New Music Friday

Neue Platten fürs Wochenende: Måneskin, Biig Piig, John Cale

Måneskin brauchen kein Koks, um auszurasten. Biig Piig liebt die Konfettikanonen-Schweinerei. Und John Cale (The Velvet Underground) erinnert an Nico und Bowie.

Måneskin rund um Sänger Damiano David (2.v.r.)
Måneskin rund um Sänger Damiano David (2.v.r.)AP/Joel C Ryan

Måneskin: „Rush!“ (Epic/Sony)

Haben Måneskin gekokst beim ESC? So sahen es viele 2021 in Rotterdam, nachdem die vier aus Rom beim Eurovision Song Contest gewannen, mit ihrem Rebellionsrockstück „Zitti e buoni“ (zu Deutsch „Leise und brav“), in dem sie lustigerweise Leute bezichtigen, über Dinge zu labern, von denen sie keine Ahnung hätten. Einen ähnlichen Spirit atmet auch das „Bla, bla, bla“ im Song „Bla“ auf der neuen dritten Platte „Rush!“. 

Neben romantischzartem, zum Balladieren ladenden Mondlicht (nichts anderes meint „Måneskin“ auf Dänisch) gibts bei dieser Band eben oft eher Supernova-Vollkaracho. Das lebt auch von Damiano Davids unverschämter Rampengeilheit. Auf Platte kommt das in den 17 (!) Tracks nicht immer gleichermaßen stark rüber. Obwohl sich Måneskin schon sehr ins Zeug legen, zu beweisen, dass sie ihre elektrischen Gitarren in allen Tempi reiten können. Eine tolle Energie haben sie zweifelsohne, zwar nicht zum In-die-Nase-, aber doch zum In-die-Ohren-Ziehen. 

Biig Piig: „Bubblegum“ (RCA/Sony)

Nein, ihr Künstlerinnenname Biig Piig (zu Deutsch in etwa „groooßes Schwein“) setze sie überhaupt nicht unter Druck, beteuert Jess Smyth. Die 24-jährige Sängerin und Songschreiberin, die ihre Kindheit in Spanien verbrachte, aber nun in London lebt, wo ihre irische Familie einen Pub betreibt, liefert luftig-leichte Electro-Pop-Songs, die schon ultraprominente Fans wie Billie Eilish und Lil Nas X gefunden haben.

Dabei unterscheidet sie sich sehr wohl vom jungen Durchschnitts-TikTok-Pop mit seiner klangoberflächlich anästhesierten Teilnahmslosigkeit: Biig Piig beweist einen größeren Willen zur starken Melodie. Da schimmern schon mal Donna Summer und auch Janet Jackson durch, in Sound-Spurenelementen. Trotzdem ergibt es Sinn, dass Biig Piig hier bei ihrem Debüt von einem Mixtape, nicht von einem Album spricht: Es fühlt sich an wie eine kunterbunt gemixte Konfettikanone, mit der man den Tanzboden gepflegt aufhübscht. Eine echte Schweinerei halt.

John Cale: „Mercy“ (Domino/Goodtogo)

Was für ein Typ! John Cale (nicht zu verwechseln mit John Cage, mit dem er aber auch mal musizierte), Sohn aus einem walisischen Arbeiterhaushalt, Bratschist und Pianist, studierte klassisch am renommierten Goldsmith College, gelangte dank eines Stipendiums des Komponisten Aaron Copland an die US-Ostküste. Mit Lou Reed gründete er 1965 The Velvet Underground. Zusammen mit der (nach ihrem Tod 1988 auf dem Friedhof Grunewald-Forst begrabenen) Sängerin Nico (Päffgen) spielten sie 1966 das Debüt „The Velvet Underground & Nico“ ein: eines der besten Pop-Alben aller Zeiten, legendär wie auch Andy Warhols Banane für das Cover.

Inzwischen ist John Cale 80, aber er kann es immer noch. Wiewohl er sich coole junge Gäste geladen hat für „Mercy“, seine erste Platte mit neuen Songs seit einem Jahrzehnt: Weyes Blood (eine Art junger Joni Mitchell) und die Electro-Spinner von Animal Collective etwa. Elegische Synth-Pop-Balladen sind herausgekommen, die sich an Nico und an seinen Kumpel David Bowie erinnern, mit einer abgründigen, nachtwandelnden Wucht, die ihresgleichen sucht.