Kommentar

In diesen schwierigen Zeiten bei den Schulen sparen? Niemals!

Wie oft haben wir diese Leier gehört: Die Bildung unserer Kinder habe absolute Priorität. Doch warum wird dann um 136 Millionen Euro beim Berliner Schulbau gekürzt?

Im Bereich der Schulbauoffensive kürzt Berlin rund 300 Millionen Euro. Schadow-Gymnasium, Zehlendorf
Im Bereich der Schulbauoffensive kürzt Berlin rund 300 Millionen Euro. Schadow-Gymnasium, Zehlendorfmarkus wächter / waechter

In den vergangenen zwei Jahren haben Politiker immer wieder gesagt, die Bildung unserer Kinder habe jetzt absolute Priorität. Und immer wieder waren das nur Lippenbekenntnisse, die mit der Realität wenig bis nichts zu tun hatten. Damit, dass Kinder für Monate in einen zweiten Lockdown geschickt wurden. Damit, dass sie länger Maske tragen mussten als alle anderen Mitglieder der Gesellschaft. Nun sollen die Kürzungen im Berliner Haushalt wieder auf Kosten der Schulen gehen – und auf Kosten unserer Kinder.

Nach den unglaublichen Strapazen, die Familien und Kinder sowie die Mitarbeiter von Schulen und Kitas seit Anfang der Corona-Krise durchlitten haben, müsste eines wirklich im politischen Bewusstsein angekommen sein: An der Bildung, am Wohlergehen unserer Kinder, an den Lebenschancen der nächsten Generation darf nicht gespart werden.

Die geplanten Schulbauten so schnell wie möglich realisieren

Wir haben gesehen, wie sehr die Kinder und Jugendlichen Schaden genommen haben – und diese Schäden sind noch lange nicht behoben. Denn die Maßnahmen, die sie beheben sollten, funktionieren nicht. Möglich, dass die 25 schwächsten Prozent von ihnen vielleicht sogar lebenslänglich an den Corona-Folgen zu knapsen haben. Diese Schülerinnen und Schüler, die oft aus armen Verhältnissen stammen, aus Familien mit Migrationshintergrund, treten jetzt in eine Art sozialer Konkurrenz zu den ukrainischen Flüchtlingskindern, die ebenfalls an unseren überfüllten Kindergärten und Schulen Plätze brauchen – und darauf hoffen müssen, dass es dort Lehrer und Erzieher gibt, die sich ihnen besonders zuwenden.

Es ist kein Geheimnis, dass es Berlin an Lehrern und Erziehern mangelt, an Kita- und Schulplätzen. Durch die Flüchtlingskrise wird sich dieser Mangel extrem verschärfen. Deshalb brauchen wir dringend mehr Geld für den Kita- und Schul-Ausbau. Und deshalb müssen alle Projekte, die seit Jahren im Rahmen der Schulbauoffensive geplant wurden, jetzt schnellstmöglich umgesetzt werden. Erstens, weil es für die gute Versorgung der Kinder geboten ist. Und zweitens, weil die Baupreise galoppieren – und weil die Regel gilt: Je früher und rascher die Stadt jetzt baut, desto mehr kann sie langfristig sparen.

300 oder 136 Millionen? In der aktuellen Situation ist jede Kürzung ein Fehler

Am Mittwoch berichteten wir, dass der aktuelle Haushaltsentwurf 2022/2023 vorsieht, im Bereich der Schulbauoffensive rund 300 Millionen Euro zu kürzen. Auf diese Kürzungen hatte der CDU-Stadtrat Torsten Kühne hingewiesen, der ein ausgewiesener Kenner der Offensive ist. Ein Sprecher der Finanzverwaltung teilte der Berliner Zeitung dann mit, dass es sich dabei nicht um Kürzungen im eigentlichen Sinne des Wortes handele. Und dass die Summe längst nicht so groß sei, wie von Herrn Kühne angenommen. Insgesamt liege der aktuelle Ansatz rund 136 Millionen Euro unter dem Investitionsprogramm, hieß es.

Gesprächspartner, die sich seit Jahren mit der Materie, also dem Zusammenhang zwischen Haushalt und Schulbauoffensive, beschäftigen, versicherten mehrfach: Ja, die Sache sei sehr komplex. Wahrscheinlich ist sie von ungesunder Komplexität, wenn selbst die Experten kaum noch durchsteigen – und es kaum möglich ist, für die Öffentlichkeit Transparenz herzustellen.

Eilt: das Engagement des Parlaments für die nächste Generation

Der Sprecher der Finanzverwaltung verwies auf die „Verpflichtungsermächtigungen“ – eine Art Versprechen der Finanzverwaltung, die nötigen Gelder für die Schulbauoffensive bereitzuhalten –, nur eben nicht 2022 und 2023, sondern erst später. „Eine Verpflichtungsermächtigung ist besser als nichts, aber schlechter als ein Haushaltsansatz“, sagt Mark Rackles, der sich bei der Schulbauoffensive in Mitte engagiert. „Der neue Haushaltsansatz ist eine deutliche Kürzung – und diese Kürzung führt zu einem geringeren Spielraum bei den dringend notwendigen Baumaßnahmen.“

Die entscheidende Frage ist, ob alle Schulen, die jetzt gebaut werden können, auch tatsächlich finanziert werden – oder ob die Sache mit den Verpflichtungsermächtigungen doch auf eine Verschiebung, Streckung oder Verminderung der Bautätigkeit hinausläuft. Darum wird wohl hinter den Kulissen noch heftig gerungen. Im Mai ist die zweite Lesung des Haushalts im Abgeordnetenhaus, bevor dieser dann Ende Juni verabschiedet wird. Eine fantastische Chance für die zuständigen Senatoren und für alle Berliner Parlamentarier, sich für die Lebenschancen der nächsten Generation zu engagieren!