Ein Mädchen läuft im Winter allein eine windige Chaussee entlang – als Retter braust Horst Krause herbei, wie immer mit seinem schweren Motorrad und dem Helm aus den 60er-Jahren. Der frühere Dorfpolizist bringt die durchgefrorene Ausreißerin in den Gasthof nach Schönhorst – der Heimstatt für alle Gestrandeten. Ein warmer Kakao taut das Mädchen auf.
So ähnlich begann vor 15 Jahren der erste Teil der Horst-Krause-Reihe. Damals gaben Krause und seine Schwestern einer Mutter mit Kind kurz vor Weihnachten Obdach in ihrem Gasthof. Als „Krauses Fest“ anno 2007 lief, war Horst Krause noch als Dorfpolizist die Konstante im Brandenburger „Polizeiruf“ – damals mit Imogen Kogge als Kommissarin Herz, später mit Maria Simon als Kommissarin Lenski. Deren Umzug an die deutsch-polnische Grenze machte er nicht mehr mit, konzentrierte sich ganz auf seine Rolle im „Spin-off“ in Schönhorst.
Vom Polizisten zum Pastor
Horst Krause, der sich schon im „Polizeiruf“ nie als Nebenrolle sah, stand endlich ganz im Mittelpunkt. Sein Leib- und Magenregisseur ist Bernd Böhlich, der nicht nur die Figur von Horst Krause einfach Horst Krause nannte, sondern auch alle Krause-Filme erdachte und in Szene setzte. Auf „Krauses Fest“ folgten bisher sieben weitere Filme. Manche davon, wie „Krauses Kur“, erreichten mehr als sechs Millionen Zuschauer, zuletzt waren es im Schnitt um die vier Millionen. „Krauses Weihnacht“ schließt nun den Reigen. Böhlich betont, er setze auf Nächstenliebe, gegenseitige Achtung und Güte: „Wenn schon die Welt aus den Fugen gerät, scheint es mir umso wichtiger, unser einziges Leben mit Wärme und Freundlichkeit zu füllen.“
Das Finale verbreitet eine heimelige Vorweihnachtsstimmung, das christliche Weihnachtslied „Ihr Kinderlein kommet“, das Krause und seine Schwester Elsa hier anstimmen, wird zum Motto des herzigen Freitagsfilms. Der Aufforderung des Liedes folgen nicht nur das Mädchen Tilla, das wegen ihrer Figur von den anderen Kindern im Heim verspottet wird. Krause lädt kurz entschlossen gleich alle Kinder von „Haus Sonnenschein“ zum Plätzchenbacken und Pferdestreicheln in den Gasthof ein. Damit nicht genug: Die Mädchen und Jungs dürfen in einer Modenschau die Klamotten vom Dachboden vorführen – Gasthof-Chefin Paula (Pauline Knof) nennt die Vorführung eine „Reise in die gute, alte Zeit“. Überhaupt war in der „guten, alten Zeit“ offenbar alles viel lustiger und unbeschwerter. Krause und Co führen im Kinosaal einen Film mit der Olsenbande vor, deren schräger Humor einst im Osten gut ankam. Aber auch Filmklassiker des Westens werden zitiert: Horst Krause erklärt zwei Jungs im Wald mit reichlich Pathos die Blutsbrüderschaft zwischen Winnetou und Old Shatterhand.
Diese Verklärung des Landlebens und der „guten, alten Zeit“, wann immer diese gewesen sein soll, beherrscht den letzten Teil der Reihe. Frühere Filme hatten sich noch mit Themen wie den Flüchtlingen aus Syrien und der Vertreibung der Älteren aus Pommern auseinandergesetzt. Zuletzt erlaubte Krause den Bau von Windrädern auf seiner Pferdekoppel, um den Braunkohleabbau zu beenden. Der Mann, der immer mal wieder Rückblicke in sein Leben gewährte und sich dabei auch mal selbst infrage stellte, wirkt zum Schluss nicht mehr wie ein gestrenger Dorfpolizist, sondern wie ein moralisierender Dorfpastor, der alle verirrten Schäfchen mit strenger Hand und harter Arbeit auf den rechten Weg zurückführt.
„Zu viel Dancing, zu viel Gluck-Gluck, zu viel Tralala!“
Sein Wirken trifft diesmal die Mutter eines Heimjungen (Bianca Nawrath), die darum kämpft, ihr Kind wieder bei sich aufzunehmen. Krause findet barsche Worte für deren großstädtisches Lotterleben: „Zu viel Dancing, zu viel Gluck-Gluck, zu viel Tralala!“ Das klingt fast, als würde auf dem Lande stets reines Wasser getrunken. Gern verweist der RBB darauf, dass die Krause-Filme vor allem in Brandenburg gern gesehen würden. Zur Beliebtheit hatten viele Jahre lang der leise Humor und die schrägen Figuren beigetragen. Doch viele Dauerrollen, wie Boris Aljinovic als Bürgermeister Hübner, sind verschwunden, manche Darsteller schon gestorben, wie Andreas Schmidt als „Gänse-Schlunzke“ und Tilo Prückner als Krauses Schwager Rudi Weissglut.
Diesmal taucht Christan Grashof als Jäger auf, der stramme Rehkeulen bringt und Schwester Meta auf den Hochsitz einlädt. Leider bleibt zu wenig Raum für die Szenen von Horst Krause mit seinen Schwestern Elsa (Carmen-Maja Antoni) und Meta (Angelika Böttiger) – wie die beiden mit ihrem „Hotti“ umgingen, war sonst immer recht drollig. Doch der Kitsch hat im Finale den Witz verdrängt, statt ulkiger Dialoge setzt es diesmal Sinnsprüche, die sich jeder in gestärkte Leinentücher sticken und in der Küche aufhängen kann: „Das Leben ist wie ein Mosaik: Letzten Endes passt alles zusammen“. In „Krauses Weihnacht“ passt tatsächlich alles zusammen – aber ein originelles oder überraschendes Mosaik ist es nicht.




