Ich muss zugeben, dass ich nur einen Bruchteil von der To-do-Liste abgearbeitet habe, die meine Kollegen mir mitgaben, um ihre Deutschland-Fantasien zu erfüllen. Ich wurde gebeten, die Autobahn auszuprobieren, in einen Techno-Club zu gehen, eine BMW-Autoshow zu besuchen und ein Spiel von Bayern München zu sehen – die Liste ist schier endlos.
Ich hatte mir vorgenommen, meine Komfortzone zu verlassen und einfach eine richtige Berlinerin zu sein, was auch immer das bedeuten mag. Dieses Versprechen, das muss ich zugeben, wurde aufgeregt und überstürzt abgelegt, als mein Flug in Gaborone, der Hauptstadt von Botswana, abhob und ich meinem Mutterland für acht Wochen Lebewohl sagte. Mein Pinterest-Profil über Berlin war voller Leben – ich wollte nicht in Buchläden oder Museen gehen. Ich wollte nichts tun, das ich gewohnt bin.
Natürlich brach ich dieses Gelübde am ersten Tag, als ich von der überwältigenden Schönheit des Berliner Doms überrascht wurde. Sofort habe ich nach Museen, Galerien, Ausstellungen und Flohmärkten gegoogelt – alles, was ich liebe – und habe dabei völlig vergessen, die Techno-Clubs zu besuchen, mir den Arm tätowieren zu lassen und Achterbahn zu fahren. Am Museumssonntag habe ich sogar kostenlos Museen besucht, für mich das reinste Glück. Ich habe eine Ausbildung in digitalem Film und Fernsehen, und all die theoretischen Konzepte, die ich in meinem Filmkurs gelernt habe, konnte ich in der Deutschen Kinemathek sehen.
In unserer ersten Woche machten wir eine kleine Stadtrundfahrt. Alles lief gut, bis ein Kollege von einer übereifrigen Dame am Brandenburger Tor eine verwelkte Rose in die Hand gedrückt bekam. Mein Kollege versuchte schüchtern, sie abzulehnen, bis er nachgab und ihr Geld hinhielt. Es war komisch und witzig, wie schnell sie aufgeregt und wütend wurde, nachdem sie vorher so nett gewesen war. Sie verfolgte uns bis zu unserem Hotel, wo ein anderer Kollege ihr mehr Geld gab. Sie schnappte das Geld und ihre Rose und lief schreiend und brüllend davon. Das nenne ich mal ein rosiges Willkommen in Berlin!
Spreche ich den Namen meiner Lehrerin richtig aus?
Wir begannen sofort mit dem Deutschunterricht, unsere Lehrerin hieß Birte. Ich fragte sie immer unsicher, ob ich ihren Namen richtig ausspreche, aber ich glaube, sie hatte sich daran gewöhnt, dass wir sie „Bitte“ nannten. Ich denke, sie hatte keine Ahnung, was auf sie zukommen würde, als man ihr sagte, dass sie vier Afrikaner unterrichten würde. Einer hatte Schwierigkeiten, das r auszusprechen, was auf Deutsch ein Teil der Silbe ist. Ihn zu hören, wie er „richtig“ sagt, war das Lustigste, das ich je gehört habe.
Dann gab es da noch mich, die sie dauernd unterbrach, um ihr zu sagen, dass jedes Wort wie Afrikaans klingt, und meinen anderen Klassenkameraden, der jede Frage, die ihm gestellt wurde, mit „so lala“ beantwortete, um keinen ganzen Satz sagen zu müssen. Dazu noch meine andere Kollegin, die versuchte, kreativ mit der Sprache umzugehen und dabei jeden Satz verhunzte. Birte hatte wirklich alle Hände voll zu tun, aber wir haben viel gelernt, und mit „viel“ meine ich: Alles hat ein Geschlecht.
Wir entdeckten sehr früh, dass das Fleisch hier ganz anders ist. Auf der Suche nach besserem Fleisch und afrikanischem Essen begaben wir uns auf Google-Suche, aber zu unserer Bestürzung fanden wir nichts, das unseren Vorstellungen entsprach. Unser Unterfangen schien aussichtslos. Wir waren alle sehr enttäuscht, aber meine ostafrikanischen Kollegen ließen sich nicht beirren und fanden innerhalb von einer Woche einen Laden, in dem sie ihren Ugali- und Fleischhunger stillen konnten. So sehr mich das Fleisch hier zwei Monate lang zum Vegetarier gemacht hat, das Brot, das Bier und die Oliven waren unglaublich.
Jetzt, wo ich wieder nach Hause fliege, bin ich sehr nervös, denn alle zehn Nichten und Neffen, dazu Freunde und Bekannte hoffen auf ein Geschenk aus Deutschland. Ich würde ja sagen, dass der „Euro Shop“ meine Rettung ist, wenn es darum geht, Souvenirs zu kaufen, aber die Wünsche meiner Freunde sind sehr spezifisch. Sie gehen über Adidas-Turnschuhe und Crocs bis hin zu fast allem, was Designer ist. Ich freue mich schon darauf, nach Botswana zurückzukehren und mir Kommentare über meine Gewichtszunahme anhören zu müssen, weil ich hier eine Sucht nach Brezeln entwickelt habe.
Mach’s gut, Deutschland, danke, dass du mir wärmere Tage schenkst, wenn ich gerade wieder nach Hause fliegen will! Wie ein sitzen gelassener Liebhaber denke ich, du tust es, um mich zu ärgern.


