Berlin-Mitte-Ein futuristischer Solitär im Hochhaus-Einerlei, ein kühnes Werk, das sich der Sozialismus gegönnt hatte: Das Ahornblatt an der Fischerinsel machte etwas her. Architektur von Weltklasse. Der Schöpfer des spektakulären Zackenbaus, Ulrich Müther, war einer der Pioniere des Schalenbetonbaus, dessen Entwürfe die DDR auch gern exportierte.

Vor zwanzig Jahren, am 21. Januar 2000 führte der Architekt zum letzten Mal durch sein Bauwerk. 1997 hatte die Oberfinanzdirektion Berlin mit Unterstützung vom damaligen Senator für Stadtentwicklung Peter Strieder und dem früheren Senatsbaudirektor Hans Stimmann, beide SPD, das Geländean einen Investor verkauft. An der Stelle entstand eine achtgeschossige Blockrandbebauung. Langeweile in Reihe.
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Wertschätzung in aller Welt
Müthers Zackenschalenbau hat grandiose Geschwister, zum Beispiel die Zeiss-Planetarien in Kuwait, Tripolis, Helsinki und Wolfsburg. Das letztgenannte Projekt wurde in den frühen 1980er-Jahren mit der Lieferung von 10.000 Exemplaren des VW Golf vergolten.
Von Architekten und Stadtplanern hört man heute gelegentlich, dass man heute solche Frevel wie den Abriss des Palastes der Republik oder des Ahornblattes nicht mehr begehen würde. Womöglich würde man heute stolz entdecken, dass sich in den großzügigen, hellen Räumen gut hätte moderne Kunst präsentieren lassen. Doch das ist vergossene Milch.

Das Ahornblatt bildete das Zentrum des 1970 bis 1973 errichteten neuen Wohnviertels mit fünf Hochhäusern und zwei Doppelhochhäusern. In unmittelbarer Nähe führt die Gertraudenbrücke über den Spreekanal auf die Spreeinsel.
Bereits vor 1200 war das Gebiet besiedelt und gehörte bis 1709 zur Stadt Cölln. Für die Neubauten wurden die Reste der bis zum Zweiten Weltkrieg bewahrten Altstadt samt ihres mittelalterlich-malerischen Flairs abgerissen (1967 bis 1971).

Die Wohnungenauf der Fischerinsel waren beliebt, wer in den 1970er- und 1980er-Jahren dort einziehen durfte, galt als privilegiert. Kein Wunder, dass die Einwohner zum 1. Mai ordentlich flaggten.
Unter der weiten Schale des Ahornblattes brachten die DDR-Planer eine Selbstbedienungsgaststätte mit 880 Plätzen unter, die zu ihren besten Zeiten täglich bis zu 5.000 Mahlzeiten ausgab – an die Schüler der umliegenden Schulen, Ministeriumsmitarbeiter sowie die Bauleute des Palastes der Republik.

Nachmittags und abends wurde die Halle als öffentliche Gaststätte und für Veranstaltungen genutzt. Mit der Wende kam das Ende der Massenspeisung. Ein Zwischenspiel als Disco - ein Urvater des Techno, DJ Tanith, betrieb hier den Club Exit - blieb kurz.
Die Proteste gegen die Tilgung eines Exempels der DDR-Moderne waren vehement. Auch die Berliner Architektenkammer widersprach massiv. Dessen ungeachtet erhielt der Investor eine Abrissgenehmigung für das Ahornblatt. Auch die Denkmalschutzbehörde fügte sich mit der Begründung, es gebe kein Nutzungskonzept und stimmte dem Abriss zu.