Bildung

Berlins Bildungssenatorin: „In einem halben Jahr sprecht ihr perfekt Deutsch!“

Astrid-Sabine Busse besucht die neuen Willkommensklassen an der Hans-Böckler-Schule in Kreuzberg.

Die Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (r. v.) besucht die Willkommensklasse im Oberstufenzentrum Hans-Böckler.
Die Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (r. v.) besucht die Willkommensklasse im Oberstufenzentrum Hans-Böckler.Jörg Carsten/dpa

Im Hof der Hans-Böckler-Schule in Kreuzberg parkt eine schwarze Limousine, die in der Frühlingssonne glänzt. Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse besucht in dem Oberstufenzentrum eine der beiden neu geschaffenen Willkommensklassen. Seit Montag dieser Woche werden dort zwölf ukrainische Jugendliche unterrichtet.

Busse, vor ihrem Job als Senatorin selbst Lehrerin, fragt erst mal alle Schülerinnen und Schüler, wie sie heißen, aus welcher Stadt sie geflohen sind und in wessen Begleitung. „Wie geht es dir?“, fragt sie einen Jungen mit schwarzem Haar. „Gut“, sagt der Junge auf Russisch. „Aber ich wäre jetzt lieber zu Hause.“ – „Das verstehe ich“, sagt die Senatorin. „Aber wir werden uns bemühen, dass du dich wohlfühlst, solange du hier bist.“

Ein Junge möchte in Berlin bleiben, der andere zurückgehen in die Ukraine

Hinter dem Jungen, der Alexander heißt, sitzt noch ein anderer Junge, der Alexander heißt. „Alexander ist ja auch ein besonders schöner Name“, sagt die Senatorin zugewandt und freut sich, dass Alexander Donchenko schon etwas Deutsch spricht. So kann man sich ohne die Hilfe der Übersetzerin unterhalten und erfahren, dass er 16 Jahre alt und vor sechs Wochen aus Kiew nach Berlin gekommen ist. In Kiew besuchte er die elfte Klasse, in einem privaten Kurs lernte er die Grundlagen der deutschen Sprache. Er möchte in Berlin bleiben, das weiß er schon. „Mir gefällt es hier“, sagt er und seine Augen leuchten kurz auf. Seine Schwester ist schon vor zwei Jahren nach Berlin gekommen und hat Arbeit gefunden in einer Firma, die Motorroller verkauft. Alexander und seine Mutter leben bei ihr, in einer kleinen Wohnung am Ostbahnhof. Seine Mutter möchte eigentlich wieder zurück nach Kiew. Der Vater ist schließlich auch dort, im Moment als Soldat. Als die Rede auf ihn kommt, erlischt das Leuchten in seinen Augen und bis zur nächsten Frage schaut er sehr ernst.

Interessiert er sich denn auch für Konstruktionstechnik und Metallbau, die Spezialitäten der beruflichen Schule, die er seit kurzem besucht? Das weiß er noch nicht. Er möchte jetzt erst einmal gut Deutsch lernen, dann weitersehen. Die Hans-Böckler-Schule versteht sich als ein „Kompetenzzentrum“ für Willkommensschüler – inzwischen gibt es acht Klassen, darunter zwei Alphabetisierungsklassen, in der die Schüler mit der lateinischen Schrift vertraut gemacht werden, das Lesen und Schreiben erlernen. „Die meisten Schüler bleiben zwei Jahre in der Alphabetisierungsklasse und ein Jahr in der normalen Willkommensklasse,“ sagt die Schulleiterin Karen Seypt. „Dort lernen sie nicht nur die deutsche Sprache, sondern werden auch in einem kleinen Fächerkanon unterrichtet: in Mathe, Englisch und Sport.“

Die Lehrerin der Willkommensklasse hat in Russland studiert

Die neue Willkommensklasse wird von zwei Frauen im Tandem unterrichtet – einer Lehrerin, die aus Bayern nach Berlin kam und einer, die in Russland deutsche Sprache und Literatur studiert hat. Sie heißt Ekaterina Heuer und erzählt, dass ihr deutscher Mann nicht Russisch lernen wollte und sie deshalb beschlossen haben, nach Deutschland zu ziehen. In Berlin hat sie sich ihre russischen Studienabschlüsse anerkennen lassen, ein zweites Fach nachstudiert und das Referendariat gemacht. Nun arbeitet sie seit 2016 als Willkommensklassenlehrerin in Kreuzberg. Von den neuen ukrainischen Schülerinnen ist sie begeistert. „Sie sind sehr aufmerksam und zielstrebig. Und ich denke, wir werden schnell vorankommen.“ - "In einem halben Jahr sprecht ihr dann alle perfekt Deutsch," rief Senatorin Busse aufmunternd.

Die Hans-Böckler-Schule bietet verschiedene Bildungsgänge an, die eine hohe Durchlässigkeit ermöglichen: Es gibt eine Fachoberschule, Berufsvorbereitungs-Lehrgänge, Integrierte Berufsvorbereitung (IBA), eine Vollschulische Ausbildung für Fachkräfte in Metalltechnik sowie eine Berufsschule für die duale Ausbildung von fünf verschiedenen Ausbildungsberufen. Außerdem ist hier die größte Lehrschmiede Europas. Heute ist der sogenannte „Girl’s Day“ – „denn auch Mädchen sollen lernen, dass man noch etwas anderes feilen kann als die eigenen Fingernägel“. So sagt es die Schulleiterin mit einem kleinen Augenzwinkern. Und deshalb stehen heute Greta und Marilou am Amboss und schlagen mit ihren schweren Hämmern zaghaft auf eine Stange aus glühendem Metall. Auch die Senatorin wird eingeladen, den Hammer zu schwingen. Gemeinsam mit dem Lehrer Frank Stiehler schmiedet sie einen großen Nagel.

Die Bildungssenatorin in der Lehrschmiede: Gemeinsam mit dem Lehrer Frank Stiehler macht sie einen Nagel mit Kopf.
Die Bildungssenatorin in der Lehrschmiede: Gemeinsam mit dem Lehrer Frank Stiehler macht sie einen Nagel mit Kopf.Jörg Carstensen/dpa

In einer anderen Werkstatt sitzen zwei Mädchen mit blauen Arbeitsjacken und biegen ein Stück Metall. Ihr Traum ist es, nach der abgeschlossenen Ausbildung Maschinenbau zu studieren. Neben ihnen steht Wisam Ataya, sein Deutsch ist flüssig und gut. Wisam ist 2015 aus Syrien geflohen, dort hat er die neunte Klasse besucht und nur mit arabischen Schriftzeichen geschrieben. Deshalb hat er in Berlin zunächst die Alphabetisierungsklasse besucht und lässt sich nun zur Fachkraft in Metalltechnik ausbilden. Wenn er fertig ist, möchte er möglichst schnell eine Arbeit finden. Für das Foto legt er seine durchsichtige Schutzbrille zur Seite und lächelt freundlich.

Wisam Ataya, ehemaliger Willkommensschüler aus Syrien, bald Fachkraft in Metalltechnik
Wisam Ataya, ehemaliger Willkommensschüler aus Syrien, bald Fachkraft in MetalltechnikEva Corino