Sex & Liebe

Vom Analriss bis Erektionsstörung: Sex auf Drogen kann geil sein, muss aber nicht

Von MDMA bis Ketamin: Drogensex gilt als ultimativer Kick. Unsere Autorin hat so gut wie alles ausprobiert. Und dabei nicht immer nur gute Erfahrungen gemacht

Andrea Iris für Berliner Zeitung

Sex ist eine Droge. Ich denke, da sind wir uns alle einig. Aber was, wenn der Rausch sich verdoppelt: Sex auf Drogen verspricht absolute Ekstase – oder etwa nicht? Zumindest war das meine Annahme, als ich anfing, mit Drogen im Bett zu experimentieren. Die meisten hatten schon mal Sex auf Alkohol, der wohl bekanntesten und deutschlandweit beliebtesten Droge. Die Geschichten davon strotzen jedoch eher selten vor Leidenschaft und Höhepunkten. Dafür enthalten sie das ein oder andere Missgeschick. Sowie Unannehmlichkeiten, die von plötzlicher Übelkeit bis zu Erektionsproblemen und vergessener Verhütung reichen.

Viele, mich eingeschlossen, bereuen die eine oder andere alkoholgeschwängerte intime Begegnung. Denn Intimität erfordert Klarheit und die Bereitschaft, sich hinzugeben, sich zu öffnen. Warum ich so denke, das liegt an meinen persönlichen Erlebnissen, die mir berauscht wie unberauscht im Bett widerfahren sind.

Dass die Realität oft anders aussieht als die Vision von drogengeschwängertem Sex, habe ich selbst über die Jahre erfahren. Ich war neugierig und habe mich im geeigneten Setting mit vertrauten Personen substanztechnisch vielseitig fortgebildet. Egal, ob Psychedelika, Downer, Dissoziativa oder Upper – es war alles dabei.

Sex auf Substanzen kann geil sein, muss aber nicht

Am Ende überwog immer die Erkenntnis, dass substanzgeschwängerter Sex zwar geil sein kann, aber eben nicht immer so geil wie erhofft. Natürlich habe ich besondere körperliche Verbundenheit in Form von körperlichem Verschmelzen auf Ketamin und MDMA erlebt. Natürlich hatte ich lange andauernden Sex auf Kokain, der letztlich eher an einen Penetrations-Wettkampf erinnerte. Die blauen Flecken am nächsten Tag übrigens auch. Berührungen werden und wirken dabei meist extrem zart – oder eben besonders grob. Das Feingefühl geht jedenfalls an einigen Stellen verloren.

Entgegen der Erwartung, vor Lust förmlich zu explodieren, verhalf mir der Rausch eher selten zum Orgasmus. Dafür aber zur totalen Erschöpfung meiner Spielgefährten und mir selbst. Die anfängliche Lustwelle, die mich überrollte, verebbte meist schnell und wich einem dezenten Taubheitsgefühl, das stark genug war, mich nicht kommen zu lassen.

Letzteres höre ich auch von anderen immer wieder: ursprüngliche Neugierde und Euphorie beim Sex werden durch Drogen eher verstärkt, aber im Laufe der Zeit durch ernüchternde Sex-Erfahrungen vermindert. Viele Drogen-Sex-Abenteuer endeten an dem Punkt, wo mindestens einer Partei bewusst wurde, dass sie gar nicht in der Lage ist, den Sex zu haben, den sie sich in ihrer Fantasie zuvor sehnsüchtig ausgemalt hatte. Drogen versprechen Glück. Aber chemisches Glück kann echtes Glück eben nicht ersetzen – ebenso wenig wie Intimität und Leidenschaft. Am Ende waren sich die meisten einig: sober sex ist unerreichbar.

Abschalten funktioniert auf Drogen leider zu gut

Ich kann mich zum Beispiel noch an einen Dreier erinnern, wo es dazu kam, dass er ein Tütchen auspackte und mit etwas MDMA noch mehr Liebe ins Spiel bringen wollte. Letztlich wurden daraus plötzliche Erektionsprobleme und fehlender Fokus bei allen Beteiligten. Ich war im wahrsten Sinne des Wortes weg, auf einem völlig anderen Stern und wenig präsent. Intimität stelle ich mir anders vor. Aber die muss bei solchen Erfahrungen vielleicht auch nicht an erster Stelle stehen.

Versteht mich nicht falsch: Die Dosis macht das Gift. Wenn ich mal ein Bier trinke oder einen Joint rauche, um in Stimmung zu kommen, etwa weil mein Tag so stressig war und es mir in dem Moment leichter fällt abzuschalten, dann ist das kein substanzgeschwängerter Sex. Zumindest ist es nicht das, wovon ich rede. Aber bewusstseinsverändernde oder -erweiternde Substanzen wie Ketamin, MDMA, LSD oder Kokain haben doch einen maßgeblichen Einfluss auf das Erlebnis.

Auch wenn gewisse Substanzen für Sexualpraktiken wie Analverkehr dienlich sein können, darf man ihre Wirkung nicht unterschätzen. Man kann eben nicht nur den positiven Effekt haben, sondern schluckt immer auch das ganze Wirkpotenzial der Pille. Ich weiß noch, wie ich bei Sex auf LSD einmal die pure, reine Verbundenheit mit meinem Partner genossen habe, im nächsten Moment aber lachen musste wie ein Kind, weil die Proportionen seines Körpers sich plötzlich so unnatürlich verzerrten. Das war witzig, führte aber auch dazu, dass wir immer wieder von vorne anfingen, weil er oder ich einfach buchstäblich vergaßen, dass wir eigentlich gerade dabei waren, miteinander zu schlafen. Ketamin macht zugänglich, alle negativen Emotionen werden unterdrückt, alle Gedanken ausgeschaltet, und: Es macht taub.

Andrea Iris für Berliner Zeitung

Reiner (und gewollter) Kontrollverlust

Gefährlich wird es, wenn körperliche Grenzen im Rausch überschritten werden, weil Warnsignale schlicht überhört oder vor lauter drogeninduzierter Taubheit gar nicht mehr wahrgenommen werden. Schließmuskelriss aka Analfissur ist hier das Stichwort – mir persönlich ist das zum Glück noch nicht passiert.

Oder, noch schlimmer: wenn der Konsens verloren geht, etwa weil einer der Beteiligten sich nicht mehr artikulieren oder reagieren kann. Die Erfahrung musste ich ebenfalls noch nie machen. Aber es gab durchaus Momente, in denen mir im Nachhinein bewusst wurde, wie wichtig es doch war, dass ich einen vertrauen Menschen bei mir hatte. Denn wirklich für mich einstehen – geschweige denn das Geschehene wirklich verstehen – konnte ich ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr.

Wer es noch nicht verstanden haben sollte: Dieser Text ist keine Substanzempfehlung für die nächste sexy Auszeit. Viele probieren Drogen, doch nur wenige reden wirklich darüber. Es ist eine Erfahrung, die man machen kann, aber nicht machen muss. Dinge sind interessanter, solange sie verboten sind. Aber in erster Linie sollte man sich fragen, welche persönlichen Grenzen man sich high überhaupt zu überschreiten erhofft. Und vielleicht auch, warum das nüchtern nicht möglich scheint.