Rund fünf Monate nach seiner Todesfahrt vom Breitscheidplatz soll der 29-jährige mutmaßliche Amokfahrer in eine psychiatrische Klinik eingewiesen werden. Wie Sebastian Büchner, Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, am Donnerstag mitteilte, sei gegen Gor H. beim Landgericht Berlin eine sogenannte Antragsschrift im Sicherungsverfahren eingereicht worden. Darin werden dem Mann Mord aus Heimtücke an einer 51-jährigen Frau und versuchter Mord in 16 Fällen vorgeworfen.
Gor H. soll am 8. Juni dieses Jahres gegen 10.30 Uhr das Auto seiner Schwester, einen silberfarbenen Renault Clio, vom Kurfürstendamm in Höhe des Breitscheidplatzes in Charlottenburg mit hoher Geschwindigkeit auf den Gehweg gelenkt haben und dort in eine Personengruppe gerast sein. „Ihm soll es darauf angekommen sein, diese Menschen erheblich zu verletzen“, sagt Büchner. Der mutmaßliche Täter habe dabei billigend in Kauf genommen, dass es auch Todesopfer geben könne.
Bei den Passanten handelte es sich um Schüler aus dem hessischen Bad Arolsen, die auf Klassenfahrt in Berlin waren. Die 51-jährige Lehrerin der Zehntklässler wurde von dem Fahrzeug mitgeschleift und tödlich verletzt, ihr Kollege und zwölf Schülerinnen und Schüler im Alter von 14 bis 17 Jahren erlitten zum Teil lebensgefährliche Verletzungen.
Gor H. habe daraufhin seine Fahrt mit überhöhter Geschwindigkeit in Richtung Wittenbergplatz fortgesetzt und ein anderes Fahrzeug touchiert. Weiterhin mit Tötungsvorsatz soll er dann auf den gegenüberliegenden Gehweg gerast sein, sagt Büchner. Zwei vor einem Imbiss stehende Männer und eine Frau, die im siebten Monat schwanger war, seien bei der Kollision mit dem Fahrzeug schwer verletzt worden.
Die rasante Fahrt des Mannes endete laut Staatsanwaltschaft erst an der Marburger Straße. Dort verlor Gor H. offenbar die Kontrolle über den Wagen, der in die Schaufensterscheibe der Parfümerie Douglas krachte und dort zum Stehen kam. Nach Angaben des Sprechers der Staatsanwaltschaft befindet sich der mutmaßliche Amokfahrer seit dem 9. Juni in einer psychiatrischen Klinik. Es sei nach der vorläufigen Einschätzung eines psychiatrischen Sachverständigen nicht ausgeschlossen, dass der Beschuldigte zum Zeitpunkt der Tat schuldunfähig gewesen sei.
Im Jahr 2005 soll Gor H. zusammen mit seiner Mutter und seiner drei Jahre älteren Schwester aus Armenien nach Deutschland gekommen sein, zehn Jahre später die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten haben. Er soll bereits als Heranwachsender erste Symptome einer psychischen Erkrankung gezeigt haben, weshalb er die Schule offenbar abgebrochen hat. Wenig später sei bei ihm eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert worden. Seit einigen Jahren stehe er wegen seiner psychischen Probleme unter Betreuung.

Bis zu seiner mutmaßlichen Amokfahrt lebte Gor H. noch im Haushalt seiner Mutter in Charlottenburg. Am Tattag war er wohl allein in der Wohnung, weil seine Mutter auf Reisen gewesen sein soll. Vermutlich hatte der 29-Jährige seine Medikamente nicht genommen und vor der Tat im Internet nach Zeitungsartikeln gesucht, die andere Verkehrsunfälle in Berlin, darunter die Amokfahrt auf der Berliner A 100, thematisierten.
Im Fall von Gor H. kommt laut Staatsanwaltschaft ein normales Strafverfahren nicht infrage. Sollte sich im Prozess vor einer Schwurgerichtskammer des Berliner Landgerichts bewahrheiten, dass Gor H. schuldunfähig war, könnte der mutmaßliche Amokfahrer strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden. „Die Staatsanwaltschaft strebt daher die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus an“, sagt Sebastian Büchner.
Erinnerungen an den Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt
Ein Aufenthalt ist in einem solchen Fall zeitlich nicht begrenzt. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft erklärt, dass das Gericht erstmals nach drei Jahren, dann nach sechs Jahren und ab diesem Zeitpunkt alle zwei Jahre entscheiden müsse, ob eine Unterbringung in der Psychiatrie weiterhin notwendig, der Patient noch gefährlich sei. Dieses Urteil werde auf Grundlage eines Sachverständigengutachtens getroffen, sagt Büchner. Ein Termin für das Sicherungsverfahren steht noch nicht fest.



