Seit diesem Donnerstag rücken Rettungswagen in Berlin nicht mehr wegen Bauchschmerzen aus. Das Alarmierungssystem für Notrufe der Berliner Feuerwehr würde nun überarbeitet, sagte Innensenatorin Iris Spranger (SPD) bei einer Personalversammlung.
Außerdem kündigte sie Veränderungen der inneren Organisation und Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel an. Zudem soll auch das Rettungsdienstgesetz geändert werden. Ziel ist, die dauernde Überlastung des Rettungsdienstes zu verhindern. Immer wieder gibt es Situationen, in denen kein freier Rettungswagen mehr zur Verfügung steht. Entsprechend groß ist der Frust unter den Rettern. Das bekam Spranger bei der Personalversammlung zu hören.
Laut Spranger gab es beim Notruf 112 bereits Anpassungen, damit die Retter nicht zu Bagatellen ausrücken müssen. „Das entsprechende Review wird seit heute Morgen, 8 Uhr, in der Leitstelle umgesetzt und soll nach aktueller Hochrechnung circa 7000 bis 8000 Einsätze im Jahr betreffen, die potenziell an die Kassenärztliche Vereinigung abgegeben werden“, sagte sie. Wie die ohnehin schon überlastete und für Patienten schwer erreichbare Kassenärztliche Vereinigung (KV) das zusätzliche Aufkommen bewältigen soll, ist unklar. Auf eine Anfrage der Berliner Zeitung teilte eine Sprecherin mit, man werde sich aktuell dazu nicht äußern.
Auch Vorgesetzte und Mitarbeiter im rückwärtigen Dienst sollen retten helfen
Spranger räumte ein, dass in der Vergangenheit die Praktiker mit ihren Erfahrungen zu wenig Gehör fanden. Daher solle es nun ein verpflichtendes Beratungsgremium geben, welches vor einer Entscheidung über den Umgang mit den Alarmierung-Codes anzuhören ist. Mit der Einrichtung habe sie den Landesbranddirektor beauftragt. Dem Gremium sollen erfahrene Notfallsanitäter, die Kassenärztliche Vereinigung und Vertreter der AG Notärzte Berlin angehören.
Zudem kündigte die Senatorin unter anderem Zulagen für die Beschäftigten im Rettungsdienst an, die pro Alarmierung ausbezahlt werden sollen. Die internen Abläufe in der Leitstelle sollen zudem überarbeitet werden. Dafür liegen 20 Vorschläge vor, die von einer Steuerungsgruppe in der Innenverwaltung geprüft werden.
Um den Personalmangel etwas zu lindern, sollen künftig auch medizinische Fachkräfte, die im rückwärtigen Dienst arbeiten, Schichten im Rettungsdienst übernehmen. Dies gilt laut Spranger „ausdrücklich“ auch für die Führungskräfte. „Hier erwarte ich, dass Sie mit gutem Beispiel vorangehen.“
Spranger: „Wir müssen unsere Leute auch besser an uns binden und halten. Von den 22 Kollegen der ersten Ausbildungsklasse zum Notfallsanitäter im Jahrgang 2015 sind heute nur noch sechs im Dienst der Berliner Feuerwehr.“
„Viele unsinnige Einsätze“
Feuerwehrchef Karsten Homrighausen verkündete, dass in diesem Jahr weitere Rettungswagen in Dienst gestellt würden. Er wies darauf hin, dass es auf dem Arbeitsmarkt schwer sei, ausgebildete Notfallsanitäter zu bekommen.
Beim Notruf 112 melden sich viele Anrufer, die eigentlich keine Notfälle sind – nicht nur wegen Bauchschmerzen, sondern auch wegen Beschwerden wie Schlaflosigkeit, kleinen Schnittwunden oder Verstauchungen.
„Es gibt viele unsinnige Einsätze“, sagte Daniela Ortmann, Vorsitzende des Hauptpersonalrates, bei der Personalversammlung. „Aber wenn jemand mit Herzinfarkt anruft, dann haben wir keinen Rettungswagen mehr.“ Das Rettungsdienstgesetz sei eindeutig. Aufgabe der Feuerwehr sei es nicht, Gesundheitstransporte zu machen. Ortmann kritisierte zudem das aus ihrer Sicht zu langsame Tempo bei den von Spranger angekündigten internen Veränderungen.
Personalrat: Viel mehr Bauchschmerzen-Einsätze, als von Senatorin genannt
Zudem bemängelte sie den schleppenden Fortschritt bei der in Tegel geplanten Rettungsdienstakademie. Der frühere Innensenator Andreas Geisel (SPD) ist jetzt Bausenator und damit für den Neubau der Ausbildungsstätte verantwortlich. „Er hat mit dem Hauptpersonalrat zu rechnen. Wir werden ihm aufs Dach steigen“, so Ortmann.
Lars Wieg, Vorsitzender des Personalrates der Berliner Feuerwehr, kritisierte die aus seiner Sicht schlechte Kommunikationspolitik innerhalb der Behörde. Die von Homrighausen versprochene Transparenz könne man nicht erkennen.
So kam der Personalrat auf 17.000 Einsätze im Jahr zum Code 1A1 wegen Bauchschmerzen. Dort fragt man sich, wie Spranger auf 7000 bis 8000 kommt.



