Berlin-Als die Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) neulich ankündigte, dass im nächsten Schuljahr in Berlin rund 1000 Lehrerstellen frei bleiben werden und es in der Folge auch zu Stundenkürzungen kommen werde, hatte sie zugleich angekündigt, dass bei der Stundentafel nicht gekürzt werden solle – also bei der Anzahl der Pflichtstunden in Deutsch, Mathe, Englisch ... Stattdessen sollten die Schulen sich selbst überlegen, ob sie im Bereich der Profilstunden oder bei der Sprachförderung Angebote streichen.
Mit dieser Ankündigung hat Busse eine intensive Diskussion in der Berliner Schullandschaft ausgelöst. Philipp Dehne, der „Schule muss anders“ initiiert hat und bei den Linken engagiert ist, findet es in dieser Mangelsituation besser, an der Stundentafel zu kürzen statt bei den Förderstunden. „Ich wünsche mir in dieser Stadt eine ernsthafte Debatte darüber, ob in der jetzigen Situation nicht weniger mehr ist? Weniger Pflichtstunden, mehr Förderung. Weniger Pflichtstunden, dafür mehr Zeit für jeden einzelnen Schüler,“ sagte Dehne der Berliner Zeitung.
Arnd Niedermöller von der Vereinigung der Oberstudiendirektoren sagte jedoch, für ihn sei eine berlinweite Kürzung bei der Stundentafel „eine Bankrotterklärung! Nach der Corona-Zeit können wir uns das nicht leisten, unseren Schülern weniger Unterricht anzubieten.“ Außerdem stellte Niedermöller die steile These auf: „Berlin hat genug Lehrer, sie sind nur ungeschickt verteilt!“ Damit spielte er auf die zahlreichen Lehrer an, die aktuell nicht in den Schulen arbeiten, sondern für andere Tätigkeiten freigestellt und abgeordnet sind – sei es beim Landesinstitut für Schule und Medien, bei der regionalen Fortbildung, bei „Grün macht Schule“ und ähnlichen Projekten.
Niedermöller sprach außerdem von einem rätselhaften Widerspruch, der sich nicht auflösen lasse: Wie könne das sein, dass die Berliner Gymnasien mit 28 Schülern die höchsten Klassenfrequenzen hätten im Bundesländervergleich – und dass zugleich die Schüler-Lehrer-Relation in der Sekundarstufe 1 so gut sei wie in keinem anderen Bundesland?
Wie die bildungspolitische Sprecherin der CDU Katharina Günther-Wünsch forderte auch Niedermöller, dass die Bildungsverwaltung sich einen genauen Überblick verschaffen und genau prüfen müsse, ob die Lehrer in diesen Abordnungen wirklich unersetzlich seien und ob sie im Inneren der Schulen nicht nützlichere Arbeit machen könnten.
Die Grünen beschreiten hier neue, kreative Wege
Stefan Witzke, der die Berliner Grundschulleitungen vertritt, fand: „Das ist ganz simpel: Wir müssen an die Stundentafel ran! Und wir müssen den Einzelschulen eigenverantwortlich die Möglichkeit geben zu entscheiden, wo sie kürzen.“ Denn die wüssten nun mal am besten, wo sie Stärken und Schwachpunkte haben, und wie sie diese kompensieren könnten. Bei den Hauptfächern dürfe man nicht stark kürzen, aber auch das dürfte nicht tabu sein. Umgekehrt sollten nicht immer die Sport- und Bewegungsstunden als Erstes wegfallen, denn in der Corona-Zeit habe man ja gesehen, wie dringend die Schüler Sport und Bewegung brauchen.
Die Grünen versuchen hier, neue und kreative Wege zu beschreiten. Louis Krüger, ein bildungspolitischer Sprecher der Partei sagte, man wolle mehr auf außerschulische Lernorte setzen und auf die Zusammenarbeit mit freien Trägern. In den letzten Tagen habe er erste Gespräche geführt mit Waldschulen, Sportvereinen, Museumspädagogen, um herauszufinden, ob die den normalen Unterricht ergänzen und ersetzen könnten. Auch Demokratieförderprojekte und Creative-Writing-Kurse könnten Teile vom Geschichts- und Deutschunterricht substituieren. Schulleitungen und Schülervertretungen waren von dem Vorstoß, Schule auf diese Weise neu zu denken, begeistert – auch wenn man dann in bestimmten Fächern zeitweise auf die Notengebung verzichten müsse.



