Bevor Sie ob der Berichterstattung zum wütenden Brief an die Redaktion ansetzen, liebe Leser: Sie haben ja recht. Das Format Dschungelcamp erinnert durchaus an diverse Science-Fiction-Erzählungen, die neue Degenerationsstufen der menschlichen Gier nach Unterhaltung auf Kosten ihrer weniger privilegierten Mitmenschen als veritables Horrorszenario aufzeigen. Auch in der 16. Ausgabe des Erfolgsformats von RTL (Zwischenstand nach Tag sieben: Täglicher Quotensieger in allen Zielgruppen mit durchschnittlich zirka 30 Prozent Marktanteil) werden wieder diverse Anusse, Kuhurin und Fermentiertes aller Art serviert – „when you’re kotzing, you’re losing“ drückte es der Kandidat Gigi Birofio treffend aus, der übrigens das giftige Moderatorenduo ein paar Tage später vor der Dschungelprüfung mit einem lautstarken Darmwind begrüßte. Wer mit Gigi und seinem bisherigen Reality-Schaffen nicht vertraut ist, könnte das als ein Zeichen des Widerstands werten.
Und doch fühlt sich die Sendung in diesem Jahr anders an, (noch) mehr als sonst schwappen gesellschaftliche Veränderungen über nationale Grenzen in den australischen Dschungel. Martin Semmelrogge gelang das übrigens nicht, er blieb in Katar stecken, weil ihm die australischen Behörden die Einreise verwehrten. Ob das an seinem Vorstrafenregister lag, haben weder der Schauspieler noch RTL bisher bestätigt.
Das diverseste Camp aller Zeiten
Die 16. Figurenkonstellation im Camp ist die diverseste aller Zeiten und das Bemühen um eine respektvolle Gesprächskultur beachtlich. Natürlich erwächst das Entertainment auch aus dem Scheitern daran. Etwa wenn die Münchener „Zickeria“, bestehend aus Claudia Effenberg, die mittlerweile große Ähnlichkeit mit Marijke Amado entwickelt hat, und Oliver Kahns Ex-Freundin Verena Kerth über ihre schwarze Mitcamperin Cecilia Aroso lästern. „Das ist nicht mein Niveau“, urteilt Kerth. „Ich hab am Anfang gedacht, dass sie so ne Asi-Tante ist. So ausm Ghetto“, ergänzt Claudia. Arosos Vergehen: Sie hatte die beiden darauf hingewiesen, dass der Känguruhschwanz, den RTL am Vorabend kredenzt hatte, längst ein Klassiker des Campmenüs jenseits der Dschungelprüfungen, doch auch Essen sei, über das man nicht unbedingt die Nase rümpfen müsse.
Generell jedoch hält sich das Gekeife bislang in Grenzen. Nur Tessa Bergmeier als diesjährige Vertreterin der obligatorischen Ex-GNTM-Zicke, eckt regelmäßig an, weil die Veganerin nicht müde wird, sich über körperliche Gebrechen zu beklagen und ihre Mitcamper daran zu erinnern, dass auch Tiere fühlende Wesen sind („Ein Kuhbaby fängt Schneeflocken mit der Zunge!“). Wie gewohnt wurde sie von den verlässlichen RTL-Zuschauern dann auch die ersten Tage in die Dschungelprüfung gewählt, wo sie sich allerdings unerwartet wacker schlug. Mit Engelsgeduld tastete sie sich an Spinnen, Schlangen und anderen Kreaturen mit Kreischpotenzial vorbei, brachte allerdings selten viele Sterne zurück, weil sie dafür Kakerlaken hätte zertreten müssen. „Das Wiegenlied ist auf die Dauer ermüdend“, kommentierte anschließend die selbsterklärte Tierschützerin Sonja Zietlow und meinte damit Tessas Proklamation, den Tieren nicht wehtun zu wollen. Mangels Eskalation schwenkten die Zuschauer aber irgendwann um und versuchen aktuell ihr Glück mit Claudia Effenberg.

Der Preis für die geschmackloseste Überleitung allerdings, geht an einen anderen von Zietlows Sprüchen: „Djamila hatte wahrscheinlich als Kind auch kein Puppenhaus – nicht mal so eins wie in unserer Dschungelprüfung“, stellte sie fest, nachdem Djamila Rowe erzählt hatte, dass ihre Eltern 1967 aus Ost-Berlin in den Westen geflohen waren und ihre sechs Monate alte Tochter bei den alkoholkranken Großeltern zurückließen, die das Versorgungsgeld vom Staat lieber für Schnaps als für Essen ausgaben. Später habe sie sich manchmal für Schularbeiten von anderen Kindern in Butterbroten bezahlen lassen.
Nicht nur deshalb gehört Rowe mittlerweile zu den Favoriten für die Krone. Genau wie etwa Model Papis Loveday oder Reality-Gewächs Cosimo Citiolo versteht sie es, persönliche Verletzlichkeit mit Humor zu verbinden, der nie auf Kosten anderer geht. „Mein Leben hat sich drastisch verändert, seit ich diesen Akkuschrauber habe“, erzählte sie kürzlich und legte gänzlich unbedarft ihren Fetisch für Dübel und Schrauben offen.



