen, deshalb bleiben die Saunen in den öffentlichen Bädern zu. Man kann natürlich trotzdem weiter in Berlin in die Sauna gehen. Man muss es sich nun aber leisten können.
Angekommen in der Zwei-Klassen-Sauna-Gesellschaft
Vor ein paar Tagen saß ich in der Sauna eines Sportstudios, in der die Mitgliedschaft mehr als 100 Euro im Monat kostet. Ich hatte mich vor allem wegen der Sauna dort angemeldet. Um mich drängten sich Frauen, denen es vielleicht ähnlich gegangen war. Weil ständig jemand die Tür aufriss, um rein oder raus zu kommen, war es kaum 60 Grad warm.


