Pressefreiheit

„Heute wurde eine Zeitung getötet“: Gericht entzieht Nowaja Gaseta die Zulassung

Die kremlkritische Zeitung, an der Gorbatschow Anteile hielt, soll mundtot gemacht werden. 2021 bekam ihr Gründer Dimitri Muratow den Friedensnobelpreis.

Der Journalist und Nobelpreisträger Dmitri Muratow vor der Anhörung im Bezirksgericht in Moskau.
Der Journalist und Nobelpreisträger Dmitri Muratow vor der Anhörung im Bezirksgericht in Moskau.AP

„Heute wurde eine Zeitung getötet“, heißt es in dem Statement, mit dem die Redaktion der kremlkritischen Zeitung Nowaja Gaseta darauf reagierte, dass ein Moskauer Bezirksgericht ihr die Zulassung entzogen hat. „Die Registrierung als Medium wird für ungültig erklärt“, verkündete die Richterin am Montag, wie die russische Nachrichtenagentur Interfax berichtete. Der Entzug erfolgte auf Antrag der Behörde Roskomnadsor, die nicht erst seit dem russischen Angriff auf die Ukraine eine Zensurbehörde ist. Die Zeitung habe trotz einer Verwarnung ihr Redaktionsstatut nicht vorgelegt, heißt es. Eine fadenscheinige Begründung und eigentlich nur ein weiterer Mosaikstein im großen Bild, das die dramatische Verschlechterung der Arbeitsbedingungen von unabhängigen russischen Journalisten und Medien in Russland darstellt. Hunderte Journalisten haben seit Kriegsbeginn das Land verlassen.

Die 1993 gegründete Nowaja Gaseta ist so etwas wie eine Zeitungslegende. Ihr Gründer und zeitweiliger Chefredakteur Dmitri Muratow wurde 2021 für unabhängige Berichterstattung mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. 2006 erwarb Michail Gorbatschow Anteile an dem Blatt – mit der Begründung, er wolle eine unabhängige Zeitung unterstützen.

Journalisten der Nowaja Gaseta wurden getötet

Ihre Unabhängigkeit versuchte die Redaktion nach dem 24. Februar 2022 unter Beweis zu stellen, indem sie die Invasion der Ukraine durch die russische Armee Invasion nannte und den Krieg Krieg. Als dann im März ein Gesetz erlassen wurde, das Journalisten, deren Kriegsberichterstattung von der offiziellen Linie des Kreml abweicht, mit bis zu 15 Jahren Haft bedroht, stellte die Zeitung ihr Erscheinen vorläufig ein. Bis zum Ende der „Spezialoperation in der Ukraine“, wie Dmitri Muratow damals sagte. „Wir haben keine andere Wahl.

Immer wieder sind Journalisten getötet worden, die für die Nowaja Gaseta gearbeitet haben, auch das nimmt die Redaktion in ihrem Statement auf: „Heute wurden unsere Kollegen Igor Domnikow, Juri Schtschekotschichin, Anna Politkowskaja, Stanislaw Markelow, Anastasia Baburowa, Natalia Estemirowa, Orchan Dschemal – erneut getötet.“

Die Redaktion gibt sich jedoch kämpferisch: „Der freie Geist weht, wo und wie es ihm gefällt“, schreiben die Journalisten. „Die Nowaja Gaseta war und ist und wird sein.“ Vor dem Gerichtsgebäude kündigte Muratow an, das Gerichtsurteil anzufechten.