Stadtleben

Berlin hat ein Problem mit Nachlässigkeit, Dreck und Unhöflichkeit

Von wegen Schnauze mit Herz: In der Hauptstadt benehmen sich viele Menschen daneben, und Berlin lädt auch irgendwie dazu ein.

Dit is Balin! Viele Menschen glauben, dass für sie die meisten Regeln außer Kraft gesetzt sind. Das betrifft nicht nur herumstehende Roller, aber diese sind symptomatisch dafür.
Dit is Balin! Viele Menschen glauben, dass für sie die meisten Regeln außer Kraft gesetzt sind. Das betrifft nicht nur herumstehende Roller, aber diese sind symptomatisch dafür.dpa

Es war nur eine kleine Meldung, mit der die Berliner Boulevardzeitung am Dienstagmorgen ihre Website bestückte, aber so typisch für diese Stadt wie nur möglich: Weil eine Kehrmaschine wild parkenden E-Scootern ausweichen musste, brach das tonnenschwere Gerät auf den Bohlen einer Baustelle ein und musste aufwendig geborgen werden.

Und wer kennt es nicht? Jeden Tag müssen Fußgänger, Radfahrer und sogar Autofahrer achtlos hingestellten, umgefallenen oder aus Wut umgeworfenen Rollern ausweichen, mehr als einmal schon ist es zu Unfällen gekommen, weil die Scooter verkehrswidrig geparkt waren.

Hier macht jeder, was er will

Das ist nicht die Schuld der Betreiberfirmen dieser Gefährte, und es ist nicht die Aufgabe der Stadt, dafür zu sorgen, dass Gehwege, Straßen etc. begehbar oder befahrbar sind, abgesehen von den üblichen Aufgaben einer Stadtverwaltung. Es ist einfach ein Problem, das Berlin seit vielen Jahren hat und das sich im Gefühl vieler Menschen zunehmend verstärkt. Hier macht einfach jeder, was er will. Es herrscht eine gewisse Art der Wurstigkeit, was den öffentlichen Raum anbelangt, und am deutlichsten wird das im Straßenverkehr anhand von Rollern und Rädern. Nach dem Motto: Mir doch egal, wer nach mir aufräumt.

Immerhin in der Nähe eines Abfalleimers: Müll in Parks und Grünanlagen gehört mittlerweile zum Stadtbild.
Immerhin in der Nähe eines Abfalleimers: Müll in Parks und Grünanlagen gehört mittlerweile zum Stadtbild.www.imago-images.de

Das betrifft natürlich nicht nur die Roller, die ja im Sinne einer Verkehrswende durchaus begrüßenswert sind, sondern auch viele andere Dinge und Verhaltensweisen in dieser Stadt, die so gerne endlich Metropole sein will, endlich Weltstadt. Nur so richtig auf dem Weg dorthin ist Berlin noch nicht. In einem Land, das ansonsten für seine bürokratische Überregulierung berühmt ist, funktioniert diese in seiner Hauptstadt überraschend schlecht. Die Gastronomie vereinnahmt den öffentlichen Raum, wo sie kann, und stellt nun wieder die Tische raus, auf vielen Bürgersteigen so weit, dass Fußgänger im Gänsemarsch hintereinander herlaufen müssen, um an Tischen und Stühlen vorbeizukommen. Es ist verständlich, dass die Gastronomie nach zwei Jahren Pandemie Nachholbedarf hat, aber warum muss das gleich wieder auf Kosten anderer gehen?

Und auch Kneipengäste und Partygänger verhalten sich in Berlin oft wie renitente Kinder, die ihr Zimmer nicht aufräumen wollen. Überall liegen Flaschen, Kartons und anderer Mist herum, die BSR wird’s ja schon richten, und wer als Tourist aus anderen Bundesländern nach Berlin kommt, findet eine Stadt vor, die förmlich dazu einlädt, sich zu benehmen wie in einem antiautoritären Kindergarten. Der Berliner macht’s ja vor. Was nicht in den Hausmüll passt oder anderweitig zu entsorgen wäre, das steht oft vor der Tür mit einem Zettel dran: „Zu verschenken“. Wer aber braucht zerfledderte Bücher, und wem will man mit verschlissenem Haushaltsgerät, ausgeleierter Wäsche und kaputten Elektrogeräten eine Freude machen? Richtig, niemandem. Man ist einfach nur zu bequem, seinen Krempel richtig zu entsorgen. Machen die anderen ja auch nicht.

Man kann diese Liste sicherlich fortsetzen, und vielleicht ist es ja auch so, dass die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt nach Lockdown und Pandemie einfach nur müde und ein wenig trotzig sind. Aber das Zusammenleben in Berlin wäre ein angenehmeres, wenn alle ein wenig freundlicher und interessierter an ihren Mitmenschen wären.