Pflegekrise

Warnstreik in Berliner Sana-Klinikum: „Applaus zahlt mir meine Miete nicht!“

In Berlin läuft ein zweitägiger Warnstreik. Es geht um höhere Löhne und faire Arbeitsbedingungen für rund 10.000 Mitarbeiter.

Beschäftigte der Sana-Klinik streiken für mehr Gehalt und mehr Personal.
Beschäftigte der Sana-Klinik streiken für mehr Gehalt und mehr Personal.Sabine Gudath

Sophia Köbele ist Fachschwester für pädiatrische Intensivpflege, Hauptvertreterin von Verdi im Sana-Klinikum Lichtenberg – und sie ist sauer. Die 49-Jährige erzählt, dass in ihrem Krankenhaus schon lange Personalmangel herrscht. „Wir sind hier in Berlin von der Charité und Vivantes umzingelt. Die zahlen deutlich besser. Gerade junge Mitarbeiter haben wenig Bindung zum Haus und wandern dahin ab, wo sie mehr verdienen. Das kann man keinem verübeln“, sagt Köbele.

Damit nicht noch mehr Personal zu anderen Kliniken wechsle, damit zudem neues Personal gewonnen werden könne, müsse Sana nun endlich handeln, sagt die Pflegekraft. Deswegen hat Verdi für Mittwoch und Donnerstag zum Warnstreik aufgerufen. Die Gewerkschaft fordert für die insgesamt rund 10.000 Beschäftigten im Sana-Konzerntarifvertrag monatlich 150 Euro sowie acht Prozent mehr Gehalt.

Der Notstand in deutschen Kliniken bestand schon vor der Corona-Pandemie – die Krise deckt die bereits jahrzehntelang bestehenden Probleme lediglich auf: Schichtarbeit, ständiges Einspringen und Verzicht auf Pausen bringen das Pflegepersonal an seine Grenzen. Eine neuer Tarifvertrag soll das ändern, doch Verdi beklagt, dass das Angebot des Konzerns, das auch für das Klinikum in Lichtenberg gelten soll, bisher weit hinter den Forderungen zurückbleibt.

Die Sana Kliniken AG schlägt eine steuerfreie Einmalzahlung in Höhe von 4500 Euro vor. Verdi kritisiert unter anderem, dass diese Summe mit dem gesetzlich festgeschriebenen Pflegebonus verrechnet werden soll. In einigen Sana-Kliniken bundesweit gab es in den vergangenen Tagen deshalb bereits Streiks: Nun startete die zweitägige Protestaktion in Berlin. 

Hebamme kümmert sich um sieben Frauen gleichzeitig

Sie startete mit einer Kundgebung. Danach setzte sich ein von lauten Bässen begleiteter Protestzug über die Frankfurter Allee in Bewegung. Das Personal, das wegen einer Notdienstvereinbarung im Klinikum arbeitete, jubelte den Kollegen aus den Fenstern zu. Auch Beschäftigte des benachbarten Oskar-Ziethen-Krankenhauses schlossen sich an.  Die Wut über die Probleme war deutlich zu spüren. Demonstrierende betonten, dass Applaus ihnen nichts nütze, denn davon ließen sich die Kosten des täglichen Lebens nicht begleichen, zumal die Preise aktuell stark steigen würden. Vergleichbare Kliniken in Berlin zahlten bessere Gehälter.

Ohne Pflegepersonal kann keine Klinik den täglichen Betrieb gewährleisten, argumentierten die Streikenden: Wenn zu wenig Personal zur Verfügung steht, können Patienten nicht fachgerecht gepflegt werden. Carola Borgwald ist Hebamme und aufgrund ihrer langjährigen Arbeit dort eng mit dem Klinikum verbunden. Der Fachkräftemangel sei auch in der Geburtshilfe zu spüren, sagt Borgwald. „Man hat nicht mehr die Möglichkeit, Frauen so zu betreuen, wie man es gerne würde.“ Deshalb würde eher der Normalzustand die Patienten gefährden als der heutige Streik. „Es kam schon vor, dass eine Hebamme sich um sechs, sieben Frauen gleichzeitig kümmern musste. Da geht man sehr unglücklich nach Hause“, sagt die Hebamme. Auch eine junge Assistenzärztin der Gynäkologie, Katharina Aschauer, ist beim Warnstreik dabei. Ihr ist es wichtig, zu betonen, dass das Problem alle in der Klinik betreffe. „Wir sind ja schließlich ein Team“, betont die 26-Jährige.

Am morgigen Donnerstag soll der Warnstreik weitergehen. Dann beginnt die nächste Runde der  Tarifverhandlungen. Eine Kundgebung soll die Delegation des Sana-Konzerns begrüßen. „Wir werden die Arbeitgeber vor dem Verdi-Haus gebührend empfangen“, kündigt Intensivpflegerin Sophia Köbele an.