Flüchtlingskrise

Ukrainische Flüchtlingskinder: Erste Willkommensklassen starten in Berlin

Die Hilfsbereitschaft an den Schulen ist groß: Die Eröffnung von rund 250 neuen Willkommensklassen ist in Planung.

Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine kommen am Berliner Hauptbahnhof an: Im Vordergrund ein schulpflichtiges Mädchen.
Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine kommen am Berliner Hauptbahnhof an: Im Vordergrund ein schulpflichtiges Mädchen.www.imago-images.de

Im Moment ist die Lage an den Berliner Schulen sehr dynamisch. Viele haben bereits ganz unbürokratisch ukrainische Schüler in ihre Regelklassen aufgenommen. Weil die Familien ihrer deutschsprachigen Schüler geflüchtete Familien bei sich beherbergen und die Schulleitungen spontan anriefen, ob die Neuankömmlinge nicht einfach mitkommen könnten. Auch die ersten neuen Willkommensklassen sind schon gestartet oder starten in der nächsten Woche.

Am Canisius-Kolleg zum Beispiel soll schon Montag oder Dienstag eine neue Willkommensklasse eröffnet werden, eine weitere ist in Planung. Das sagte der Rektor Marco Mohr der Berliner Zeitung. „Wir haben schon ein Lehrertandem einstellen können, einen Lehrer mit Deutsch als Muttersprache und eine Lehrerin mit Ukrainisch als Muttersprache. Außerdem gibt es eine überwältigende Hilfsbereitschaft in der bereits eingesessenen ukrainischen Community in Berlin. Wir hoffen, dass wir durch ihre Vermittlung noch zwei weitere Sprachassistenten für den Unterricht gewinnen können.“

Die ukrainische Lehrerin sei ebenfalls durch einen persönlichen Kontakt zur Schule gestoßen, so Mohr. Er sei überrascht gewesen, dass einige der ukrainischen Schüler schon sehr gut Deutsch sprachen, etwa auf dem Niveau B1. Bei diesen Schülern gibt es wohl die Überlegung, dass man sie einfach in den Regelklassen weiterlernen lässt und sogar versucht, sie noch zu den anstehenden MSA-Prüfungen anzumelden.

Im Bildungsausschuss, der Donnerstagnachmittag im Abgeordnetenhaus tagte, wurde heftig über das Thema Willkommensklassen – und über die Äußerungen der ukrainischen Generalkonsulin diskutiert. Der Tenor war, dass man beides versuchen sollte: Die Integration und den deutschen Spracherwerb zu leisten – sowie den herkunftssprachlichen Unterricht beziehungsweise die mögliche Anschlussfähigkeit an die ukrainischen Prüfungen im Sommer.

Da sich viele Flüchtlinge noch nicht registriert haben, verfügt die Bildungsverwaltung bislang nicht über valide Zahlen. Staatssekretär Alexander Slotty sagte jedoch, man würde im Moment davon ausgehen, dass bis zu 15.000 ukrainische Flüchtlingskinder in Berlin ankommen, die Kitas und Schulen brauchen. Gleich am ersten Kriegstag hätte man deshalb in der Bildungsverwaltung eine „Taskforce Ukraine“ eingerichtet, die von Staatssekretär Aziz Boskurt geleitet werde. „Wir versuchen, Herr der Lage zu werden. Aber Sie werden verstehen: Auf eine Situation, in der von 180.000 Flüchtlingen 150.000 in Berlin bleiben, könne man sich schlicht nicht vorbereiten.“

In den bereits bestehenden Willkommensklassen habe man kurzfristig Plätze auftun können, 2000 Plätze in den allgemeinbildenden Schulen und 750 in den beruflichen. Auch bemühe man sich sehr, freie Träger einzubinden, müsse dafür allerdings noch eine Rechtsgrundlage schaffen. Nach jetzigem Stand können insgesamt 102 Willkommensklassen an Grundschulen und 45 Willkommensklassen an Schulen der Sekundarstufe I eingerichtet werden. An den Oberstufenzentren stehen Kapazitäten für 57 Willkommensklassen an öffentlichen Schulen und für 47 Lerngruppen an Schulen in freier Trägerschaft zur Verfügung.

„Hier wird zunächst, soweit möglich, auf Bestandslehrkräfte oder auf Bewerbungen zurückgegriffen. Eine weitere Ausschreibung für Lehrkräfte ist bereits erfolgt. Darüber hinaus werden bereits viele Geflüchtete mit Deutschkenntnissen in Regelklassen beschult. Auch Willkommensklassenschüler sollen möglichst schnell zunächst teilintegriert werden, um dann ganz in die Regelklassen zu wechseln“, sagte Senatorin Busse.

Bei der Senatsbildungsverwaltung melden sich ukrainische Lehrkräfte direkt bei den für Personalfragen zuständigen Stellen sowie über ein Funktionspostfach des Fachbereichs für den herkunftssprachlichen Unterricht. Sofern diese Lehrkräfte Deutsch als studiertes Unterrichtsfach mitbringen, will man sie möglichst in einer Willkommensklasse in der Nähe der aktuellen Unterkunft anstellen. Über das Funktionspostfach haben sich für den Bereich Schule bereits über 100 ukrainische Lehrkräfte beworben. Für den Jugendbereich, besonders für ergänzende Betreuungs- und Förderangebote soll es bald eine digitale Bewerbungsmöglichkeit geben.

Staatssekretär Aziz Boskurt lobte die Arbeit der mobilen Teams des Kinderschutzes, die rund um die Uhr am Hauptbahnhof im Einsatz seien, um Familien zu versorgen und zu prüfen, ob Kinder ohne Eltern angereist seien. Insgesamt 155 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge habe man schon in landeseigenen Institutionen unterbringen können und noch einmal 61 im privaten Rahmen. Außerdem sei man dabei, Informationsmaterialien über das Berliner Bildungssystem, über den Kita- und Schulbesuch auf Ukrainisch zu übersetzen.