Garzeit

Wie man in Zeiten der Energiekrise kocht, lehrt die Vergangenheit

Während der Berlin-Blockade drehten die Sowjets Westberlin den Strom ab. Geheizt werden konnte im Winter 1948/49 gar nicht, zum Kochen gab es die Kochkiste.

Frauen bereiten 1948 an einem Tisch Mahlzeiten zu. 
Frauen bereiten 1948 an einem Tisch Mahlzeiten zu. dpa/Georg Göbel

Eine ältere Nachbarin erzählte mir in unserem Neuköllner Mietshaus vor ein paar Jahren von der Kochkiste, mit der sie während der Berlin-Blockade das Essen zu Ende gegart hätte. Es klang wie eine Geschichte aus einer dunklen, lange zurückliegenden Vergangenheit. Genau wie die Geschichten meiner Mutter, die davon handelten, dass sie als Kind mit der ganzen Familie im Wald Bucheckern suchte, um daraus Öl zu gewinnen, und von dem einzigen geheizten Raum des Hauses: der Küche. Es waren Geschichten, die einem bei dem Gedanken daran, wie klein Bucheckern sind und wie angenehm die geheizte Wohnung und der jederzeit laufende Herd, einen wohligen Schauer über den Rücken jagten.

An die Kochkiste muss ich in diesen Tagen wieder denken, ja ich erwäge in der Energiekrise die Anschaffung einer solchen. Die Kiste ist ein wärmedämmendes Behältnis, in das man einen Topf mit einer bereits erhitzten Speise stellt, sodass diese ohne Energiezufuhr zu Ende garen kann. Die Nachbarin erzählte, dass sie ihre Kiste grundsätzlich auch noch ins Bett unter eine Federdecke steckte.

Strom für Privathaushalte in Westberlin gab es am Tag nur für vier Stunden

Während der Berlin-Blockade mangelte es Westberlin an Energie. In der Nacht vom 23. auf den 24. Juni 1948 schalteten die Sowjets das Kraftwerk Golpa-Zschornewitz ab. Es lag etwa 140 Kilometer südwestlich von Berlin und hatte die Stadt mit Strom versorgt. Auch aus anderen Kraftwerken unter sowjetischer Kontrolle wurde kein beziehungsweise kaum Strom geliefert. Die Blockade der Zufahrtswege nach Westberlin ab dem 24. Juni verhinderte zudem die Versorgung mit Kohle, sodass weder die Kraftwerke in den Westsektoren Berlins noch die Bevölkerung ausreichend beliefert werden konnten.

In diesem Winter konnte in Berlin praktisch niemand heizen, Strom war für Privathaushalte am Tag nur zwischen 16 und 18 Uhr sowie in der Nacht zwischen 3 und 5 Uhr verfügbar. Diesen Zeitraum musste man nutzen, um sein Essen so aufzuheizen, dass es anschließend in der Kochkiste fertiggaren konnte. Die zwei, drei Stunden am Tag, die Berlins Oberbürgermeisterin Franziska Giffey den Strom abzustellen für möglich hält, erscheinen angesichts dessen verschmerzbar.

Dass die Vergangenheit vergangen ist, darauf kann man sich nie verlassen – auch wenn die Kochkiste heute Thermobox heißt und aus Styropor ist – und nicht eine mit Stroh ausgekleidete Holzkiste.