Pankow

Autos nur noch „zu Gast“: Die Oderberger ist die neueste Fahrradstraße Berlins

Die Verkehrswende kommt in Berlin voran. Autos müssen weichen, Fahrräder bekommen Platz. Wie läuft das genau ab? Ein Beispiel aus Pankow.

Und plötzlich ist die Oderberger Straße in Prenzlauer Berg eine Fahrradstraße.
Und plötzlich ist die Oderberger Straße in Prenzlauer Berg eine Fahrradstraße.imago images

Am Mittwoch fährt ein Fahrradfahrer auf dem Fußweg der Oderberger Straße in Prenzlauer Berg entlang. Es ist zwar eine der Straßen Berlins mit breitem Bürgersteig, aber weil dort meist Tische von Restaurants stehen, ist der Platz für Fußgänger begrenzt. Ein Fußgänger weist deshalb höflich auf die Straße und sagt diesen Satz, der jetzt öfter hier erklingen wird: „Schau mal, das hier ist doch sogar eine Fahrradstraße, extra für euch!“

Man kann dieser Tage sehen, dass die Menschen noch fremdeln mit dem Konzept Fahrradstraße. Noch ganz frisch glänzt das Weiß des großen Schildes, das wie auf die Straße aufgedruckt wirkt. Seit dem 7. Juli ist die erste Markierung auf einem Teil der Straße zu sehen, seit diesem Dienstag eine weitere in Richtung Mauerpark. In den Häusern fanden sich pünktlich zum ersten Tag auch Flyer, die erklärten, was das überhaupt ist: eine Fahrradstraße.

Es ist demnach eine Straße, auf der Motorräder und Autos „nur Gast“ seien, heißt es in dem Flyer. Radfahrer dürfen hier ausdrücklich auch nebeneinander fahren. Durchgangsverkehr für Autos bleibt verboten, wer hier mit dem Auto fährt, ist Anwohner oder will hier parken. Etwas großspurig trotzdem der Ton in dem Flyer, der sich zunächst wirklich nur auf diese Straße bezieht: Es gehe um klimafreundliche Mobilität und außerdem sei Radfahren gesundheitsfördernd. Wörtlich steht dort: „Probieren Sie es doch einmal aus.“

Gestaltet wurde der Flyer von der Senatsverwaltung für Umwelt und Klimaschutz und der Pankower Bezirksstadträtin Manuela Anders-Granitzki (CDU). Sie hat damit eine Forderung umgesetzt, die von den Grünen im Jahr 2019 aufgebracht wurde. Damals hatte Bezirksstadtrat Vollrad Kuhn (Grüne) berichtet, dass man ein umfassendes Konzept für Fahrradstraßen im gesamten Bezirk erarbeitet habe. Bis zum Jahr 2023 sollten demnach 20 Straßen in Pankow in Fahrradstraßen umgewandelt werden. Anders-Granitzki hatte eine Verzögerung angekündigt.

Senat und Bezirke müssen mehr in die Gänge kommen.

Lisa Feitsch, ADFC

Jetzt allerdings freuen sich die Pankower Grünen erst einmal, dass sich offenbar doch an das Konzept erinnert wurde. Patrizia Flores, Sprecherin der Grünen für Radverkehr, setzt sich seit Jahren dafür ein, dass die Pankower sicher Fahrrad fahren können. „Wir freuen uns, dass es mit den Fahrradstraßen in Pankow endlich vorangeht“, sagt sie der Berliner Zeitung. Das Besondere bei der Oderberger Straße sei, dass es keine baulichen Maßnahmen brauche, da die Straße ohnehin verkehrsberuhigt sei. „Hier reicht es also, Fahrbahnmarkierungen hinzuzufügen, die den Autofahrer:innen signalisieren, dass sie dort nicht entlangfahren dürfen.“

Dass es nicht immer so einfach ist, zeigt das Beispiel der Stargarder Straße, rund einen Kilometer nördlich der Oderberger Straße. Dort wurde zwar vor einigen Monaten schon eine Fahrradstraße eingerichtet, aber die Markierungen sind noch nicht komplett angebracht. Das führe, so Medienberichte, immer wieder zu Irritationen bei Fahrradfahrern. Außerdem nutzen Autofahrer die Straße weiterhin als Verbindung zwischen Prenzlauer und Schönhauser Allee.

Für den Radfahrerverband ADFC geht das Projekt noch nicht weit genug. Sprecherin Lisa Feitsch sagt der Berliner Zeitung: „Nach vielen Verspätungen beim Erstellen des Berliner Radnetzes muss es jetzt endlich nicht nur auf dem Papier, sondern auch auf der Straße landen.“ Statt Flickwerk und Wegen, die im Nichts enden, brauche Berlin dringend ein durchgängiges Netz an guten Radwegen. „Senat und Bezirke müssen mehr in die Gänge kommen.“ Neben geschützten Radwegen an Hauptverkehrsstraßen und Radschnellverbindungen für den Pendelverkehr brauche es mehr Fahrradstraßen in den Bezirken.

Laut Plan könnten auch Duncker-, Senefelder- und Kollwitzstraße bald ebenfalls Fahrradstraßen werden. Dabei ist der Umbau der Oderberger Straße noch längst nicht abgeschlossen. Aushänge legen nahe, dass es noch bis zum 20. Juli dauern wird, bis die Arbeiten abgeschlossen sind. Bis dahin können sich Besitzer eines Pkw schon einmal an ihren Gaststatus gewöhnen: Es sind temporäre Halteverbotszonen eingerichtet worden.

Bis Ende des Jahres werden außerdem noch mehr Parkplätze in Stellplätze für Fahrräder umgewandelt. Und für E-Scooter. Denn obwohl niemand von ihnen spricht: Fahrradstraßen sind auch E-Scooter-Straßen.