Manche sehen in ihm einen Softpornografen. Als am Freitagabend der goldene Vorhang vor der Berliner Waldbühne aber fällt, blickt dort ein Staatsmann drein: Des Kaisers Körper verhüllt ein grauer Dreiteiler, wie ihn auch sein Freund Frank-Walter Steinmeier gerne über der Haut trägt. Manschettenknöpfe zieren das Hemd – und ein Glanz die Oxfordschuhe. Wahrscheinlich finden seine im Großteil weiblichen Anhängerinnen gerade in dieser Kluft den Charme: Da singt jemand völlig unverblümt von der Fleischeslust und wirkt dabei nicht einmal im Geringsten vulgär.
Mit ungläubigen wie dankbaren Worten begrüßt Roland Kaiser seine Gemeinde. Fünfzig Lieder aus einem halben Jahrhundert füllen die nächsten drei Stunden; die Fans beseelen dabei alte Aufnahmen der „ZDF-Hitparade“ mit Erinnerungen an gemeinsame Tage. „Ich glaub es geht schon wieder los“ lautet der erste Gassenhauer des Abends. Kaiser selbst hält wenig von Tänzeleien, Körperlichkeit versprühen vor allem die Bläser: Ihre Oberarme scheinen dem Platzen nahe, die Hüften kreisen in unzüchtigen Bewegungen.

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