Ein beweihräuchertes Buch, ein schlichter Sarg aus Zypressenholz – es sind Zeichen der Einfachheit, die am Donnerstagvormittag von der Beerdigungsfeier des emeritierten Papstes Benedikt XVI. auf dem Petersplatz in Rom ausgehen. Während die großen Plätze der Welt oft als Orte von Massenansammlungen fungieren, ist hier im Vatikan alles auf Abstand und die Herrschaft der Symmetrie ausgerichtet.
Immer wieder zeigen die Bilder der TV-Übertragung Details einer sparsamen Inszenierung: vergoldete Leuchter und liturgische Accessoires, aber auch die Gesichter der Menschen, die diesem Abschied von einem Papst beiwohnen, den die Deutschen zu seiner Wahl im Jahr 2005 mit der boulevardesken Schlagzeile „Wir sind Papst“ umgehend als Ausdruck eines volksnahen Stolzes ins Herz schlossen.
Zwischen irdischem Leben und göttlichem Versprechen
Dabei war Nahbarkeit nicht das hervorstechende Merkmal der Amtszeit von Papst Benedikt XVI., der sich als Gelehrter sah, dessen intellektuelle Anstrengung darauf ausgerichtet war, das Verhältnis von Glauben und Vernunft mit der katholischen Lehre in Einklang zu halten. Zweifellos sah Benedikt XVI., der als Josef Ratzinger viele Jahre die Glaubenskongregation des Vatikans anleitete, sich als Erneuerer seiner Kirche. Ein bis zu seiner Emeritierung nicht aufgehobenes Missverständnis bestand vermutlich jedoch darin, dass die ihm vorschwebende geistliche Erneuerung wenig mit einer Kirchenreform zu tun hatte, wie sie viele Katholiken so zwingend herbeisehnen. Benedikts Konzept der Erneuerung bestand gerade nicht in der Anpassung der Kirche an moderne Lebenswelten, sondern in dem Erhalt eines Glaubens, bei dem klar zwischen irdischem Leben und göttlichem Versprechen unterschieden werden soll.
Von diesem Verständnis der Einzigartigkeit der Kirche war am Donnerstag auch das Requiem für Benedikt XVI. geprägt, das als Manifestation des Traditionellen zu betrachten war. Wenn sich etwas aus der kirchlichen Welt in der säkularen Wirklichkeit erhalten hat, dann ist es ein Gespür für Langsamkeit als Ausdruck einer Wesentlichkeit in den entscheidenden Momenten. Davon zeugen zur Trauerfeier insbesondere die Bischofs- und Kardinalsgewänder, die nicht als Prunkzeichen getragen wurden. Vielmehr entziehen sie der menschlichen Gestalt ihre Körperlichkeit. Während Uniformen den vermeintlichen Schneid eines Funktionsträgers hervorheben, wirkt die Soutane als Verhüllung, die das kirchliche Amt überhaupt erst zur Geltung bringt.
Papst Franziskus, der die Predigt auf seinen Vorgänger unter einem wie provisorisch errichteten Dach hielt, das an eine schmucklose Bushaltestelle erinnerte, wohnte der Zeremonie in mönchischer Bewegungslosigkeit bei. In seiner kurzen Ansprache ging er auf Benedikts mutmaßlich letzte Worte ein, die Franziskus als „letzten Seufzer“ bezeichnete: „In deine Hände lege ich meinen Geist.“ Das ist bereits die theologisch durchgearbeitete Version. Anderen Berichten zufolge soll Benedikt seine Liebe zu Gott ausgerufen haben. Ganz ohne Formeln der Verklärung ist der Tod eines Papstes nicht zu haben, darin ähnelt er den Bedürfnissen der Angehörigen fast aller Sterblichen.
Bei einem Requiem zwei Tage zuvor war Reinhard Marx, der Erzbischof von München und Freising, sehr viel konkreter geworden. Er würdigte Benedikt als diskursfreudigen Theologen und bat insbesondere die Kritiker des früheren Papstes, die Herausforderung zum Dialog mit der Kirche anzunehmen, eine Einladung, die allen voran der Philosoph Jürgen Habermas angenommen hat. Marx’ würdevolle Einlassungen konnten zugleich als Kritik an einer dogmatischen Strenge verstanden werden, die einigen Anteil am rasanten Bedeutungsverlust des Katholizismus hat – nicht zuletzt wegen einer auch Benedikt angelasteten Ignoranz im Umgang mit zahlreichen Fällen des sexuellen Missbrauchs innerhalb der Kirche.
Eine selbstbewusste Behauptung des Rituellen
Im Vorfeld der Beerdigung ist immer wieder über die inzwischen verstörend anmutende Aufbahrung des verstorbenen Papstes gesprochen worden. Gläubige oder auch nur Schaulustige konnten sich von dem im Bischofsgewand samt Mitra aufgebahrten Benedikt XVI. aus nächster Nähe verabschieden. Das Gesicht grau geschminkt, die Wangen eingefallen, war es die Inszenierung eines toten Körpers, die weithin Unmut hervorrief.


