Am Freitagmorgen sah man Fotos von Campino, dem Sänger der Toten Hosen, wie er geschniegelt und gestriegelt als Punk im Frack zum Staatsdinner mit dem König geht. Am Freitagabend sah man weiß befrackte Schauspieler auf der Kammerbühne des Deutschen Theaters zu schrill sägendem Punkrock Songs über den Umsturz singen, die der einstige Tote-Hosen-Texter Funny van Dannen schrieb. Zufall, sicher. Und doch gehören beide Verkleidungsszenen zusammen in eine Gegenwart, in der der Zeitgeist so vernebelnd auf Gefallsucht geeicht ist, dass ihm auch ehemalige Berufsskeptiker erliegen. Im DT aber – und das ist das Erlösende – waren die Fräcke blanker Zynismus.
Die letzte große Premiere der Intendanz Ulrich Khuon
Jürgen Kuttner, Tom Kühnel und die Kostümbildnerin Daniela Selig haben vor dem realsatirischen Hintergrund am Schloss Bellevue tatsächlich feinstes Gespür bewiesen für die schillernde Ausstattung ihrer zweieinhalb stündigen Funny-van-Dannen-Revue „Forever Yin Forever Young“, die am Freitagabend als letzte große Premiere der Intendanz Ulrich Khuon über die Bühne ging und so etwas wie eine subversiv-affirmative Allroundparty samt Selbstfeier des Betriebs geworden ist. Die guten Menschen feiern sich hier ebenso wie die schlechten, was durchaus ureigenes Metier des Theaters ist, aber auch des kindlich-weisen Funny van Dannen, der weiß, dass der Weg zum Glück gepflastert ist mit Sehnsüchten und Gemeinheiten, die der Alltag als treuster Freund der großen Politik unweigerlich ausbrütet.
Kritik und Affirmation – auf subtile Weise geht das wunderbar zusammen in den lakonisch-melancholischen Songs und absurden Kurzgeschichten des holländisch-deutschen Multitalents van Dannen, der seit über 40 Jahren zum Urgestein West-Berliner Protestkunst gehört und unbeirrt puristisch zur Klampfe seine schräg-witzigen Balladen singt über Hühner mit Achselhaaren, „Herzscheiße“ und die simple Blödheit der Zeit.
Das Regieduo Jürgen Kuttner und Tom Kühnel haben den Riesenfundus dieser Textabbreviaturen aus dem bescheiden dahinplätschernden Barden-Milieu in eine kompakte, fast schon umfassende Erzählung der West-Berliner BRD-Geschichte gepackt. Und van Dannen selbst wird sich im Publikum die Augen gerieben haben, über den Aufwand, mit dem seine Liedchen plötzlich zu einem dramatisch-glamourösen Quasi-Musical aufgemöbelt wurden.
Den satten Big-Band-Sound schaffen die drei fantastischen Musiker der Multiinstrumental-Combo aus Cello, E-Gitarre, Trompete, Keyboard und Drums. Und Bühnenbildner Jo Schramm hat gleich einen ganzen Straßenzug mit Späti und Kino dazu gebaut, dessen Fassaden sich projektiv durch die Jahrzehnte verändern. Zwar signalisiert das Intimes-Kino Friedrichshain, aber Kreuzberg ist das richtigere Pflaster für die Kleinrevoluzzer und Weltschmerzfiguren, die sich in ihrer Lebenssinnsuche ebenso verheddern wie in der verkappten Bürgerlichkeit.


