Viel ist nicht geblieben. Gleich links hinter dem Haupteingang an der Nordseite des Park-Centers Treptow, wo McDonalds einst seine 1000. Filiale in Deutschland eröffnet hat, sind die Glasfronten seit Monaten blickdicht verklebt. Nebenan dankt die Supermarktkette Real ihrer früheren Kundschaft großflächig für ihre Treue, während an der Westpforte der Besitzer der Änderungsschneiderei Bestor den wenigen verbliebenen Besuchern des Hauses seinerseits die Treue verspricht. „Wir werden weiterhin für Sie dableiben“, ist an dem einsamen Ladentresen auf einem kleinen Pappschild zu lesen.
Sonst ist nicht viel los zwischen Nord und West der Shoppingmall an der Treptower Elsenstraße, die mittlerweile weniger Läden hat als Buchstaben im Namen. Von den etwa 50 Geschäften sind noch 16 geöffnet, was einer Leerstandsquote von etwa 70 Prozent entspricht und im Kiez längst einen neuen Namen für das Haus entstehen ließ: „Grusel-Center“.
Wolfgang Jeschke ist aus der Gegend. Er sitzt allein auf einer Bank vor der Apotheke, trägt eine leichte Sommerhose und eine Weste mit vielen Taschen über dem hellblauen Hemd. Es sei ein Trauerspiel, was hier passiere, sagt der Mann. Früher habe hier entlang vieler kleiner Läden das Leben pulsiert. Doch die meisten Geschäfte seien verschwunden. „Man kann zusehen, wie das Haus stirbt“, so Jeschke.
Tatsächlich lodert der von Corona im Einzelhandel ausgelöste Flächenbrand an der Elsenstraße weiterhin auf allen Etagen. Zuletzt hatte die Schließung des Real-Markts die Pulsfrequenz der Mall dramatisch verlangsamt. Für die Filiale der im Jahr 2020 von Metro an einen Finanzinvestor verkauften Real-Kette hatte sich kein neuer Eigentümer finden lassen. Mitte Juni wurde sie geschlossen. Eine Bäckerei und ein griechisches Bistro, dessen Eigentümer erst wenige Monate zuvor mehrere Tausend Euro in die Ladenerneuerung investiert hatte, gingen gleich mit.
Ladenbetreiber beklagen drastische Umsatzrückgänge
Mit einem Schlag standen fast 10.000 der insgesamt 28.000 Quadratmeter leer, was auch die übrigen Mieter zu spüren bekamen. Ein Ladenbesitzer beziffert seinen Umsatzrückgang auf 50 Prozent. Größere Mieter wie Deichmann und Ernsting's Family haben wegen rückläufiger Kundschaft bereits Personal abgezogen. Auch Michaela Uhlendorf, die das Spielzeuggeschäft Kreatiwiti seit Center-Eröffnung vor 23 Jahren im Obergeschoss des Centers führt, verlor Kunden. Seit im Mai bei Real der Räumungsverkauf begann, kämen nur noch Stammkunden gezielt zu ihr und würden das Haus dann schnell wieder verlassen, erzählt sie. „Zum Bummeln kommt schon lange niemand mehr her“, sagt Uhlendorf. „Dafür ist es hier zu elendig.“

Wenngleich die Veränderungen bei Real seit 2020 bekannt sind, gibt sich der Eigentümer der Mall ob des Auszugs überrascht. Mit großer Verwunderung habe man die sehr kurzfristig angesetzte Schließung vernommen, heißt es. Außerdem hätten der Mietvertrag mit sehr langer Laufzeit und die zufriedene Kundenstruktur keine Schließung erwarten lassen. Rechtliche Schritte seien eingeleitet. „Wir streben die Erfüllung der Betreibungspflicht des Mieters an, was de facto einer Wiedereröffnung entspräche“, sagt Toni Perez-Morell, der für die Eigentümer die Geschäfte im Park-Center führt.
Tatsächlich hatten die Besitzer, die Immobilieninvestoren Angelo Gordon aus den USA und Kintyre aus Frankfurt am Main, das Haus erst elf Monate zuvor übernommen. Kintyre ist allerdings im Umgang mit Shoppingmalls nicht unerfahren. Schließlich gehören dem Unternehmen in Berlin bereits das Steglitzer Schloss-Straßen-Center sowie das Märkische Quartier in Reinickendorf. Erst Ende 2019 hatte der Investor auch einen Teil des Ring-Centers an der Frankfurter Allee übernommen.
Seit den Investoren auch das Treptower Center gehört und diese ihre Pläne im Juli 2021 kryptisch mit „Neupositionierung der Immobilie als lebendiges innerstädtisches Wahrzeichen mit gemischter Nutzung“ beschrieben, rätseln Rest-Kundschaft und verbliebene Ladenbetreiber über die Ziele der Besitzer. Aber die Mieter erfahren eigenen Angaben zufolge nichts und insbesondere Anwohner wie Wolfgang Jeschke befürchten den Verlust einer wichtigen Einkaufsmöglichkeit im Kiez. Jeschkes Vermutung: „Die warten, bis der letzte Laden schließt, dann bauen sie hier Wohnungen und Büros rein.“
Toni Perez-Morell widerspricht. „Wir kämpfen um jeden Mieter“, sagt der Kintyre-Manager. Für das Unternehmen sei es außerordentlich wichtig, den Standort als lebendigen Teil des unmittelbaren Einzugsgebiets zu erhalten und zu gestalten. Auf die Frage, wie viel Prozent der Fläche künftig dem Einzelhandel zur Verfügung gestellt werden sollen, will sich Perez-Morell dann aber doch nicht festlegen. Dazu lägen noch keine Planungen vor, da man sich noch in der „Findungsphase“ befinde. Doch sehe Kintyre den Standort weiterhin als Nahversorgungsschwerpunkt. „Dafür ist ein Lebensmitteleinzelhändler essenziell“, so Perez-Morell.
Kernbereich des Centers soll abgerissen werden
Wie im Bezirksamt Treptow-Köpenick indes zu erfahren war, hat Kintyre die Findungsphase wohl schon hinter sich. Denn dort hat der Investor einen Antrag auf Erteilung eines Vorbescheides eingereicht, der einen größeren Umbau des Park-Centers zum Gegenstand hat. Kintyres Ziel ist es demnach, den Kernbereich des bestehenden Hauses abzureißen und neu zu bebauen. Die Gebäudeteile entlang der Elsen- und Beermannstraße sollen erhalten bleiben. Für den Neubau sei vorzugsweise Büronutzung vorgesehen. Die bestehende Bauhöhe werde nicht überschritten, heißt es im Bezirksamt.
Dort hat man allerdings klare Erwartungen an das neue Park-Center. Die Sicherung der Nahversorgung, vorzugsweise durch einen Vollsortimenter, sowie weitere Einzelhandelsangebote seien wesentliche Forderungen des Bezirks, sagte die zuständige Bezirksrätin Claudia Leistner von den Grünen der Berliner Zeitung. Außerdem erwarte sie die notwendige Einbeziehung der Anwohnenden. Der Antrag auf Bauvorbescheid sei nun in der Prüfung.
Derweil geht der Exodus im Park-Center Treptow weiter. Der Betreiber des Teeladens neben der standhaften Änderungsschneiderei hat zum Jahresende gekündigt. Auch einer der Groß-Mieter, Deichmann, Ernsting's Family oder Mäc-Geiz, werde wohl bald gehen, raunt es durch die Mieterschaft. Und selbst Stamm-Mieterin Michaela Uhlendorf denkt über einen Abschied nach. „Wir sind auf dem Sprung“, sagt die Kreatiwiti-Chefin. Fortsetzung folgt.






