Kaum hebt Chers Stimme in ihrem „Believe“-Hit von 1998, an, schnellt sie auch schon prompt mit chirurgischer Präzision auf den nächsten Ton weiter, so als hätte eine digitale Instanz beschlossen, dass menschliche Übergänge überbewertet sind: keine Bögen, nur Teleportation. Und plötzlich stand da 1998 ein Begriff im Raum, der so camp ist, dass man ihn eigentlich mit Strass umranden müsste: der Cher-Effekt. Bloß hat Thomas Gottschalk ihn bei seiner zum Fremdschämen schlimmen Bambi-„Laudatio“ auf Cher unter den Teppich gekehrt.
Wir erinnern uns: „Believe“, 1998. Ein Song wie ein nächtlicher Ausflug in eine Beauty-Klinik, die heimlich auch ein Rave-Club ist. Dieser knickende Sprung in Chers Stimme (zuerst von vielen für einen Softwarefehler in der Studiotechnik gehalten) entpuppte sich als bewusste Provokation, bewerkstelligt durch nicht nur offensiven, sondern gerade exzessiven Einsatz der Software Autotune zur automatischen Tonhöhenkorrektur. Ein ästhetischer Angriff auf die heilige Natürlichkeit der Popstimme. Und das Entscheidende: Cher prägt damit die klangliche Popästhetik der Gegenwart wie keine zweite Künstlerin.

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